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Wie Oma Hedwig aus Plauen 10.000 Euro von ihrer Unfallversicherung erstritt

Versicherungen reden sich im Schadensfall gern raus, wie eine Rentnerin aus dem Vogtland erfahren musste. Doch die Verbraucherzentrale wusste Rat.

Von Sylvia Miskowiec
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Damit die Versicherung zahlt, ist ein genauer Check aller Unterlagen wichtig.
Damit die Versicherung zahlt, ist ein genauer Check aller Unterlagen wichtig. © Symbolfoto: dpa

Sie wollte nur schnell noch etwas holen. Und dann einkaufen gehen. Mehr weiß Hedwig Hausmann nicht mehr. Denn die 81-Jährige stürzte in ihrer Wohnung so unglücklich, dass sie das Bewusstsein verlor. Und wohl einen guten Tag auf dem Boden liegen blieb, bis Verwandte sie fanden und den Rettungsdienst riefen.

Die Seniorin aus einem Dorf bei Plauen heißt eigentlich anders, möchte aber ihren Namen nicht öffentlich lesen. Zu groß war die Aufregung der letzten anderthalb Jahre. So lange hat es gedauert, bis ihre Unfallversicherung bereit war, für ihren Schaden zu zahlen. Eine Woche habe sie nach dem Unfall im Krankenhaus gelegen. Dort hielt man sie erst für dement, erinnert sich Hausmann. „Ich war ja bei meiner Einlieferung völlig ausgetrocknet, wusste daher erst mal nicht, wo ich bin, was überhaupt los war.“ Das habe sich schnell gegeben, aber der Hausarzt bescheinigte der Seniorin bleibende Schäden durch den Unfall.

„Eigentlich ist Frau Hausmann ein klassischer Fall für die Unfallversicherung“, sagt Jasmin Trautloft, zuständig für Finanzdienstleistungsthemen bei der Verbraucherzentrale Plauen. Doch die Versicherung lehnte die Leistung mit der Begründung ab, dass im Arztbericht eine „Bewusstseinseintrübung“ angegeben sei. Solch ein Fall als Unfallursache wäre in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen. Sinngemäß: Wer keinen klaren Kopf hat und dadurch in einen Unfall gerät, bekommt kein Geld von der Versicherung. „Ich war außer mir“, sagt Hausmann. „Ich habe vor dem Unfall jahrelang meinen Haushalt ohne Probleme allein erledigt, ich war und bin auch wieder bei allen Sinnen.“

Verbraucherzentralen prüfen Unterlagen

Es folgten einige Schriftwechsel zwischen der Seniorin und der Versicherung – erfolglos, die Gesellschaft verweigerte die Zahlung. „Eine Verwandte riet mir schließlich, mich an die Verbraucherzentrale zu wenden“, sagt Hausmann. Eine halbe Stunde Versicherungsberatung kostet dort 15 Euro, egal, ob online, telefonisch oder persönlich. Hedwig Hausmann machte sich selbst auf den Weg in die Plauener Niederlassung. „Sie kam mit einem dicken Ordner unterm Arm, voll mit Unterlagen, Schriftverkehr mit einer Unfallversicherung und verschiedenen Arztberichten völlig verzweifelt zum Beratungstermin“, erinnert sich Jasmin Trautloft. Die Versicherungsfachfrau schaute sich alles genau an: die Versicherungsbedingungen, die Berichte der Ärzte. Und hier entdeckte sie ein entscheidendes Detail: Die Bewusstseinseintrübung, aufgrund derer die Versicherung nicht zahlen wollte, war erst nach und nicht bereits vor dem Sturz eingetreten. „Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied für die Leistungsverpflichtung einer Unfallversicherung“, sagt Trautloft. „Denn in diesem Fall muss sie zahlen.“

Arztberichte möglichst zeitnah hinterfragen

Gut zu wissen: Versicherungen entscheiden eine Leistungspflicht ausschließlich anhand der eingereichten Unterlagen und ihren Versicherungsbedingungen. „Nach einem Unfall sollte man den Bericht über den Unfallhergang genau ausfüllen, die Arztberichte sorgfältig lesen und hinterfragen, möglichst zeitnah“, rät die Finanzexpertin. „Hier passieren schnell mal Kommunikations- und Flüchtigkeitsfehler, die den Versicherten am Ende um die Leistung bringen könnten.“

Mithilfe der Verbraucherzentrale bat Hedwig Hausmann die Versicherung um nochmalige Prüfung und verwies dieses Mal sowohl auf den Unfallhergang als auch auf die kleine entscheidende Stelle im Arztbericht. Mit Erfolg: Zwei Monate später bekam die Seniorin die ihr zustehenden 10.000 Euro Invaliditätsleistung.

Ombudsmänner können schlichten

Widersprüche sind nicht immer so erfolgreich. „Weigert sich eine Versicherung weiterhin, kann kostenfrei ein Versicherungsombudsmann eingeschaltet werden, der vermittelt und die Versicherung anweisen kann“, so Trautloft. Ein zweiter Weg ist die Rechtsbesorgung durch Juristen der Verbraucherzentrale: Sie setzen sich mit dem Unternehmen schriftlich in Verbindung, um Ansprüche außergerichtlich durchzusetzen. „Vor Gericht zu ziehen ist erst die letzte Möglichkeit“, sagt Trautloft. Häufig könne man sich vorher einigen.

Was ist eine Unfallversicherung – und wer braucht sie?

  • Ein Unfall liegt laut Versicherungen vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Unfälle aufgrund von Dauerbelastungen oder krankhaften psychischen Störungen sind nicht versichert.
  • Die wichtigste Leistung der Unfallversicherung ist die Zahlung eines einmaligen Geldbetrages, der Invaliditätsleistung. Voraussetzung ist eine „dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit“. Das ist der Fall, wenn die Unfallfolgen voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen bleiben und eine Besserung nicht zu erwarten ist.
  • Zudem sollten Kosten für Such-, Rettungs- oder Bergungseinsätze versichert sein, genauso wie unfallbedingte kosmetische Operationen.
  • Wer einen Unfall erleidet, muss diesen dem Versicherer selbst beweisen.
  • Sinnvoll ist eine private Unfallversicherung für Selbstständige, Personen ohne Beruf, Hausfrauen und -männer, für Menschen mit einem sehr hohen Unfallrisiko und für Erwerbstätige mit Vorerkrankungen, die keine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen können.
  • Weniger sinnvoll ist eine Unfallversicherung für Arbeitnehmer. Sie sind schon für Arbeits- und Wegeunfälle und bei Berufskrankheiten abgesichert. Das ist eine Pflichtversicherung, die der Arbeitgeber für Arbeitnehmer über die Berufsgenossenschaft abschließen muss und bezahlt.
  • Kinder und Jugendliche haben im Kindergarten, in der Schule und der Universität ebenfalls Versicherungsschutz. Auch der Hin- und Rückweg ist versichert.
  • Keinen derartigen Versicherungsschutz haben Arbeitnehmer, Kinder und Jugendliche in der Freizeit, im Haushalt, im Straßenverkehr und im Urlaub. Hier kann eine private Unfallversicherung zur Absicherung unter Umständen sinnvoll sein.
  • Für Senioren bieten einige Gesellschaften spezielle Unfallversicherungen an. Sie sind eine Kombination aus Hilfe-, Pflege- und Geldleistungen.
  • Eine Senioren-Unfallversicherung sollte auch dann leisten, wenn der Unfall und die Folgen medikamentenbedingt oder durch alterstypische Erkrankungen verursacht wurden.
  • Die Leistungsdauer für Hilfeleistungen, etwa im Haushalt, bei der Körperpflege und Behördengängen, sollte mindestens sechs Monate betragen. Die Versicherung sollte neben der Organisation auch die Kosten für diese Hilfen übernehmen.
  • Der Vertrag sollte ohne Höchstversicherungsalter und altersunabhängig ohne Leistungseinschränkungen und Beitragserhöhungen fortgeführt werden.

    Quelle: Verbraucherzentrale