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„Glück auf!“ für ein paar Stunden

Der Verein Gottes Segen Erbstolln eröffnet die Führungssaison mit Schnuppertouren zur Titanic der sächsischen Bergbaugeschichte.

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© Dietmar Thomas

Von Heike Heisig

Striegistal/Gersdorf. Überdimensionale Rohre führen nach oben und enden im Wasser. Im Schein der Taschenlampe ist viel Rost zu sehen. Hin und wieder tropft es auf den gelben Schutzhelm, den jeder Besucher tragen muss. Fast ehrfürchtig fährt Jens Schmidt, Vorsitzender des Vereins Gottes Segen Erbstolln, die Umrisse der mächtigen Technik mit dem Lichtstrahl nach. „Deshalb“, sagt er und zeigt auf das Innenleben der Maschinenkammer, „wäre es nützlich, wenn es unsere Region auf die Weltkulturerbeliste schaffen würde.“

Was der Besucher am Sonntag im Schein von mehr Licht sehen kann – der Elektriker soll einen Tag vorher die kaputte Anlage wieder in Gang setzen –, gehört zu zwei Brendelschen Wassersäulenmaschinen aus den Jahren 1833 und 1864. „Sie sind die Einzigen heute wieder normal zugänglichen, die es im gesamten ehemaligen Silbererzbergbau gegeben hat“, erklärt Jens Schmidt die Besonderheit dieses technischen Denkmals. Er würde Besuchern gern noch ein Stück mehr von den meterhohen Maschinen zeigen. Doch angesichts des hohen Grundwasserspiegels im Erzgebirgsvorland und inzwischen stillgelegter Wasserfassungen in der Region versinkt ein Großteil der Wassersäulenmaschinen in undurchsichtigem Nass.

Diese Konstellation erinnert ein klein wenig an Aufnahmen der gesunkenen Titanic. An diesem Vergleich findet Jens Schmidt durchaus Gefallen. Denn was die Titanic für den Schiffbau war, waren die Wassersäulenmaschinen für den sächsischen Bergbau. „Vorher gab es viele kleine Schöpfwerke, um das Wasser aus den Stollen fernzuhalten. Die beiden großen arbeiteten viel zuverlässiger und effektiver, was für den Abbau in Gersdorf ein Gewinn war“, so der Vereinschef. Er könnte sich vorstellen, dass mögliches Fördergeld dafür eingesetzt wird, Wasser von den Wassersäulenmaschinen fernzuhalten. Dadurch könnten die Besucher nicht nur mehr sehen, sondern dies würde unter Umständen auch den Erhalt der Technik erleichtern.

Auftakt im Adamstollen

Für Sonntag, 29. April, laden die Mitglieder des Vereins Segen Gottes Erbstolln zum Auftakt der Besuchersaison an und in den Adamstollen ein.

Von 13 bis 17 Uhr gibt es kleine, etwa halbstündige Führungen untertage. Außerdem halten die Mitglieder eine kleine Stärkung für die Gäste bereit.

Als Parkplatz kann die Fläche an der Straße Roßwein-Gleisberg/Abzweig Wolfstal genutzt werden. Ab dort ist der Weg auch als Bergbauwanderweg gekennzeichnet, Schilder führen zum Adamstollen.

Führungen über den Sonntag hinaus werden nur nach telefonischer Vereinbarung unter Tel. 034322 12548 angeboten.

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Bis in den Maschinenraum will Jens Schmidt Interessierte am Sonntag zur Saisoneröffnung bei Schnupperführungen mitnehmen. „Sie dürfen gern neugierig werden und eine weitere Führung buchen“, wünscht sich der Vereinschef. Verschiedene Routen wie Stiefel- oder Abenteuertour hat der Verein in nun 38-jähriger Arbeit so hergerichtet, dass sie einigermaßen bis gut für Menschen mit heutiger Konstitution zu begehen sind. Die Bergleute früher sind kleiner gewesen. Ihre Arbeitshöhe und ihr Wirken vom 12. Jahrhundert bis ins Jahr 1885, als der Abbau von Silbererzen an dieser Stelle unrentabel wurde, lässt sich an vielen Stellen im Stollen immer noch gut ablesen.

Kein Mensch seit rund 130 Jahren

In den zurückliegenden Wochen haben die nur 18 Mitglieder des Vereins im Alter von 14 bis 79 Jahren die zugänglichen Anlagen für die Besucher vorbereitet, die Gänge in Ordnung gebracht, aber auch Sturmschäden beseitigt. Die waren übertage durch umgestürzte Bäume vor allem an den Kunstgräben entstanden. Zwei gibt es. Der untere aus dem Jahr 1743 leitete Wasser aus dem Krebsteich auf die bergmännischen Gezeuge. Der fast acht Meter höher gelegene obere Kunstgraben versorgte den Gersdorfer Bergbau über eine Entfernung von rund einem Kilometer mit Wasser aus dem Freiberger Revier.

„Unsere Hauptaufgabe seit fast 40 Jahren ist, die verbliebenen Zeugnisse des Altbergbaus zu erhalten“, sagt Jens Schmidt. Dass dafür jede helfende Hand benötigt wird, muss er nicht extra erwähnen. Auch, dass die Arbeit fast genauso beschwerlich ist wie vor Jahrhunderten. Denn die Männer sind gerade dabei, sich durch Gestein zu graben. Ihr Ziel im sogenannten neuen Kunst- und Treibeschacht ist eine Art Kammer, in der sich noch ein Kunst- und Kehrrad befinden müssen. Das eine wurde wahrscheinlich zum Antrieb von Pumpen verwendet, das andere zur Beförderung. Vielleicht von Baumeraterial oder Erzen oder auch von Menschen. Von deren Existenz wissen die heutigen Bergleute aus Unterlagen, die sich im Bergarchiv in Freiberg befinden und die sich eines der Mitglieder gelegentlich für Recherchen vornimmt. Jens Schmidt geht davon aus, dass zumindest das Wasserrad noch intakt ist, wenn es permanent bewegt wird.

Kommen die Vereinsmitglieder bei dieser alten Technik an, werden sie dort stehen, wo sich ein Mensch zuletzt 1885 aufgehalten hat. Was ist das für ein Gefühl? „Ein tolles“, sagt Schmidt frei heraus.