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Corona hat die Ambulantisierung beschleunigt

Eine neue Studie zeigt den Rückgang von Patienten in Krankenhäusern, vor allem bei Darmkrebs-OPs. Das ist nicht unbedingt ein gutes Zeichen.

Von Stephanie Wesely
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Corona hat den Krankenhäusern stark zugesetzt. In den ersten beiden Jahren wurden planbare OPs verschoben, 2022 fehlte viel Personal.
Corona hat den Krankenhäusern stark zugesetzt. In den ersten beiden Jahren wurden planbare OPs verschoben, 2022 fehlte viel Personal. © dpa

Die Zahl der Patienten, die wegen körperlicher Beschwerden im Krankenhaus behandelt wurden, ist 2022 in Deutschland im Vergleich zu 2019 um 15 Prozent gesunken – und damit noch stärker als in den Coronajahren 2020 und 2021. Bei den psychiatrischen Fällen war der Rückgang mit elf Prozent etwas weniger stark ausgeprägt. Das zeigt eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), die am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

„Corona hatte die deutschen Kliniken auch im dritten Jahr der Pandemie fest im Griff – aber aus anderen Gründen als in den ersten Infektionswellen der Jahre 2020 und 2021“, sagt WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber. „Die Fallzahl-Rückgänge im vergangenen Jahr waren nicht wie 2020 und 2021 dadurch bedingt, dass Kapazitäten für schwer erkrankte Coronapatienten freigehalten werden mussten, sondern wesentlich durch die enormen Personalausfälle“, sagt er. "Die Omikron-Variante verursachte im vergangenen Jahr starke Infektionswellen. Die größten Fallzahl-Rückgänge gegenüber 2019 waren in der fünften Infektionswelle von Januar bis Mai 2022 zu verzeichnen."

Mehr ambulante Behandlungen

Laut WIdO habe Corona die Ambulantisierungswelle beschleunigt. Denn die stärksten Einbrüche gab es bei Diagnosen, die sowohl ambulant als auch stationär behandelt werden können. So ging die Zahl der stationären Patienten mit Rückenschmerzen und Bluthochdruck um jeweils 35 Prozent zurück, bei der chronischen Lungenerkrankung COPD um 28, bei Diabetes um 21 und bei Herzschwäche um 14 Prozent. Im Gegensatz zu den beiden Vorjahren blieben die OP-Zahlen bei den planbaren Hüftgelenksimplantationen nahezu stabil. „Besonderen Anlass zur Sorge gibt aber der deutlich stärkere Einbruch bei den Darmkrebs-Operationen“, sagt Jürgen Klauber. Diese gingen gegenüber der Zeit vor der Pandemie um 16 Prozent zurück – und damit noch stärker als im ersten und zweiten Pandemie-Jahr. „Das könnte mit dem reduzierten Umfang der Darmspiegelungen zu tun haben, den wir bereits in früheren Auswertungen des WIdO festgestellt haben“, sagt er.

Rückgang bei Herzinfarkt und Schlaganfall

Auffällig ist auch der anhaltende Rückgang der Fallzahlen bei den Herzinfarkten und Schlaganfällen, der in den WIdO-Daten bis Oktober 2022 zu sehen ist: Die Herzinfarkt-Behandlungen sind gegenüber 2019 um 13 Prozent zurückgegangen, die Schlaganfall-Behandlungen um elf Prozent. Damit gab es bei diesen Notfällen sogar noch stärkere Rückgänge als im ersten und zweiten Pandemie-Jahr. „Wir können uns das nicht hundertprozentig erklären. Die Daten deuten darauf hin, dass die Rückgänge bei den leichteren Infarkten und Schlaganfällen höher sind. Offenbar sind insbesondere Menschen mit milderen Symptomen weniger im Krankenhaus behandelt worden“, so Klauber. Es gelte weiter der Appell, bei diesen Notfällen unbedingt und ohne Zögern den Rettungsdienst zu alarmieren.

Corona verlief weniger schwer

Das WIdO hat in seiner Auswertung auch die Entwicklungen bei den stationär behandelten Patienten betrachtet, die wegen Covid-19 im Krankenhaus waren. Im Zuge der Omikron-Wellen hat der Anteil derer, die nicht primär wegen Covid-19 im Krankenhaus waren, aber diese Diagnose auch aufwiesen, im Jahr 2022 deutlich zugenommen. Für einen konsistenten Vergleich über die Pandemiewellen hinweg wurde die Auswertung daher auf Patienten beschränkt, bei denen Covid-19 der primäre Behandlungsanlass war.

Der Vergleich der bisherigen Pandemiewellen zeigt, dass der Anteil der schweren Erkrankungen in den beiden Omikron-Wellen des Jahres 2022 deutlich gesunken ist. So sank der Anteil der beatmeten Patienten in der sechsten Pandemiewelle von Juni bis September 2022 auf acht Prozent. Zum Vergleich: In der vierten Welle Ende 2021 waren es noch 22 Prozent gewesen.

Corona-Todesfälle unverändert hoch

Allerdings bleibt die Sterblichkeit bei den beatmeten Patientinnen und Patienten unverändert hoch: Sie lag in der sechsten Pandemiewelle bei 49 Prozent. Von den beatmeten Patienten sind 60 Prozent Männer. Auffallend ist die kontinuierlich abnehmende Beatmungsdauer: Lag diese in der ersten Pandemiewelle noch bei durchschnittlich 18 Tagen, so waren es in der sechsten Pandemiewelle Mitte 2022 nur noch 10 Tage. „Die Daten spiegeln wider, dass die Omikron-Variante des Coronavirus glücklicherweise seltener zu schweren Krankheitsverläufen führt als die Vorgänger-Varianten“, erläutert Jürgen Klauber die Ergebnisse.