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Rücken-Coaching für zu Hause im Test

Online-Präventionskurse Teil 2: In acht Wochen einen gesünderen Rücken und entspannten Nacken. So geht es.

Von Steffen Klameth
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Auf die Bauchspannung achten: Trainer Tom in Aktion. Die Übung nennt sich übrigens Sideplank mit Rotation.
Auf die Bauchspannung achten: Trainer Tom in Aktion. Die Übung nennt sich übrigens Sideplank mit Rotation. © Klameth, dpa; Montage: SZ-Bildstelle

Deutschland hat Rücken. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger klagt häufig oder gelegentlich über Kreuzschmerzen, in anderen Umfragen sind es sogar acht von zehn Menschen. So gesehen befinde ich mich in bester – oder sollte ich besser sagen schlechter – Gesellschaft. Mit Corona wurde es zweifellos nicht besser, im Gegenteil. Das Homeoffice ist ein Bewegungskiller. Und dann hatten auch noch die Fitnessstudios monatelang und wiederholt geschlossen. Was tun?

Die Antwort findet man im Internet. Nicht nur Online-Händler haben von der Pandemie profitiert, sondern auch die Anbieter von Online-Kursen. "Seit der Corona-Pandemie ist ein deutlicher Anstieg bei der Nutzung von Online-Präventionsangeboten zu verzeichnen", sagt Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der Barmer in Sachsen. Gesetzliche Krankenkassen fördern die Eigenvorsorge ihrer Versicherten, indem sie beispielsweise eigene Kurse auflegen oder die Kosten externer Anbieter ganz oder teilweise übernehmen. Alle diese Kurse sind von der Zentralen Prüfstelle Prävention getestet und zertifiziert worden. Häufig belohnen die Kassen die Teilnahme zudem mit Punkten fürs Bonusprogramm.

Aber bringt so ein Online-Kurs wirklich etwas? Kriege ich damit meine Rückenprobleme in den Griff? Ich will es herausfinden und entscheide mich für ein Angebot, das bei vielen Versicherten hoch im Kurs steht: Rücken-Coaching – Funktionelles Ganzkörperkrafttraining vom Anbieter CyberConcept.

Der Anbieter

Die CyberConcept GmbH aus Münster gehört zu den Pionieren im Online-Training und ist heute nach eigener Darstellung europaweiter Marktführer bei digitalen Fitness- und Gesundheitsprogrammen. Auf der Plattform gibt es über 700 Kurse – sowohl gratis als auch im kostenpflichtigen Abo. Außerdem bietet die Firma Anwendungen für Fitnessstudios an und neuerdings auch Videosprechstunden mit Ärzten. Die Präventionskurse seien ein wichtiger Geschäftszweig und in der Coronazeit "regelrecht explodiert", sagt Programmdirektor Tom Dederichs. Deren jährliche Teilnehmerzahl bewege sich inzwischen im hohen fünfstelligen Bereich.

Die Anmeldung

Auf der Seite www.cyberpraevention.de findet man elf Kurse, darunter auch das Rücken-Coaching. Hier kann man zunächst prüfen, wie viel Geld man von seiner Kasse dafür erstattet bekommt, und dann den Kurs direkt beim Anbieter buchen. Wer bei der AOK oder Barmer versichert ist, wird direkt zu seiner Kasse weitergeleitet. Dort erhält man nach Registrierung ein Passwort, mit dem man sofort mit dem Kurs starten kann. Ohne Kassenzuschuss kostet das Rücken-Coaching 99 Euro.

Das Programm

Der Kurs richtet sich an Einsteiger. Erklärte Ziele sind ein starker und gesunder Rücken, ein entspannterer Nacken und eine verbesserte Körperhaltung. Das Programm besteht aus acht Modulen, die man auf acht Wochen verteilen soll. Jedes Modul ist noch mal unterteilt: 35 Minuten Training und etwa zehn Minuten Theorie. Per PDF gibt es Hintergrundwissen, und es sind noch mal alle Übungen zusammengefasst. Praktisch.

Der Start

Ich logge mich im heimischen Wohnzimmer mit meinem Tablet ein – alternativ wären auch Smartphone, Smart-TV und PC möglich. Ein Klick auf das Abspielsymbol, und das Video startet. Ein sportlicher Typ mit leicht ergrautem Haar erscheint auf dem Bildschirm. Es ist Tom – jener Mann, der sich am Telefon als Programmdirektor vorgestellt hatte. Darüber hinaus ist er auch Moderator, Kursleiter und eben Coach. Nun erklärt er noch mal die Ziele und den Ablauf des Kurses. Und dass ich mir Handtuch, Matte und etwas zu Trinken bereitstellen soll. Okay, verstanden. Jetzt kann es aber losgehen.

Das Training

Das Bild wechselt, und ich werde von Nicole begrüßt. Die junge Frau ist für Erwärmung und Mobilisierung zuständig, später auch für die Entspannung. Sie selbst nennt es Cardio-Warm-up, Mobility und Cool down – klingt irgendwie lässiger. Genauso wie Rücken-Coaching. Wer sagt heutzutage noch Rückenschule?

Nach fünfeinhalb Minuten ist der Puls auf Betriebstemperatur und der Körper bereit für diverse Lockerungssübungen. Über Schulter und Wirbelsäule geht es hinab zur Hüfte. Spätestens hier bemerke ich meine Defizite. Während Nicoles Oberkörper scheinbar mühelos rotiert, spüre ich einen unüberwindbaren Widerstand. Aber da bin ich wohl nicht der Einzige. Als würde sie mich bei meinen Verrenkungen beobachten, sagt Nicole plötzlich: "Erlaube dir deine Tagesform."

Danach wird es ernst. Knapp 20 Minuten Krafttraining im Stand sind angesagt. Handtuch mit beiden Händen greifen, Arme nach vorn ausstrecken – Stopp. Wichtig sei die richtige Grundhaltung, erklärt Tom. "Nicht gebeugt wie im Alltag, sondern aufrecht." Also Brust hoch, Schultern zurück, Bauch rein – ein Kommando, dass ich in den nächsten Tagen so oder ähnlich immer wieder hören werde. In dieser Position gilt es nun, das Handtuch zu straffen und an den Körper zu ziehen. Wieder und wieder, 20 Sekunden lang und das Ganze in drei Durchgängen. Klingt einfach, aber mit der Zeit kommt auch Tom etwas außer Atem. Oder er tut zumindest so.

Nach der Brust- ist die Lendenwirbelsäule an der Reihe. Dazu soll ich den Oberkörper strecken, 45 Grad nach vorn beugen – und auch noch den Bauch anspannen. Ich kann nur hoffen, dass ich alles richtig mache. Ein Spiegel zur Kontrolle wäre gut, aber leider nicht in der Nähe. Das ist, wie ich bei den nächsten Einheiten bemerken werde, der vielleicht größte Nachteil eines Online-Trainings: Während ich bei den Kursen im Fitnessstudio stets freundlich korrigiert werde, wenn ich bestimmte Übungen nicht korrekt ausführe, bleibt die Kontrolle zu Hause allein meinem Gefühl überlassen. Immerhin sind die beiden Coaches so erfahren, dass sie in kritischen Momenten bestimmte Dinge in Erinnerung rufen. Also: Brust hoch, Schultern zurück, Bauch rein.

Zum Schluss übergibt Tom wieder an Nicole. Sie ist bei dem Kurs offenbar auch für die gute Laune zuständig. Ihr Lachen wirkt ansteckend, und wenn es gerade wieder etwas anstrengend wird, kommt prompt die Aufforderung: "Lächle für dich." Oder: "Mundwinkel nach oben." Klar, das Ganze soll ja auch Spaß machen.

Die Herausforderung

Der Anfang ist gemacht. Nun gilt es durchzuhalten. Was anfangs nur statisch ablief, wird von Modul zu Modul dynamischer. Oder, wie es Tom ausdrückt: "Wir legen noch eine Schippe drauf." Aus dem Stand geht es auf die Matte, die Übungen werden intensiver und komplexer. Ja, auch anstrengender. Zum Abschluss äußert der Coach die Hoffnung, dass nun jeder in jedem beliebigen Fitnessstudio und an jedem beliebigen Rückenkräftigungskurs teilnehmen könne – und im Alltag belastbar und stabil sei.

Aber schafft es auch jeder bis zum Ende? Nein, sagt Tom Dederichs. Nimmt man alle Präventionskurse zusammen, dann wirft etwa jeder Zweite irgendwann das Handtuch. Zwar gibt es das Geld von der Krankenkasse erst nach erfolgreichem Abschluss. Aber das Internet lässt sich – im Gegensatz zum realen Fitnessstudio – leicht austricksen. Wobei man sich letztlich vor allem selbst austrickst. Denn den Präventionskurs hat man ja nicht für die Kasse gemacht, sondern für sich selbst.

Der Mehrwert

Nach dem Training sollte man sich unbedingt noch die Zeit für das theoretische Material nehmen. Hier gibt es kompaktes Hintergrundwissen zu Anatomie und Funktion unseres Halteapparates, praktische Tipps zur Vermeidung von Rückenschmerzen und Bilder von den Übungen des Tages. Einfach runterladen und gelegentlich in Erinnerung rufen. Der Zugangscode zu den Videos ist insgesamt 16 Wochen lang gültig.

Das Fazit

Nach jeder Einheit spüre ich, dass es meinem Rücken und dem ganzen Körper bessergeht. Die Schmerzen sind seltener geworden, und ich weiß, was ich im akuten Fall tun kann. Es ist praktisch, dass man die Übungen immer und überall machen kann – aber auch tückisch. Denn eine Ausrede fällt dann leichter. Mir hat der Kurs über die Zeit geholfen, in der mein Fitnessstudio geschlossen war. Ein Ersatz ist er nicht.