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"Wir können den Kreis Görlitz nicht retten"

Die Bürgermeister wollen nicht mehr Geld an den Landkreis überweisen. Doch das ist die Bedingung für den Kreis-Haushalt. Dabei steht schon jetzt fest: Die Bürger müssen mit neuen Belastungen rechnen.

Von Sebastian Beutler
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Das waren noch unbeschwerte Tage: Rosenbachs Bürgermeister Roland Höhne (li.) beim Kreisjugendfeuerwehrtag in Herwigsdorf Anfang September 2022 zusammen mit Stephan Meyer (2. v. r.) und dem scheidenden Landrat Bernd Lange.
Das waren noch unbeschwerte Tage: Rosenbachs Bürgermeister Roland Höhne (li.) beim Kreisjugendfeuerwehrtag in Herwigsdorf Anfang September 2022 zusammen mit Stephan Meyer (2. v. r.) und dem scheidenden Landrat Bernd Lange. ©  privat

Das Bildungsticket in Sachsen ist eine feine Sache. Für 15 Euro im Monat können Schüler 24 Stunden täglich und sieben Tage die Woche alle Busse und Bahnen des öffentlichen Nahverkehrs nutzen.

Im Landkreis Görlitz aber können Grundschüler dieses Bildungsticket schon für elf Euro pro Monat bekommen. Sagt der Landrat. Der Kreistag hielt an diesem Preis auch nach Einführung des sächsischen Bildungstickets fest. Doch damit soll Schluss sein. Die Anhebung auf die 15 Euro gehören zu den Bedingungen der Landesdirektion und des Finanzministeriums, um den Kreishaushalt anschließend mit einer Bedarfszuweisung auszugleichen.

Das ist nur ein kleines Beispiel dafür, was auf die Bürger zukommt, wenn der Haushalt des Landkreises in seiner jetzigen Form am 29. März durch den Kreistag kommt. Das Theater steht zumindest in seiner heutigen Form zur Debatte, auch beim ÖPNV könnte es dort Einschränkungen geben, wo nur heiße Luft durch die Gegend gefahren wird, wie Landrat Meyer es nennt. Bis Sommer soll deswegen genau geschaut werden, wie welche Strecke genutzt wird. Mithilfe der Digitalisierung soll es Einsparungen von zwei Millionen Euro geben. Bei Personal oder Sachkosten? Das lässt die Kreisspitze offen. Vor allem aber sollen die Kommunen sieben weitere Millionen Euro an den Kreis überweisen pro Jahr. Geld, das wiederum den Städten und Gemeinden fehlt. Dazu soll die Kreisumlage um zwei Punkte auf dann 37 Prozent steigen. So hoch liegt sie in keinem Flächenlandkreis des Freistaates.

Meyer weiß, dass der Haushalt für die Bürger im Kreis Zumutungen bereithält. Es sei nicht sein Wunsch-Haushalt, sagt er. Doch sieht er noch größere Zumutungen auf sie zukommen, wenn der Kreistag ihn ablehnt. "Wenn wir keinen Haushalt haben, werden das die Menschen auch schnell spüren", sagt er am Freitag vor Journalisten in Görlitz. Die Sportförderung würde nur 250.000 Euro ausmachen, doch sie würde ohne Haushalt nicht fließen. Die Folge: Keine Kreis-Kinderjugendspiele, keine betreuten Ferienspiele. Auch im Tourismus, bei der Wirtschaftsförderung und der Kultur würden alle freiwilligen Leistungen eingestellt.

Doch gibt es auch bei diesen Sparten Dinge, bei denen Verträge bestehen und die dann trotzdem bedient werden. Das trifft beispielsweise aufs Theater zu. Auch Musikschule und Volkshochschule könnte nicht von heute auf morgen der Geldhahn zugedreht werden.

Aber auch der Blick der Betroffenen ist verständlich. An diesem Mittwoch traf sich beispielsweise Meyer mit den Bürgermeistern im Landkreis Görlitz.

Zwar gehören nur einige wenige von ihnen zum Kreistag, der Rest kann gar nicht darüber abstimmen. Doch Meyer weiß, dass die Bürger sich an der Meinung ihrer Bürgermeister orientieren. Deswegen vermeidet er jetzt Kritik an ihnen, sagt nur, es gebe unter ihnen geteilte Meinungen, er verstünde auch, warum sich die Gemeinden schwertun mit einer höheren Kreisumlage, die ihnen weitere sieben Millionen Euro im Jahr entzieht. Gerade um Fördermittel aus dem Kohleausstieg einzuwerben, benötigen die Kommunen eigene Gelder. Aber, so sagt Meyer, trage der Kreis viele Sozialausgaben für die Einwohner in den Städten und Gemeinden.

Die Rathauschefs stecken nun eigentlich in der Bredouille, weil es so aussieht, als wenn diese Bedingung vom Freistaat erfüllt wird. Sie hatten öffentlich zu Protokoll gegeben, dem Haushalt und damit der Erhöhung der Kreisumlage nicht zuzustimmen, sollte eine Genehmigung des Etats nicht sicher sein.

Es geht aber gar nicht um das gegenseitige Verständnis. "Wir verstehen die Probleme des Kreises", sagt der Sprecher der Bürgermeister im Kreis, der Rosenbacher Bürgermeister Roland Höhne. Doch die Hinweise aus Dresden zum Haushalt haben die Stimmung unter den Bürgermeistern nicht gedreht. Denn die Situation habe sich nicht grundlegend gebessert. Weder beim Kreis noch bei den Gemeinden. Eine Genehmigung sowie ein Ausgleich des Kreishaushaltes bleibe unsicher, dafür seien zusätzliche Löcher bei den Kommunen mit einer höheren Kreisumlage sicher. "Wir können den Kreis nicht retten", sagt Höhne gegenüber der SZ.

Die Skepsis kommt nicht von ungefähr. Zwar wird der Kreis einen Doppelhaushalt für 2023 und 2024 beschließen. Doch die Möglichkeit zur Bedarfszuweisung ist jetzt nur für 2023 vereinbart worden. Für 2024, wo sich auch noch nach allen Sparanstrengungen ein Loch von 28 Millionen Euro im Etat auftut, ist nichts sicher, räumt auch Landrat Stephan Meyer am Freitag ein. Da muss im Herbst erneut mit dem Finanzministerium verhandelt werden.