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Auktion in Berlin: Buch entpuppt sich als Sensation für Görlitz

Görlitzer Schätze: Eine Westberliner Kunsthandlung bot 1959 ein kleines Buch auf einer Auktion an. Danach musste die Görlitzer Buchgeschichte neu geschrieben werden.

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Titelblatt des Gesangsbuches mit Holzschnitt
Titelblatt des Gesangsbuches mit Holzschnitt © Görlitzer Sammlungen

Von Steffen Menzel

Im Frühjahr 1959 bot die Westberliner Kunsthandlung Gerd Rosen auf einer Auktion ein kleines Büchlein aus dem 16. Jahrhundert an, das sich anhand des Impressums als Görlitzer Druck zu erkennen gab. In Verbindung mit dem darin genannten Buchdrucker Crispin Scharffenberg entpuppte sich allerdings die äußerlich unscheinbare Schrift als kleine Sensation für die Lokalgeschichte.

Das Impressum des Gesangsbuches verweist darauf, dass es in Görlitz gedruckt wurde.
Das Impressum des Gesangsbuches verweist darauf, dass es in Görlitz gedruckt wurde. © Görlitzer Sammlungen

Bisher war zwar aus Quellen des Görlitzer Ratsarchivs der Name des nachweislich ersten Görlitzer Buchdruckers aus den 1540er Jahren bekannt, eine Arbeit von ihm war jedoch noch niemals aufgefunden worden. Und so galten bis zu diesem Zeitpunkt die ab 1565 in der Offizin des Ambrosius Fritsch (1523–1593) gedruckten Werke als älteste Zeugnisse der Schwarzen Kunst in Görlitz.

Der Erwerb des Gesangbuches für die Sammlung der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften schien also dringend geboten. Allerdings verlangte das Auktionshaus eine Bezahlung in D-Mark, was für die Städtischen Kunstsammlungen eine Beteiligung an der Versteigerung zunächst aussichtslos erscheinen ließ. Es gelang jedoch, die entscheidenden staatlichen Stellen in der DDR von dem Wert des Buches zu überzeugen, und so konnte im Mai 1959 „mit Devisenunterstützung durch das Ministerium für Kultur“ der Druck nach mehr als 400 Jahren an den Ort seiner Entstehung zurückkehren.

Das schmale Buch, es misst nur 14 x 9 Zentimeter, zeigt auf der ersten Seite einen Holzschnitt, der die Auferstehung Christi darstellt. Darüber befindet sich der Titel „Ein schoen geistlich lied / der new lentz genant / so man auff die Osterliche zeit pfleget zu singenn / Vonn einem fromen gotfuerchtigenn pfarherrn inn Schlesyen gemacht vor 60. Jaren vnd itzt in druck bracht“. Auf den nächsten zwei Seiten folgt die Notation des Liedes mit den ersten beiden Strophen. Die folgenden sechs Seiten bringen den gesamten Text.

Es schließt sich ein zweites Lied mit sieben Strophen an, allerdings ohne Noten, das den Titel „Ein klag lied des alten Menschen / Im thon ein meidlein sprach mir freuntlich zu / etc.“ trägt. Auf der letzten Seite schließlich befindet sich der für die Geschichte des Buchdrucks in Görlitz so wichtige Eintrag „Gedruckt zu Goerlitz durch Crispinum Scharffenberg.“ Wer aber war dieser erste namentlich bekannte Drucker der Neißestadt?

Die Görlitzer Steuerbücher verzeichnen Crispin Scharffenberg im Sommer 1543 als Mieter in der Petersgasse 16. Als er am 7. Februar 1545 das Bürgerrecht erhielt, wurde er in der Bürgerrechtsliste als Buchhändler, gebürtig aus Lauban geführt. Er war ein Bruder des Formschneiders Georg Scharffenberg, der 1565 gemeinsam mit dem Goldschmied Joseph Metzker die erste Ansicht der Stadt Görlitz schuf. In den Stadtbüchern wird Crispin in den Jahren 1549 und 1550 dann ebenfalls als Formschneider bezeichnet.

Erst im April 1551, als ihm der Rat ein Zeugnis für seinen geplanten Umzug nach Breslau ausstellte, erfahren wir, dass er sich auch als Buchdrucker betätigte und in dieser Zeit „auffrichtig, redlich und gebürlich vorhalten hat.“ Am 27. Mai 1551 wurde Crispin in Breslau als Formschneider und Buchdrucker in die Bürgerliste eingetragen. Gemeinsam mit seinem Sohn Johannes etablierte er fortan an seiner neuen Wirkungsstätte eine florierende Buchdruckerei. Crispin Scharffenberg starb am 12. Dezember 1576 in Breslau.

Unser Autor Dr. Steffen Menzel ist Leiter der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften bei den Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur.