SZ + Görlitz
Merken

Diskotheken bleiben in Görlitz dicht am Karfreitag - ist das noch zeitgemäß?

Karfreitag gilt in ganz Sachsen das Tanzverbot. Doch das Verständnis dafür bröckelt. Das zeigt sich auch in Görlitz. In anderen Bundesländern reagiert bereits die Politik darauf.

Von Jonas Niesmann
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Wenn schon mein letzter Tag, dann wenigstens noch ein ordentlicher Rave? In Sachsen dürfte Jesus das nicht.
Wenn schon mein letzter Tag, dann wenigstens noch ein ordentlicher Rave? In Sachsen dürfte Jesus das nicht. © Jonas Niesmann / bing KI

Wer an diesem Karfreitag endlich mal so richtig feiern will, kann das künftig in Hamburg tun. Dort hat die übermächtige Clublobby jüngst einen großen Sieg errungen: Der Hamburger Senat hat das traditionelle Tanzverbot in der Nacht zum Karfreitag gelockert. In den Clubs der Hansestadt darf künftig von Donnerstag auf Freitag gefeiert werden, bis 5 Uhr morgens. Liberaler ist da nur noch Bremen, da darf man sich seine Wodka-Shots noch bis 6 Uhr übers verschwitzte Hemd schütten.

In Sachsen hingegen bleibt vorerst alles beim Alten, von 0 Uhr bis 24 Uhr dürfen am Karfreitag "keine öffentlichen Tanzveranstaltungen und andere Vergnügungen stattfinden, die dem ernsten Charakter dieser Tage zuwiderlaufen", so heißt es im Gesetz. Das Sächsische Staatsministerium des Inneren sagt auf Anfrage der SZ, es gebe aktuell "keine konkreten Pläne, die Stillen Feiertage in Sachsen zu reduzieren oder zu reformieren." An diesem Tag sowie am Volkstrauertag, Totensonntag und Buß- und Bettag stünde Trauer, Totengedenken und innere Einkehr im Vordergrund.

Doch mittlerweile sind 80 Prozent der Bevölkerung in und um Görlitz kirchenfern und gehören keiner Kirche oder Glaubensgemeinschaft an. Da sinkt ganz zwangsläufig das Verständnis für eine jahrelange Tradition, und sei sie noch so gut gemeint. Andererseits versteht sich Deutschland noch immer als christlich geprägtes Land, eine Vielzahl von Feiertagen und Festen sind kirchlich begründet: Weihnachten etwa, Ostern oder Pfingsten.

Ostertage sind beliebte Veranstaltungstage

Auf der Straße hört man dazu verschiedene Meinungen. Fragt man jüngere Menschen, stößt man auf wenig Verständnis für die Einschränkung: "Ich bin selbst gläubig, aber mich stört es überhaupt nicht, wenn andere an dem Tag feiern gehen", sagt eine 15-jährige Schülerin aus Görlitz. Sie findet es falsch, Menschen etwas vorzuschreiben. Eine ältere Dame hingegen findet, der Respekt gegenüber gläubigen Christen gebiete es, an diesem Tag innezuhalten. Es sei eben ein Tag zur Besinnung, und da sei laute Musik störend. Ein junger Mann will dieses Argument nicht gelten lassen: Die Musik in den Clubs sei draußen ja überhaupt nicht zu hören. Er kann nicht nachvollziehen, wieso jemand zu Hause oder in der Kirche nicht in Ruhe zu sich selbst finden soll, während ein anderer, der mit Religion nichts am Hut hat, sich die Nacht um die Ohren tanzt. Schließlich störe keiner von beiden den anderen.

Auch Florian Herbst, Mitbetreiber des Görlitzer Clubs L2, sieht das Tanzverbot in seiner jetzigen Form kritisch. "Ein gewisser Respekt gegenüber Gläubigen ist sicherlich gut und auch angebracht", sagt Herbst gegenüber der SZ. Aber die Ostertage seien aufgrund der Schulferien auch begehrte Veranstaltungstage, der Verlust einer Nacht würde der Veranstaltungsindustrie schaden. Er schlägt einen Kompromiss vor: Tanzen solle bis 4 Uhr morgens am Karfreitag erlaubt sein. So ist es übrigens auch in Berlin - und die Vorgänge in den Techno-Clubs der Hauptstadt kann man mit Fug und Recht als unchristlich bezeichnen.

Ein Tag zum Innehalten

Für Pfarrer Roland Elsner von der katholischen Kirche Heilig Kreuz in Görlitz ist die Sache dagegen ganz klar: Solange man das Christentum und seine Traditionen als Teil von Deutschland akzeptiert, müsse auch die Karfreitagsruhe gewahrt bleiben.

Pfarrer Andreas Fünfstück von der evangelischen Kirchengemeinde Waldhufen-Vierkirchen sieht das ein bisschen anders. Auch er ist für die Einhaltung des Tanzverbots, aber ihm geht es weniger um die Rücksichtnahme auf andere Gläubige, wegen der am Freitag die Bassboxen ausgeschaltet bleiben sollen. Er sieht im tanzfreien Freitag vielmehr die Gelegenheit, innezuhalten und zu reflektieren, was man im Leben alles für selbstverständlich hält. "Das Gefühl verbindet die Menschen, und es tut ihnen gut, mal zu merken: Ich bin nicht der Nabel der Welt", sagt Fünfstück. Tanzen, da sind sich beide Pfarrer einig, könne man schließlich den ganzen Rest des Jahres.

Auf Musik muss man aber nicht zwangsläufig verzichten: In der Dorfkirche Arnsdorf findet am Freitagabend sogar ein Konzert statt, eine Interpretation von Leonhard Cohen. Und selbst wer dabei die verbotene Lust verspürt, sich dazu ein bisschen im Takt zu wiegen, muss sich laut Pfarrer Fünfstück keine Sorgen machen: "Wer am Karfreitag unbedingt tanzen will, kommt trotzdem in den Himmel."