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Trotz Nothaushalt: Kreis Görlitz sichert mit drei Millionen Euro das Hilfsnetz für die Jugend

Sinkende Jugendkriminalität, geringere Jugendarbeitslosigkeit: Der Trend im Kreis Görlitz zeigt in die richtige Richtung. Dazu trägt auch ein enges Netz von Hilfsangeboten bei. Für dieses Jahr ist es sicher. Doch was passiert 2025?

Von Sebastian Beutler
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Schon im November gab es Demonstrationen für die Jugendarbeit vorm Kreistag Görlitz.
Schon im November gab es Demonstrationen für die Jugendarbeit vorm Kreistag Görlitz. © Martin Schneider

Eigentlich kann das Jugendamt ganz zufrieden sein. In den vergangenen Jahren ging die Zahl junger Menschen unter 25 Jahren zurück, die keinen Berufsabschluss haben, die Jugendarbeitslosigkeit sank um 35 Prozent, mehr Schüler als zuvor nehmen die Ganztagsangebote in den Schulen wahr, weniger junge Menschen suchten eine Suchtberatungsstelle auf, und selbst die Jugendkriminalität ist im Landkreis Görlitz gesunken - außer im Gebiet des früheren Kreises Löbau-Zittau.

Die Ursachen für diese Entwicklungen sind nicht immer klar auf einen Faktor zurückzuführen. Es gibt viele Institutionen und Einrichtungen, die sich um einen guten Start von jungen Menschen ins Leben bemühen: Lehrer und Schulen, Vereine und Trainer, Berufsschulen und Lehrmeister, Sozialarbeiter und Jugendtreffs.

Aber einige von ihnen könntn gar nicht tätig sein, wenn es nicht die Bemühungen der Mitarbeiter um Jugendamtsleiterin Elke Drewke im Landratsamt gebe, in der Jugendhilfe auf die Probleme junger Menschen zu reagieren. Sie unterstützen damit Familien, die bei der Erziehung überfordert sind, oder geben wichtige Hilfestellung beim Umgang von elektronischen Medien. Neben sozialen und finanziellen Problemen sind es vor allem Fragen der Erziehung, die immer schwerer ins Gewicht fallen, und eben Schwierigkeiten, die Heranwachsende haben können. Das ist zwar eine Pflichtaufgabe, aber wer den stundenlangen Sitzungen des Jugendhilfeausschusses auch in den vergangenen fünf Jahren folgte, der konnte erleben, mit wie viel Herzblut Verwaltung, Kreisräte und Organisationen trotz begrenzter Mittel um die beste Lösung rangen.

Dazu gehörten auch Demonstrationen vor dem Kreistag und das schloss auch juristische Klärungen mit ein. So war der Jugendring Oberlausitz mit seiner Klage erfolgreich, dass das Landratsamt nicht einfach die Gelder für ein Projekt kürzen darf, und seien die Erwägungen noch so berechtigt. In dem Fall war es die Jugendverbandsarbeit, die auf 10.000 Euro gegenüber dem Antrag verzichten sollte, wodurch aber das Angebot nicht in vollem Umfang aufrecht erhalten hätte werden können. Vor allem aber hatte sich das Landratsamt mit dem Jugendring zuvor nicht auf die Kürzung einigen können. Das aber wäre zwingend nötig gewesen.

Zahl der unter 27-jährigen im Kreis bleibt stabil

Auch diese Arbeit muss aus den rund drei Millionen Euro finanziert werden, die jährlich zur Verfügung stehen. Die Gelder kommen als Jugendpauschale zu einem knappen Drittel vom Freistaat, mehr als zwei Millionen Euro gibt der selbst finanzschwache Landkreis aber noch dazu. Im Laufe des Jahres ist in allen Regionen des Kreises so ein dichtes Netz an Hilfsangeboten entstanden. Das wird auch künftig nötig sein. Zwar leben immer weniger Einwohner im Kreis Görlitz, doch trifft das auf die unter 27-Jährigen nicht zu. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wuchs zwischen 2017 und 2021 leicht auf 21,4 Prozent, und auch absolut zählten die Statistiker mit rund 53.000 unter 27-Jährigen zuletzt mehr als zuvor.

Zugleich tragen die Gelder aber auch dazu bei, dass Jugendtreffs ihre Arbeit zum Teil darüber finanzieren können. Das trifft auf das Kinder- und Familienzentrum in Niesky genauso zu, wie auf den Kidrolino-Treff des Deutschen Kinderschutzbundes oder das Ca-Tee-Drale-Haus, beides in Görlitz, oder das Kinder- und Familienzentrum in Löbau oder den Offenen Treff des Deutschen Kinderschutzbundes in Zittau. Fallen die Gelder aus der Jugendhilfe weg, könnten viele Einrichtungen ihre Angebote nicht mehr in dem Umfang aufrechterhalten.

Sie alle haben jetzt für dieses Jahr wieder Sicherheit erhalten. Der Jugendhilfeausschuss verteilte am vergangenen Donnerstag in Görlitz die Gelder für 2024 an die verschiedenen Projekte. Drei Initiativen waren dem Kreis sogar so wichtig, dass das Jugendamt nochmals alle Möglichkeiten für eine Förderung auch seitens des Freistaates ausgeschöpft hat, um sie doch noch zu finanzieren. Dabei geht es um das Kinder- und Jugendtelefon des ASB Zittau/Görlitz, um den Lebenshof im Görlitzer Stadtteil Ludwigsdorf, wo Schüler mit sozialen und Lernproblemen auf einen Schulabschluss oder eine Berufsausbildung vorbereitet werden. Und schließlich auch das flexible Jugendhilfemanagement des Vereins Jugendring Oberlausitz.

Zwei Anträge mussten abgelehnt werden - kein Geld mehr da

Nur zwei Anträge mussten abgelehnt werden, weil einfach das Geld schon vergeben war. Leidtragende sind die evangelische Stadtjugendarbeit (esta-Verein) in Görlitz mit Angeboten im Haus Wartburg sowie ein Projekt der Kultur- und Weiterbildungsgesellschaft im Mehrgenerationenhaus Görlitz. Doch nach Görlitz fließen bereits reichlich Gelder, und insgesamt übertrafen die Anträge kreisweit die vorhandenen Mittel um 300.000 Euro.

So schön die Klarheit für dieses Jahr ist, so ungewiss ist die Lage für das nächste. Eigentlich müssten die Vereine und Organisationen, die in der Jugendhilfe arbeiten, bis Mitte des Jahres wissen, ob sie auch 2025 gefördert werden. In den vergangenen Jahren gab es deswegen auch meist einen finanziellen Vorgriff in bisheriger Höhe aufs nächste Jahr, was angesichts von höheren Personal- und Energiekosten auch schon schwierig war. Doch das ist in diesem Jahr ausgeschlossen. Nach Angaben von Landrat Stephan Meyer stehen die Auflagen des Freistaates für das Sparkonzept des Kreises dem entgegen. Landtagswahl und nachfolgende Regierungsbildung in Dresden machen es auch nicht leichter. Mehr Unsicherheit war also selten.

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Mandy Köhler, Vorstand bei der Diakonie-Stiftung St. Martin in Rothenburg, sagte für viele stellvertretend, es mache auf sie den Eindruck wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wenn die Organisationen nicht bis Mitte dieses Jahres wissen, wie es 2025 weitergeht, müssten sie ihren Mitarbeitern kündigen. Und ob - im Falle einer erneuten Förderung zu einem späteren Zeitpunkt - diese Mitarbeiter wieder zur Verfügung stünden, sei offen. Möglicherweise würden ganze Projekte und Initiativen wegfallen.

Forderung von Landrat Meyer: Freistaat soll Lösung aufzeigen

Diese Gefahr kann gegenwärtig niemand ausschließen, doch sicherte Sozialbeigeordnete Martina Weber wenigstens allen zu, bis Juni zu klären, wie das Problem gelöst werden kann. Für Landrat Stephan Meyer ist der Freistaat am Zuge. "Er muss Wege aufzeigen, wie wir vielleicht über Abschlagszahlungen oder ähnliche Lösungen die Arbeit fortsetzen können". Ansonsten bliebe den Organisationen tatsächlich nur der Weg der Kündigung. Die wollen ihre Arbeit aber auch weiterhin fortsetzen. Bis zum Antragsschluss für das Jahr 2025 reichten bereits 30 Initiativen Anträge für die Jugendhilfe-Gelder beim Landratsamt ein.