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Freitalerin geht zu 14 Kinderärzten - ohne Erfolg

In den Wintermonaten ist die Lage in den Praxen noch schwieriger als sonst. Eine Mutter aus Freital und eine Kinderärztin aus Dippoldiswalde berichten.

Von Beate Erler
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Noch ist die Praxis leer. Das wird sich im nächsten Jahr schnell ändern, wenn Antje Jäger-Hundt ihre Kinderarztpraxis im Bürgerhaus Reinhardtsgrimma eröffnet.
Noch ist die Praxis leer. Das wird sich im nächsten Jahr schnell ändern, wenn Antje Jäger-Hundt ihre Kinderarztpraxis im Bürgerhaus Reinhardtsgrimma eröffnet. © Egbert Kamprath

Das Winterhalbjahr hat gerade erst begonnen. Für ihre Kinderarztpraxis bedeutet das noch längere Wartezeiten. Nach Wochenenden und Feiertagen ist es besonders schlimm, sagt Antje Jäger-Hundt. Die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin ist seit 2012 Kinderärztin in Dippoldiswalde. „Wir können nicht immer ausreichend viele Patienten versorgen und viele Familien mit Kindern im Schulalter oder Patienten mit langen Anfahrtswegen gehen primär zum nähergelegenen Hausarzt“, sagt sie. Besonders im Winterhalbjahr mit einem erhöhten Aufkommen an Infektionen ist das so.

Die Versorgungssituation hält sie trotzdem insofern für stabil, als keine Praxen wegen fehlender Nachbesetzung schließen mussten. Dieses Problem gibt es eher bei den Hausärzten. Allerdings sei die Verteilung der Kinderärzte im Landkreis ein Problem. Gerade im ländlichen Bereich, wie in Dippoldiswalde mit einem Einzugsgebiet bis an die tschechische Grenze, bedeutet der Besuch beim Kinderarzt für viele eine lange Anfahrt, so Antje Jäger-Hundt.

Im nächsten Jahr wird sie einen neuen Kassenarztsitz ebenfalls in einer ländlichen Region übernehmen: Die neue Kinderarztpraxis wird im Glashütter Ortsteil Reinhardtsgrimma entstehen. Eine halbe Stelle hat die Kassenärztliche Vereinigung (KVS) dort geschaffen. An drei Tagen die Woche wird Antje Jäger-Hundt ihre Kinderarztpraxis ab April öffnen. Auch für die Kinder der Nachbarkommunen Altenberg und Bad Gottleuba-Berggießhübel wird sie die neue Anlaufstelle sein.

KVS: Versorgungsgrad liegt bei 110 Prozent

Ihre Praxis in Dippoldiswalde kann aktuell keine Patienten aufnehmen, die den Kinderarzt wechseln wollen. „Wir nehmen aber Neugeborene aus unserem Einzugsgebiet, Geschwisterkinder oder Kinder aus Einrichtungen der Jugendhilfe auf“, sagt sie. Im Praxisalltag reicht die Akutsprechzeit oft nicht aus, um alle Patienten in angemessener Zeit zu behandeln. Die Akutsprechzeiten auszuweiten, sei aber auch keine Option, so Antje Jäger-Hundt: „Dann reicht die Zeit nicht für Vorsorgeuntersuchungen und notwendige Gespräche mit den Patienten.“

Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen liegt der Versorgungsgrad im alten Weißeritzkreis, trotz dieser Probleme, bei 110,1 Prozent. „Im Planungsbereich sind aktuell acht bedarfsplanungsrelevante Kinderärzte tätig“, sagt André Reiche von der Öffentlichkeitsarbeit der KVS. Das bedeutet, eine Kinderarztstelle für 2.852 Einwohner unter 18 Jahren. Mit vier Kinderärzten steht Freital auf Platz eins im Ex-Weißeritzkreis, gefolgt von Dippoldiswalde mit zwei Kinderärzten.

Gleichzeitig hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Aktion „Praxenkollaps“ ins Leben gerufen. Bürger können die Bundestagsabgeordneten in ihrem Wahlkreis per Mail über ihre Sorgen und Nöte hinsichtlich der ambulanten Versorgung informieren. Diese sind vor allem: Praxen schließen mangels Nachfolge, Sprechstunden werden aufgrund von Personalmangel reduziert und viele Praxen können keine neuen Patienten aufnehmen.

Ohne Erfolg bei 14 Kinderärzten

Diese Erfahrung hat auch Mandy Richter aus Freital gemacht. Die junge Mutter ist an ihrer Kinderarzt-Suche fast verzweifelt. Vor vier Monaten ist sie zum ersten Mal Mutter geworden. Ihr Sohn kam fünf Wochen zu früh zur Welt. „Nach dem Krankenhaus griff ich sofort zum Handy und wusste nicht, was auf mich zukommen würde“, sagt sie. In der Urlaubszeit erreichte sie nur wenige Praxen überhaupt. Die Kinderärzte, die sie ans Telefon bekam, wiesen sie alle ab. „Am Ende habe ich es bei 14 Kinderärzten in und um Freital probiert und hatte kein Glück“, erinnert sie sich.

Die meisten Praxen sagten ihr, dass sie keine Patienten mehr aufnehmen könnten, weil sie voll sind. Am Ende hatte sie doch noch Glück: Ihr Freund sprach persönlich bei einem Kinderarzt in Freital vor und wurde angenommen. „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es so verdammt schwer ist, einen Kinderarzt zu finden“, sagt die junge Mutter.

Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat der Linken-Bundestagsabgeordnete André Hahn bisher nur wenige Bürger-Mails der Aktion Praxenkollaps erhalten. „Die grundsätzlichen Probleme und die sich zunehmend verschärfende Situation im Gesundheitsbereich sind mir aber aus vielen Bürgergesprächen bekannt“, sagt der Politiker.

Auch Fabian Funke von der SPD hat einige Zuschriften bekommen. Die in den Schreiben enthaltenen Wünsche beziehen sich auf den Erhalt und die Gewährleistung einer medizinischen Versorgung vor Ort. „Die Bürger nehmen wahr, dass Praxen schlecht erreichbar sind, Ärzte weniger Zeit haben und Praxen keinen Nachfolger finden“, sagt er.