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Görlitzer Arzt heilt die ärmsten Menschen der Welt

Wenn andere Urlaub machen, reist Gebhard von Haehling in die Slums von Afrika und Asien, um zu arbeiten.

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Da ist dieses Mädchen. Blutjung und doch schon Mutter. Sie hat einen Ausdruck in den Augen, der unendliches Mitleid erregt, aber auch Hoffnung. Denn ein bisschen lächelt sie auch. Obwohl sie Aids hat und ihr Baby Malaria.

Dr. Gebhard von Haehling bei einem Einsatz auf den Philippinen im Juli dieses Jahres.
Dr. Gebhard von Haehling bei einem Einsatz auf den Philippinen im Juli dieses Jahres. © privat
Die junge kenianische Mutter und ihr Baby (unten) waren ebenfalls seine Patienten.
Die junge kenianische Mutter und ihr Baby (unten) waren ebenfalls seine Patienten.

Es sind genau diese Menschen, die Gebhard von Haehling in dem bestärken, was er tut. Arzt sein. Aber nicht in einer schönen, hygienisch einwandfreien Praxis oder einem modernen Krankenhaus in Deutschland, sondern in den Elendsvierteln der Welt. Gebhard von Haehling hat die Zeit im Görlitzer Klinikum hinter sich. Seit er vor neun Jahren in Rente ging, gehört der Chirurg den „German Doctors“ an. Eine Organisation mit Sitz in Bonn ist das – etwa wie „Ärzte ohne Grenzen“. „Nur, dass wir unentgeltlich arbeiten und teilweise sogar noch unsere Flüge anteilig selbst bezahlen“, erklärt der Arzt, der aus Bayern stammt und seit 19 Jahren in Görlitz lebt.

Weil er sich als Neu-Rentner 2004 ein wenig nutzlos fühlte, und er nach den vielen Arbeitsjahren vor Unternehmungslust nur so sprühte, ließ er sich auf das Abenteuer als „German Doctor“ ein. Gleich sein erster Einsatz führte ihn für ein halbes Jahr nach Uganda. „Dort habe ich das gelernt, was ich für die Einsätze in Krisengebieten brauche: Ganz banale Allgemeinmedizin.“ Denn als Unfallchirurg war er vorher eher Facharzt gewesen. Hier aber waren ganz grundsätzliche Fähigkeiten gefragt. Eltern, die nach tagelangen Märschen mit halbtoten Kindern in der Ambulanz ankamen, brauchten seine Hilfe. Menschen, die wegen der schlechten Hygiene schlimme Abszesse hatten. Oder die sich an den offenen Feuerstellen Verbrennungen zugezogen hatten. Alle Patienten sind bitterarm, leben in den Slums von Megastädten oder in abgelegenen Regionen. Die Behandlung kostet sie nichts. „Oft sind es einfache Erkrankungen, die mit unseren Medikamenten schnell in den Griff zu bekommen sind“, erzählt von Haehling, der vor Ort stets selbst in einfachsten Verhältnissen – nicht selten sogar mit in den Slums – wohnt.

Nach Uganda ist der Görlitzer auch in Kenia gewesen, in Sierra Leone, Indien, Bangladesch, auf den Philippinen, in Nicaragua. Insgesamt 26 Einsätze hatte er bis heute. Immer kommt der Anruf aus der Bonner Zentrale kurzfristig. Zum Leidwesen seiner Frau kann es schon mal passieren, dass von Haehling am Mittwoch den Anruf bekommt und am Freitag schon im Flugzeug sitzt, das ihn für sechs Wochen bis sechs Monate in die Ferne bringt. Er ist Springer. Wenn ein Arzt im Einsatz krank wird, fragt man von Haehling, ob er aushelfen kann. Und das, obwohl er das Alterslimit von 74 Jahren schon überschritten hat. Aber darüber redet er nicht gern.

Er würde sich sowieso nie aufhalten lassen. „Mein Limit heißt: Solange ich kann. Die Arbeit hält mich jung, ich habe Freude daran“, sagt er und lässt sich auch von eigenen Krankheiten wie mehrfacher Malaria oder Abszessen nicht stoppen. „Als ich das Elend zum ersten Mal erlebt hatte, sagte ich mir: Jetzt erst recht. Ich habe sogar bereut, dass ich das nicht schon viel früher begonnen habe. Man lernt so viel, muss so viel improvisieren.“ All das Elend und die leidenden Menschen nur im Fernsehen zu sehen oder über sie in Zeitungen zu lesen – das ist nichts für ihn. „Weil Du arm bist, musst Du eher sterben“ – diesen Spruch will er nicht akzeptieren und stattdessen vor Ort helfen. Allen. Denen, die sich schon um Mitternacht anstellen, um am nächsten Tag dranzukommen. Denen, die eigentlich eher ihren Medizinmännern vor Ort vertrauen. Unterernährung, allgemeine Schwäche, Aids, Malaria, Hautkrankheiten, Folgen von Gewalt und Entzündungen sind die häufigsten Krankheitsbilder.

Die meisten Menschen werden in den kleinen Krankenstationen versorgt, die die „German Doctors“ vor Ort notdürftig eingerichtet haben. Aber auch in Blechhütten, Kapellen, Lagerhallen, auf Friedhöfen und in fahrenden Ambulanzen werden Patienten empfangen. Ein Einheimischer ist stets als Übersetzer dabei. „Man erfährt dabei viel über die Patienten“, sagt von Haehling. Nur die schlimmsten Fälle lassen er und seine Kollegen in die nächsten Krankenhäuser einweisen. Bezahlt wird die Behandlung dann von der deutschen Organisation, die sich übrigens ausschließlich über Spenden finanziert. Die „German Doctors“ gibt es in diesem September seit 30 Jahren. Im vergangenen Jahr arbeiteten 332 Ärzte in 365 Einsätzen. Viele von ihnen opfern ihren Jahresurlaub, um zu helfen.

Seinen Urlaub opfert Gebhard von Haehling nicht – diese knappe Zeit schenkt er dann doch seiner Frau. Allerdings kann er seit seinen ersten Einsätzen in den Elendsgebieten der Welt nicht mehr ins Ausland reisen. Die Kontraste zwischen Arm und Reich regen ihn zu sehr auf. So erkundet das Ehepaar von Haehling lieber die schönen Seiten von Deutschland.

Bis Gebhard von Haehling dann zum nächsten Einsatz reist und Menschen hilft. So wie der jungen aidskranken Kenianerin. Ihren Jungen hat er von der Malaria heilen können. Aids kann man heute zwar mit Medikamenten gut begegnen, aber immer noch nicht heilen.

Spendenkonto: German Doctors e. V., Kontonummer: 4888880, Evangelische Kreditgenossenschaft Frankfurt, BLZ 520 604 10

www.german-doctors.de