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Kreis Görlitz: Wie mit Schröpfgläsern und einem Feier-Raum ein Gasthaus wiederbelebt wird

Im „Landwirt“ in Nieder Seifersdorf soll die Küche nicht kalt bleiben. Zwei andere Angebote gibt es jetzt bereits. Wie die neuen Besitzer loslegen.

Von Constanze Junghanß
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Angelika Popek-Szewczyk eröffnet als erstes Standbein in der ehemaligen Nieder Seifersdorfer Gaststätte  einen Massagesalon, in dem unter anderem die Schröpfgläser zum Einsatz kommen.
Angelika Popek-Szewczyk eröffnet als erstes Standbein in der ehemaligen Nieder Seifersdorfer Gaststätte einen Massagesalon, in dem unter anderem die Schröpfgläser zum Einsatz kommen. © Fotos: Constanze Junghanß

Der beinahe lebensgroße Koch aus Pappmaché hat seinen Platz vorerst im Treppenhaus gefunden. Anfang April, vielleicht schon Ende März, wird die Figur vor die Tür gestellt, damit Gäste den Weg in die Gaststätte „Zum Landwirt“ finden. Bis dahin ist noch sehr viel zu tun und Jerzy Szewczyk ist froh, dass wenigstens die Ölheizung den Winter über mitgemacht hat. Irgendwann brauche der „Landwirt“ mit den Sälen und zahlreichen Zimmern eine neue Heizanlage, ist dem gebürtigen Polen klar. Im Idealfall sei das eine Wärmepumpe, da das Dach der Gaststätte mit Fotovoltaik bestückt ist. „Die Anlage gehört uns aber noch nicht, das dauert bis dahin ein paar Jahre“, sagt der 56-Jährige. Es gibt ja so oder so jede Menge anzupacken, die Heizung muss warten.

Jerzy Szewczyk und seine Frau Angelika Popek-Szewczyk haben die Gaststätte "Zum Landwirt" in Nieder Seifersdorf gekauft und haben viel damit vor. Der dicke Koch aus Pappe soll bald wieder Gäste zum Essen einladen.
Jerzy Szewczyk und seine Frau Angelika Popek-Szewczyk haben die Gaststätte "Zum Landwirt" in Nieder Seifersdorf gekauft und haben viel damit vor. Der dicke Koch aus Pappe soll bald wieder Gäste zum Essen einladen. © Fotos: Constanze Junghanß

Neue Besitzer haben jetzt eine Betriebswohnung

Jerzy Szewczyk und seine Frau Angelika Popek-Szewczyk haben den „Landwirt“ an der Hauptstraße im vergangenen Jahr gekauft. Sie wollen das große Gebäude wieder zum Leben erwecken. Die Gaststätte gehörte zuletzt der Agrargenossenschaft Nieder Seifersdorf, die den „Landwirt“ nahe der Autobahn geerbt und da bis 2021 eine Kantine betrieben hatte. Die neuen Eigentümer beantragten kürzlich bei der Gemeinde, einige Räume als Betriebswohnung nutzen zu können. Denn als reines Wohngebäude ist der „Landwirt“ nicht vorgesehen. Gekauft hatte das Paar die Gaststätte aber nicht nur als Arbeits-, sondern gleichfalls als Wohnort. Einer Betriebswohnung stimmte der Gemeinderat jetzt zu. Damit sind die Wohnverhältnisse geklärt und die gebürtigen Bunzlauer, die vor einigen Monaten aus Rheinland-Pfalz in die Oberlausitz umzogen, froh, wieder ein Stück näher der alten Heimat und ihren Angehörigen zu sein. Von Görlitz bis nach Bunzlau sei es „nur ein Katzensprung“, Besuche der Familie besser möglich.

In Waldhufen setzten die Unternehmer beruflich gleich auf mehrere Standbeine. Das erste Unternehmen hat Einzug gehalten. Angelika Popek-Szewczyk holt Schröpfbälle mit bunten Gummiköpfen aus dem Holzschrank, pfropft einen der Stöpsel auf ihren Oberarm, um zu zeigen, wie das funktioniert. Ein Vakuum bildet sich. Mit einem Plopp wird der Schröpfball locker und hinterlässt einen runden Abdruck auf der Haut. Aus dem Schrank strömt eine Wolke zitroniger Lavendelduft mit einer Prise Kräuter. Wohlriechende Öle gehören zum Handwerk der 35-Jährigen. Sie massiert verspannte Rücken, Waden, Schultern, Arme und Füße, hat in Rheinland-Pfalz die entsprechenden Zertifikate erworben, in Waldhufen ein Gewerbe angemeldet und will per Fernlehrgang zusätzlich den Heilpraktikerabschluss machen. Ihr Massagesalon heißt schlicht „Zum Landwirt“.

Der Name sei dermaßen bekannt, dass ein Umändern vorerst wenig Sinn mache, wie die Masseurin sagt. Einen der unteren Räume haben Szewczyks so in einen Massagesalon verwandelt. Da bietet die zweifache Mutter beispielsweise neben Honig- und Wellness- die Schröpfkopf-Massage an. „Das fördert die Durchblutung und unterstützt den Körper bei der Entgiftung“, ist die Masseurin überzeugt. Die ersten Kunden waren bereits da, Angelika Popek-Szewczyk hat Werbezettel im Dorf verteilt.

Völlig still ist es im „Landwirt“ nicht, wenn die beiden Kinder der Eheleute in Niesky in der Schule sind. Da würden sich die Jungen wohlfühlen, sind die Eltern froh, dass das mit der Schule gut funktioniert. Im Keller befanden sich früher und zwischen braun geblümten Tapeten die Büroräume. In einem der Zimmer hat ein Freund der Familie seine Spiel- und Musikautomatensammlung gelagert. Ein paar Schritte weiter richtete eine Band ihren Probenraum ein. Oben im Saal bellt der Hund, weil er beim Rundgang nicht dabei sein kann.

Wie viele hundert Quadratmeter Platz der „Landwirt“ hat, können Szewczyks gar nicht sagen. Den unteren Saal schmückt eine Luftballonkette vom familiären Weihnachtsfest. „Hier wird noch eine Tür durchgebrochen, da kommt eine kleine Zusatzküche hin, dort ist der Sanitärraum schon fertig“, zeigt der Hausherr beim Öffnen von einem Raum zum nächsten. Der untere Saal, so die zweite Geschäftsidee, wird für Feiern vermietet. Auf die erste Veranstaltung mit 30 Gästen freut sich Angelika Popek-Szewczyk schon sehr. Eine Frauentagsfeier ist gebucht, von Frauen aus dem Dorf. Die ersten Kontakte im Ort kamen schon zustande. „Wir fühlen uns aufgenommen“, sagt Angelika Popek-Szewczyk.

Noch hat die Gaststätte in Nieder Seifersdorf geschlossen. Das soll sich bald ändern.
Noch hat die Gaststätte in Nieder Seifersdorf geschlossen. Das soll sich bald ändern. © Fotos: Constanze Junghanß
Im Keller waren früher die Büroräume. Da ist noch viel zu tun.
Im Keller waren früher die Büroräume. Da ist noch viel zu tun. © Fotos: Constanze Junghanß

Bigosch und Schnitzel werden auf der Speisekarte stehen

Etwa zehn Treppenstufen höher im Flachbau bietet der Speisesaal Platz für 400 Personen. Da wird renoviert, die Küche mit den Riesenkesseln für Gulasch und Co. umgebaut. „Eine Freundin aus Großbritannien, die selbst eine Großküche betreibt, steht uns beratend zur Seite“, erzählt die Unternehmerin. Mit der kompletten Renovierung von Speisesaal und Küche wollen die Eigentümer bis Ende März fertig sein, machen viel in Eigenregie. Das dritte Standbein liegt den Zweien besonders am Herzen: „Wir eröffnen die Gaststätte wieder“, sagen die beiden. Bigos, Piroggen, Borschtsch – typische Gerichte der polnischen Küche sind ebenso fest auf der Speisekarte geplant, wie Schnitzel und Co. aus der deutschen Rezeptsammlung.

Ein Koch und zwei Servicekräfte werden dafür noch gesucht. Anfang April, so der Plan jedenfalls, ist die Gaststätte „Zum Landwirt“ aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Dann gibt es in Waldhufen polnisch-deutsche Küche. Anfangs soll zuerst am Wochenende getestet werden, wie das Gastro-Angebot angenommen wird. Läuft es gut, werden die Öffnungszeiten erweitert und vielleicht Personal eingestellt.