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Wo ist der beste Platz für Lausitzer Kunst?

Für die einen ist es ein zentrales Depot in Königshain, für andere sind es die Museen. Wie die Debatte ausgeht, ist völlig offen.

Von Irmela Hennig
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Im Zittauer Museum wird der Nachlass des Künstlers Willy Jähne aufbewahrt. Antje Kirschner zeigt einige der Mappen.
Im Zittauer Museum wird der Nachlass des Künstlers Willy Jähne aufbewahrt. Antje Kirschner zeigt einige der Mappen. ©  Matthias Weber

Auf seiner letzten Sitzung 2021 bewilligte der Kulturkonvent des Kulturraums Oberlausitz-Niederschlesien Fördermittel für zwei Projekte. 200.000 Euro sollen dieses Jahr für Aus- und Umbauarbeiten an der Schlossanlage von Königshain bei Görlitz fließen. 175.000 Euro erhält die Stiftung für Kunst und Kultur in der Oberlausitz für ein Lausitzer Kunstdepot. Das stehe aber unter Vorbehalt, heißt es aus dem Kulturraum. Es laufe ein Antrag auf zusätzliche Förderung beim Bund. Näheres will Kulturraumsekretär Joachim Mühle nicht sagen.

Das Vorhaben: Ein Lausitzer Kunstdepot soll Nachlässe sichern helfen

Das Projekt Kunstdepot für die (Ober-)lausitz wird seit Jahren thematisiert. Ziel ist es, Künstlernachlässe vor allem aus dem Bereich Malerei, Bildhauerei, Grafik, Fotografie und Installation aufzubewahren, zu pflegen und damit zu arbeiten. 2009 wurde, auch auf Betreiben von Künstlern wie dem kürzlich verstorbenen Maler Gerd Hallaschk aus Pechern bei Weißwasser, die Stiftung für Kunst und Kultur in der Oberlausitz gegründet. Sie sammelt seither Geld, unter anderem durch Kunstauktionen, um „Kunst- und Kulturwerte für spätere Generationen zu sichern und zu erhalten“.

Als Ergänzung zu Museen wird seit Jahren über ein zentrales Kunst-Depot für die Lausitz gesprochen. Es sollte zunächst in der Barockanlage Königshain (kl. Bild oben)
Als Ergänzung zu Museen wird seit Jahren über ein zentrales Kunst-Depot für die Lausitz gesprochen. Es sollte zunächst in der Barockanlage Königshain (kl. Bild oben) © SZ/Steffen Gerhardt

Das ist in der Satzung nachzulesen. Die Idee, dafür ein Depot anzulegen, gab es von Beginn an. Lange waren Gebäude der Schlossanlage in Königshain diesbezüglich im Gespräch. Zwischenzeitlich wollte man dort sogar ein Depot für ganz Sachsen einrichten. Doch verwirklicht wurde das nie. Zuletzt galten auch Gebäude der Energiefabrik Knappenrode als möglicher Standort.

Der Bedarf: Nachlässe sind immer ein Thema, Platz ist teils knapp

Vor wenigen Tagen war Sabine Schubert in Gauting bei München. Die Vorsitzende des Rietschelkulturrings Pulsnitz hat den Nachlass einer Künstlerin abgeholt. Arbeiten auf Papier und Ölgemälde von Ottilie Kaspar, gebürtig aus Berna, einst Kreis Lauban. Die Ehefrau des Bildhauers Ludwig Kaspar war 2009 gestorben. Weil der Kulturring Werke von Ottilie Kaspar ausgestellt hatte, weil es gute Beziehungen zu ihr und der Familie gab oder gibt und weil die Künstlerin aus Schlesien stammt, kommt ihr Oeuvre nun in die Oberlausitz.

Kein Einzelfall. Nicht nur der Rietschelkulturring erhält fast regelmäßig Nachlässe. Auch für die Museen der Oberlausitz ist das Alltagsgeschäft. Die Städtischen Museen Zittau werden demnächst Teile des Werkes von Karlheinz Schäfer, ein Bildhauer aus dem Kreis Schluckenau (Šluknov), übernehmen. Mit den Nachkommen des Bertsdorfer Bildhauers, Malers und Zeichners Siegfried Schreiber laufen Gespräche. Ebenso mit der Witwe des Ebersbacher Künstlers Peter Israel, wie Museumsleiter Peter Knüvener sagt.

Schon ins Haus gekommen sind um die tausend Blätter des Zittauer Grafikers und Malers Willy Jähne. Gefördert vom Freistaat, war eine Expertin ein halbes Jahr beschäftigt damit, alles zu vermessen, zu beschreiben und zu erfassen. Dass diese Arbeit wichtig ist, zeigt ein Blick ins Werk mit einer Bandbreite wie Landschaften und Stadtansichten, Porträts und Akte, Maschinenplänen und Produktdesign für die einstige Bergland-Schokoladenfabrik in Oderwitz. Auch eine Bleistiftzeichnung des Segelschulschiffs Gorch Fock von 1942 ist darunter sowie Bilder vom Bau des Zittauer Federnwerkes.

Eine Fundgrube, nicht nur für Historiker. Einsortiert in 20 Mappen nehmen Jähnes Blätter relativ wenig Platz weg – nur rund zwei Quadratmeter und einige Höhenzentimeter in einem Regal. „Flachware“, nennt Museumsmitarbeitern Antje Kirschner die Arbeiten auf Papier. Anders ist es beim Nachlass des gebürtigen Olbersdorfer Künstlers Horst Weber, den das Museum letztlich für die Kunststiftung aufbewahrt. 195 Bilder, eingepackt in Luftpolsterfolie, untergebracht in einem eigens gebauten Regalsystem, braucht der deutlich mehr Raum. Aber auch da gilt – bei Bedarf lässt sich dort finden, was gebraucht wird.

Jasper von Richthofen, Leiter der Görlitzer Sammlungen, berichtet, dass sein Haus unter anderem Werke von Siegbert Jatzko und Dieter Bock von Lennep übernommen habe. „Aber nie ganze Oeuvre“, so von Richthofen. Im Museum Bautzen stehen zwei Übernahmen an. „Dass ein komplettes Werk ins Museum kommt, ist aber sehr selten“, sagt Peter Knüvener. Bei Siegfried Schreiber sei das wahrscheinlich. Sonst eher nicht. Zum einen sei es eine Platzfrage. Außerdem müsse es zum Museum passen. Jasper von Richthofen sieht keine „Pflicht der Museen, alles einzulagern“. Es gehe darum, „das Kunstschaffen der Region abzubilden“. Hier sieht Sabine Schubert eine Lücke, die ein Lausitz-Depot schließen könnte. Künstler, darunter Horst Jurtz aus Weißwasser oder Gerd Hallaschk, hatten sich in der Vergangenheit für ein Depot ausgesprochen. „Wichtig ist, dass ein Großteil des Werkes zusammenbleibt und nicht in alle Winde verstreut wird“, hatte Hallaschk einst der SZ gesagt. Das aber können die Museen nicht garantieren.

Auch die Energiefabrik Knappenrode war für das Kunst-Depot im Gespräch.
Auch die Energiefabrik Knappenrode war für das Kunst-Depot im Gespräch. © René Plaul

Auch unter den Erben finden sich Befürworter der Depot-Idee. Astrid Wappler, die Kunstgeschichte studiert hat und im Bereich Denkmalschutz arbeitet, pflegt den Nachlass ihres Vaters Dieter Wappler. Der 2010 verstorbene Arzt und Maler hatte vor allem in Bautzen gelebt. Astrid Wappler erzählt, wie viel Arbeit es macht, so einen Nachlass zu betreuen: „Anfangs stand für uns als Familie die Frage, was wir mit dem Atelier machen.

Wir haben es behalten, auch um die Werke aufzubewahren.“ Gelegentlich öffnet sie für Interessierte, hält die Räume in Schuss. Sie hat das Werk auf Grundlage von Angaben ihres Vaters gründlich erfasst, teils gerahmt, fotografiert. Sie organisiert Ausstellungen und verkauft – in Absprache mit der Familie – hin und wieder etwas. Und sie unterstützt die Depotpläne mit Werken, die sie für Auktionen der Stiftung bereitstellt. Eine solche Einrichtung könne auch fachliche Beratung liefern und gerade Laien helfen, ein Werk wirklich einzuschätzen.

Dass es Interesse gibt, mit Künstlernachlässen zu arbeiten und einen konkreten Ort samt Zugang dazu zu haben, zeigt das Beispiel des sorbischen Schriftstellers Jurij Brězan. Seine Nachfahren hatten seinen Nachlass an das Deutsche Literaturarchiv nach Marbach gegeben. Wie Archivleiter Ulrich von Bülow informiert, wurde „in den letzten zehn Jahren aus diesem Bestand 44-mal etwas ausgeliehen“.

Die Kritik: Museen sehen sich als erste Adresse, müssen aber auswählen

Peter Knüvener und Jasper von Richthofen sind kein Befürworter eines Lausitzer Kunstdepots. Beide sehen Museen als Ansprechpartner für Künstlernachlässe. Sie halten es für denkbar, dass mit einem Depot ein Museum für Gegenwartskunst in der Oberlausitz entsteht. . Sabine Schubert vom Rietschelkulturring sieht im Lausitzer Sammlungsort „keine Konkurrenz für Museen“. Für sie ist klar, dass die Häuser zunächst auf Nachlässe zugreifen und dass, was dann noch bewahrt werden soll, in dieses Depot kommen könnte.

Friederike Koch-Heinrichs, Präsidentin des Sächsischen Kultursenats, hält ein Depot als Interimsmöglichkeit für denkbar, wenn Nachlässe sehr schnell untergebracht werden müssen. Ein Dauerdepot sei aber nicht sinnvoll. Lydia Hempel, Geschäftsführerin des Landesverbandes für Bildende Kunst Sachsen, macht klar, dass nicht alles aufhebenswert sei. Hempel ist Mitglied des Beirates, der den Kulturraum der Oberlausitz berät. Im Fall des erneuten Vorstoßes für das Lausitz-Depot sei der Beirat nicht um eine Stellungnahme gebeten worden, so Hempel. Wenn so etwas komme, brauche es eine wissenschaftliche Begleitung.

Die Alternativen: Werkdatenbank und rechtzeitige Klärung

Sachsens Kunst-Ministerium sieht zumindest auf sächsische Ebene keinen Bedarf für ein Kunstdepot. „Aufbau und Unterhalt stehen nicht im Verhältnis zum Nutzen“, heißt es auf SZ-Anfrage. Das Ministerium verweist auf die Museen und auf die „Sammlung von ausgewählten Kunstwerken sächsischer Kunstschaffender“ bei den Sächsischen Kunstsammlungen Dresden. Lydia Hempel erzählt, dass es „vor einigen Jahren eine Perspektivendiskussion gegeben hat“. Mehrheitlich habe man sich auch da für die Museen-Lösung ausgesprochen. Auf sächsischer Ebene gebe es inzwischen eine digitale Werkdatenbank, in die Künstler ihre Arbeiten einstellen können. Bislang sind dort nur wenige Oberlausitzer zu finden.

Der Landesverband für Bildende Kunst bereitet Videos vor, um Künstlern und Erben aufzuzeigen, wie sie Nachlässe zu Lebenzeiten regeln können oder im Todesfall damit umgehen. Im Idealfall, so heißt es von allen Seiten, klären die Kunstschaffenden die Weitergabe ihres Werkes schon zu Lebzeiten. Die Museen der Region verweisen darauf, dass Nachlässe auch an verschiedenen Häusern unterkommen können. „Wir stimmen uns mit Museen in Bautzen, Löbau, Görlitz oder Großschönau ab“, so Knüvener. Auch an private Sammler habe er Erben schon verwiesen.

Der Stand: Im Prinzip gibt es das Depot bereits, es wird auch damit gearbeitet

Dass es momentan Fördermittel vom Bund für das Depot-Vorhaben gibt, scheint nach SZ-Recherchen unwahrscheinlich. Von den Millionen, die für den Kohleausstieg bereitstehen, wird die Stiftung zunächst nichts beantragen. Bis 2026 sei da der Topf ausgeschöpft. Knappenrode sei vom Tisch, hat die SZ erfahren. Die Bestätigung durch den Landkreis Bautzen steht noch aus; die Energiefabrik gehört zum Kreis. In die Königshainer Schlossanlage soll grundsätzlich investiert, eine Wagenremise ausgebaut werden. Grundsätzlich aber gibt es längst eine Art Depot – als Übergangslösung. In Niesky wird zum Beispiel der Nachlass des in Schlesien geborenen Künstlers Dietrich Arlt (1936 bis 2005) aufbewahrt.

Zwischenzeitlich waren die Arbeiten in Pulsnitz untergekommen. „Mittlerweile hat die Stiftung das Konvolut angekauft und katalogisiert“, so Schubert. Auch bei einer Ausstellung seien Werke von Arlt gezeigt worden. Es werde also damit gearbeitet. Für das Werk von Horst Weber aus Zittau gibt es zwar eine Stiftung, letztlich gehört es aber unters Dach eben der Oberlausitzer Kunststiftung. Die hat zudem vor Jahren den Nachlass von Horst Bachmann (1927 bis 2007) aus Bautzen in Niesky gelagert.

Am 4. März findet 9.30 Uhr die nächste Sitzung des Kulturkonvents Oberlausitz-Niederschlesien im Steinhaus Bautzen statt.