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Geschichten hinter Gefängnismauern

In einem Theaterstück werden frühere Insassen der JVA zum Leben erweckt: ein weiblicher Prinz und ein Schriftsteller.

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© André Braun

Von Helene Krause

Waldheim. Männer in historischen Gewändern führen die Gefangene in den Saal. Es ist Sophia Sabina Apitzsch, genannt Prinz Lieschen. Die Weberstochter aus Lunzenau war die erste weibliche Insassin des Waldheimer Gefängnisses. Zum 300-jährigen Bestehen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Waldheim zeigten Mitarbeiter der JVA, des Spielensembles des Mittelsächsischen Kultursommers (Miskus) und Waldheimer Vereine im Rathaussaal ein Theaterstück aus der Schreibwerkstatt des Miskus.

„Wir schauen, welche Jubiläen in den Orten anstehen“, erklärt Jörn Hänsel vom Mittelsächsischen Kultursommer. „In diesem Jahr war es die 300-Jahrfeier der JVA.“ 1716 wurde auf Betreiben August des Starken aus dem ehemaligen Augustinerkloster ein Zucht-, Armen- und Weisenhaus. Weil es zur 800-Jahrfeier von Waldheim schon einen Teil der Geschichte der JVA gab, schauten die Mitarbeiter des Miskus, welcher Stoff sich noch für ein Stück eignet. Für die Aufführung stellte die Stadtverwaltung Waldheim den großen Ratssaal zur Verfügung.

In dem Stück stehen zwei besonders bekannte Insassen des Waldheimer Gefängnisses im Mittelpunkt. Zum einen ist es Sophia Sabina Apitzsch. Die Weberstochter floh aus ihrem Elternhaus, weil sie einer Zwangsverheiratung mit einem Jäger entgehen wollte. Als Mann verkleidet, zog sie durch die Lande und soll sogar zwei Wochen beim Militär gedient haben. Zu der Zeit reiste Prinz Friedrich August, ein Sohn August des Starken, inkognito im Land umher. Deswegen und wegen ihrer Verkleidung hielten viele Sophia Sabina Apitzsch für einen Prinzen. Doch als Prinz hatte sie sich nie ausgegeben. Als ihre Verkleidung enttarnt wurde, ließ man sie ins Zuchthaus Waldheim bringen. Hier saß sie einige Jahre ein. August der Starke, der von ihr hörte, ließ ihr später einiges Geld zu kommen. So konnte sie Waldheim verlassen und eine Existenz gründen.

Zum anderen saß Karl May vier Jahre im Waldheimer Gefängnis ein. Er war des Diebstahls und der Hochstapelei angeklagt. Er sollte eine goldene Taschenuhr gestohlen und sich als Arzt ausgegeben haben. Sophia Sabina Apitzsch spielte Kristin Kießling aus Leisnig. Karl May wurde von Jörn Hänsel dargestellt. Umrahmt wurde die Aufführung von den Tanzperlen des Zschopautales und dem Volkschor Waldheim. Im Vorfeld der Veranstaltung öffnete das Museum der JVA Waldheim. „So haben wir Vergangenheit und Gegenwart verbunden“, sagt Jörn Hänsel.

Dominique Rost beschäftigt sich mit der Geschichte von Waldheim. „Waldheim ist meine Heimatstadt“, sagt sie. Sie erzählt, dass sie im kleinen Rahmen Vorträge über die Stadt hält. Auch ein Lied und ein Gedicht hat sie geschrieben. Elke Marcks aus Waldheim ist zu der Aufführung gekommen, weil sie sich für die Geschichte interessiert und ihr Mann der Chorleiter ist. Petra Trebeljahr aus Colditz hatte sich schon lange vorgenommen, das Museum der JVA zu besuchen und sich das Theaterstück anzusehen. „Ich habe davon in der Zeitung gelesen“, sagt sie. Wolfgang Thoma aus Waldheim hat zum ersten Mal von Prinz Lieschen gehört. Die Atmosphäre im Ratssaal findet er schön.