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Geteiltes Echo auf mögliches Fabrik-Aus

Rund um das Südzucker-Werk sind viele schockiert von den Schließungsplänen. In Sachsen ist die Resonanz etwas nüchterner.

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Das Werkgelände der Brottewitzer Zuckerfabrik im Herbst 2018: Die Tage des südbrandenburgischen Standorts der Südzucker-AG könnten gezählt sein.
Das Werkgelände der Brottewitzer Zuckerfabrik im Herbst 2018: Die Tage des südbrandenburgischen Standorts der Südzucker-AG könnten gezählt sein. © Christoph Scharf

Von Jürgen Müller, Manfred Feller und Eric Weser

Es war schon länger gemunkelt worden. Vorige Woche wurde es offiziell: Die Südzucker AG, einer der weltgrößten Zuckerproduzenten, hat die Schließung ihres Werkstandortes im südbrandenburgischen Brottewitz in Aussicht gestellt – und im nordrhein-westfälischen Warburg. 

Als Gründe gibt das Unternehmen drastischen Preisverfall beim Zucker an. Rund 90 Arbeitsplätze sind im Brottewitzer Werk bedroht, sollte der Aufsichtsrat den Plänen zustimmen und das Werk nach Ende der nächsten Saison zumachen. Ende Februar soll eine Entscheidung fallen.

Im Umkreis des Werks sind viele Menschen fassungslos. „Das ist ein Schock. Viele haben sich hier etwas aufgebaut und haben Schulden. Betroffen wären nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch Betriebe. Außer den Kieswerken und der Agrargenossenschaft gibt es hier keine größeren Arbeitgeber“, sagt Rita Göpel aus Martinskirchen. 

Besonders schlimm könnte es für jene werden, die in ihrem Alter sind, so die 58-Jährige, die selbst bis nach Elsterwerda pendelt. Im Kreis Elbe-Elster leben mehr als 13 000 Arbeitnehmer, die für ihren Job über die Kreisgrenzen fahren. Das ist jeder Dritte. Rita Göpel erinnert sich, dass in der Zuckerfabrik zu DDR-Zeiten bis zu 700 Menschen beschäftigt waren. 

Sie selbst arbeitete dort während drei Kampagnen von September bis Januar als Zeitarbeiterin im Lager. Ihr Schwiegersohn sei dort seit zwölf Jahren tätig. So wie ihre Familie könnte die etwaige Schließung insgesamt 90 weitere treffen. Denn so viele Beschäftigte arbeiten derzeit in der weithin sichtbaren Zuckerfabrik.

 Immer wieder modernisiert, prägt sie seit 146 Jahren Brottewitz und die Umgebung. Im Umfeld des Werkes herrscht immer Betriebsamkeit. Dass eines Tages absolute Ruhe einziehen könnte, das kann sich kaum einer vorstellen.

„Es war immer wieder im Gespräch, dass der Betrieb mal schließen könnte. Jetzt scheint es ernst zu werden“, meint Sigrid Reins. Sie ist Inhaberin von Tankstelle und Shop in Brottewitz. „Wenn ein großer Betrieb schließt, dann ist das immer ein Schlag. Hier gibt es doch sonst keine Industrie“, schaut sie sich suchend um. Für viele sei es ein Familienbetrieb.

Rüben müssen wohl nach Zeitz

Den Eltern seien die erwachsenen Kinder gefolgt. Was wird aus den ganz jungen Leuten? Sigrid Reins hatte während der DDR-Zeit im Büro der großen Lehrausbildung der Zuckerfabrik gearbeitet. Damals seien in den zweieinhalb Ausbildungsjahren gleichzeitig mehr als 200 Lehrlinge als BMSR-Mechaniker unter anderem für die Zuckerindustrie und die Getreidewirtschaft herangebildet worden.

In Sachsen, von wo viele Zuckerrüben zur Verarbeitung nach Brottewitz geliefert werden, fällt das Echo auf das mögliche Aus für die Fabrik etwas nüchterner aus. Einer der größten Anbaubetriebe von Zuckerrüben im Kreis Meißen ist die Agrargenossenschaft Lommatzscher Pflege. Auf rund 200 Hektar werden die Früchte angebaut, jährlich etwa 90 Tonnen Zuckerrüben geerntet.

 Daran soll sich laut dem Vorsitzenden Wolfgang Grübler auch künftig nichts ändern. „Zuckerrüben sind eine gute Vorfrucht für das Getreide und auch wichtig für die Bodenhygiene“, sagt er. Dass die Fabrik in Brottewitz schließen werde, habe sich schon angedeutet. Auch die Lommatzscher haben Verträge mit Südzucker. Die Rüben werden von einer Spedition vom Feldrand abgeholt.

 Allerdings: Die Transportkosten müssen die Bauern bezahlen. „Damit ist klar, wenn die Transporte bis nach Zeitz gehen, werden wir höhere Transportkosten und damit Einbußen haben“, so Grübler. Eine Antwort darauf, wie hoch diese Einbußen sein werden, erhofft er sich von einer Versammlung des sächsischen-thüringischen Zuckerverbandes in dieser Woche. 

Dennoch werden die Lommatzscher ihre Zuckerrübenproduktion nicht einschränken und auch die Schnitzel zurückkaufen. „Wir brauchen dieses Futter für unsere Milchkühe. Ob der Spediteur nun leer zurückfährt oder die Futterschnitzel mitbringt, macht ja keinen großen Unterschied“, so Grübler.

Nehmen die Rübenlaster andere Wege, dürfte das weniger Belastung durch Lkws auf bestimmten Strecken bedeuten – zum Beispiel auf der B 182 in der Innenstadt von Strehla. Doch Hans-Jürgen Grübler vom Verein für eine Lebenswertes Strehla glaubt nicht, dass der Wegfall der Rübenlaster die Situation entschärft. 

Ob mit oder ohne Rübentransporte: An der Enge ändere sich dadurch nichts. Dass mit dem Wegfall des Verkehrsaufkommens, das die Zuckerfabrik verursacht, auch ein Argument für die Ortsumgehung wegfällt, sieht Grübler nicht. Die Lastzüge würden einerseits nur während der Erntesaison fahren, sagt er. 

Zum anderen seien die Rübenlaster im Vergleich zu anderen Lkws eher klein. Für Verstopfung sorgten noch größere Brummis, teils mit ausländischem Kennzeichen. Die Umgehungsstraße für Strehla, sagt der VFLS-Chef, brauche es jedenfalls so oder so.

Sie wollen noch besser informiert sein? Schauen Sie doch mal auf www.sächsische.de/meissen, www.sächsische.de/riesa oder www.sächsische.de/grossenhain vorbei.