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In Görlitz wird der Weg ins Schlaraffenland erklärt

Im Kaisertrutz hängt eine besondere Karte. Das Ausstellungsstück ist einer unter vielen Görlitzer Schätzen. Was es mit Breiberg und Trunckensee auf sich hat?

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Kuratorin Ines Haaser steht  in der Ausstellung "Essen und Trinken" im Kaisertrutz in Görlitz. Hier gibt es auch die Schlaraffenland-Karte zu sehen.
Kuratorin Ines Haaser steht in der Ausstellung "Essen und Trinken" im Kaisertrutz in Görlitz. Hier gibt es auch die Schlaraffenland-Karte zu sehen. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Von Ines Haaser

Früher, als die Lebensmittel noch rar waren, die meisten Menschen sich von einfachen Speisen ernährten, träumte so mancher von einem Land, in dem Milch und Honig fließen und die gebratenen Hühner durch die Luft direkt in den Mund fliegen. Aber – wo liegt dieses sagenhafte Land und wie kommt man dahin? Eine scheinbar einfache Erklärung gibt die Karte vom Schlaraffenland. Ihre lateinische Bezeichnung „Accurata Utopiae Tabula“ deutet jedoch auf die Unwahrscheinlichkeit dieses Traumlandes hin.

In der neuen Sonderausstellung im Kaisertrutz „Prost Mahlzeit! Essen und Trinken in Görlitz“ kann dieses Exponat bewundert werden. Auf den ersten Blick scheint der 47 x 55 Zentimeter große kolorierte Kupferstich wie eine übliche Landkarte aus der Zeit um 1700. Nur beim genauen Hinsehen und dem Lesen der Namen von Flüssen, Gebirgen und Ortschaften wird klar, dass hier ein fiktiver Ort abgebildet ist. Tatsächlich fand diese „Karte vom Schlaraffenland“ – so die volkstümliche Beschreibung – weite Verbreitung und ist in mancher Bibliothek überliefert.

Karte wird zum ersten Mal öffentlich gezeigt

Unser Exemplar stammt aus der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften und wird zum ersten Mal in einer Ausstellung gezeigt. Die etwa 1.800 abgedruckten Namen reichen vom LinsenBerg über Frißach, den VenusWaldt und Concubina bis zu Oberlausleben und Schmarotzia. Bei diesen Bezeichnungen wird deutlich, dass es um wesentlich mehr geht als um Völlerei und Trinkerei. Für den Betrachter ist die Karte ein wahres Such- und Wimmelbild für Entdeckungen, die kaum ein Ende nehmen. Das Schlaraffenland ist in einzelne Königreiche unterteilt, die sich auch farblich voneinander abheben.

Das ist die Karte Schlaraffenland, die in der Ausstellung zum Essen und Trinken in Görlitz im Kaisertrutz gezeigt wird.
Das ist die Karte Schlaraffenland, die in der Ausstellung zum Essen und Trinken in Görlitz im Kaisertrutz gezeigt wird. © Görlitzer Sammlungen

Aber zunächst stellt sich die Frage – wie gelangt man ins Schlaraffenland? Indem man sich durch einen Breiberg isst? Das Land des Nichtstuns und des Überflusses – so heißt der Hauptfluss tatsächlich – erreicht nur, wer bereit ist, unmäßig zu essen. So kann jeder, egal ob arm oder reich, dieses Land betreten. Der Überfluss ist hier im Vergleich zur realen Welt für alle da. Es füllen scheinbar unsichtbare Hände die leeren Becher und braten die Hühnchen bevor sie durch die Luft schweben.

Ein Detail der Karten vom Schlaraffenland.
Ein Detail der Karten vom Schlaraffenland. © Görlitzer Sammlungen

Früher gab es ein Erklärbüchlein zur Karte

Wer sich dies ausgedacht hat, bleibt unbekannt. Vielleicht aber war es der Nürnberger Kartograf Johann Baptist Homann (1664–1724), der genau diese Karte seriösen Atlanten beifügte. Was mag der neue Besitzer eines solchen Druckwerkes wohl gedacht haben beim Anblick von Schlaraffia? Etwa im Zentrum der Karte liegt das Schlaraffenbergi Territorium, in der Mitte der Trunckensee. Die Siedlungen heißen Schenckein, Zechendorff oder Rauschig im Amt Sauffausen. Im Amt Pralen (Prahlen) heißen die Dörfer passenderweise Hochhinaus, Übermuth oder Hochmuth. Im Land Mammonia reihen sich die Ortsnamen, wen wunderts, ums Geld. Der Silberberg ist ein wenig entfernt vom Ort Goldgroschen, getrennt sind sie durch den Fluss Bier. Im Norden grenzt die Terra Sancta Incognita – das unbekannte Land – an. Das Rauhe Tugendgebürg mit den Gipfeln Mäßigkeit, Keuschheits- oder Vorsichtigkeitsberg trennt die Außenwohnenden.

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Während wir uns mit dem Lesen der merkwürdigen Örtlichkeiten begnügen müssen, diente im 18. Jahrhundert ein kleines Büchlein „Erklaerungen der Wunder = seltzamen Land=Charten Utopiae“ der näheren Beschreibung der Karte und intellektuellem Vergnügen. In der verkehrten Welt von Schlaraffia, wo der Faule belohnt wird, wird der, der arbeitet bestraft. Vertrieben landet er im Elend See, in Klagach oder HungerLeyden. So kann es enden – aber nur in der Fantasie.


Die Autorin: Ines Haaser ist Historikerin und Kuratorin für Stadtgeschichte an den Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur.