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Grabesstimmung auf dem Tierfriedhof

Die letzte Ruhestätte ihrer Lieblinge bedeutet den Besitzern viel. Dafür zahlen sie. Doch erste Halter fragen sich: Wofür?

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© Eric Münch

Von Lars Kühl

Als Lisa starb, kam für Thomas Paulus die Beseitigung in einem Verwertungsbetrieb nicht infrage. Tiermehl und -fett als Rohstoff oder Brennersatzmaterial für die Industrie – so sollte seine Golden Retriever-Dame auch nach ihrem Tod 2009 nicht enden. 13 Jahre hatte der Hund zur Familie gehört, deshab suchte Paulus eine würdevolle, letzte Ruhestätte. Das Angebot in Dresden ist allerdings überschaubar. In Stetzsch, direkt neben dem städtischen Tierheim, fand Paulus trotzdem einen Tierfriedhof. Den einzigen in der Stadt, 1998 von Frank Ziegenbalg gegründet.

Der Tierhalter schaute sich um und war auch angetan von dem Gelände mit Wiesen und Baumgruppen. Paulus entschied sich, seine Lisa in Stetzsch zu begraben, und fertigte extra einen Holzsarg für den Hund an. Eine einmalige Pauschale von rund 350 Euro und eine Jahresgebühr von 20 Euro wurden fällig. Paulus gestaltete liebevoll das Grab und kommt seitdem ein- bis zweimal im Monat. Um zu trauern, sich an die schönen Erlebnisse mit Lisa zu erinnern und um einfach zu verweilen.

Wenn ein Haustier stirbt, entscheiden die Halter selbst, was mit ihm passiert. Eine Anzeigepflicht beim Veterinäramt besteht nicht, erklärt Marco Fiedler, Referent von Sozialbürgermeister Martin Seidel (parteilos). Hundehalter sollten den Tod nur innerhalb von zwei Wochen der Stadtkasse melden, damit sie keine Steuer mehr zahlen müssen. Einfach im Wald oder auf dem Feld vergraben, ist allerdings verboten, Ausnahmen sind private Grundstücke.

Lisa sollte unter einem Baum liegen. „Anfangs war alles in Ordnung, da war es hier um einiges gepflegter“, sagt Paulus. Die Anzahl der Gräber auf dem Friedhof wuchs beständig, der Betreiber berichtet von mehreren Hundert Bestattungen bis heute. Ziegenbalg verkaufte seine Idee im Fernsehen und der Zeitung als Erfolgsmodell. Der Leitspruch auf seiner Internetseite lautet „Eine zufriedene Kundschaft ist der beste Garant für ein weiteres Wachstum unserer Friedhofsgemeinschaft“.

Zu den zufriedenen Kunden gehört Thomas Paulus schon lange nicht mehr. Es fing schleichend an. Der Rasen wuchs immer höher. Wenn die Wiese dann doch mal gekürzt wurde, bleib die Mahd einfach liegen, berichtet er. Die Sträucher, nicht wenige davon sind Brennnesseln, wucherten bald auf den Wegen und auch zwischen den Gräbern. „Mittlerweile verwildert alles.“ Dies bestätigen auch andere Friedhofsgänger. Ihren Namen wollen sie aber lieber nicht nennen – aus Angst, ihr gestorbenes Tier nicht mehr besuchen zu können.

Paulus aber redet Klartext und zeigt, wie die Hecken rund um das Areal ungeschnitten vor sich hin wachsen. Zwar werden mehrere Tonnen mit Wasser aufgefüllt, die Gießkannen müssen die Friedhofsbesucher allerdings selbst mitbringen. Die meisten Bänke zum Verweilen haben die Trauernden selbst aufgestellt.

Was Paulus besonders pietätlos findet, ist die Art und Weise, wie neue Gräber ausgehoben werden. Einmal im Monat komme ein Bagger zum „Löcher machen“. Völlig konzeptlos, sagt Paulus. Einfach dort, wo noch Platz ist. Standardgröße, von der Baggerschaufel vorgegeben. Da aber vom Vogel, Hamster über Meerschweinchen, Kaninchen bis zu Katzen und großen Hunden so gut wie alle Haustiere beerdigt werden dürfen, seien die Löcher oft zu groß oder eben zu klein. Die ausgehobene Erde bleibt einfach dahinter liegen. Die neuen Grabhalter könnten sich eines aussuchen und müssten sich dann selbst kümmern.

„Dabei ist der Betreiber in der Pflicht, den Friedhof zu pflegen“, fordert Paulus. Vor allem für ältere Leute, die oft vorbeischauen und viel Zeit auf dem Friedhof verbringen, ist der Zustand eine Zumutung. „Würden die nicht selbst Hand anlegen, wären die Gräber längst zugewachsen. Das ist nur noch reine Geldschneiderei.“

Auch das Schloss am Eingang, für das jeder einen Schlüssel bekommt, sei lange kaputt gewesen. Daher war das Tor immer offen, auch noch beim Vor-Ort-Termin mit der SZ. Mittlerweile wurde es wieder repariert. Alles hat Paulus hingenommen, vor zwei Wochen „platzte mir aber der Kragen“, wie er sagt. Bei einem Unwetter zerbarst die Birke direkt neben Lisas Grab, ein riesiger Ast knickte ab. „Dabei hatte ich seit einem Jahr mehrfach darauf hingewiesen, dass der Baum kaputt ist und die Äste absturzgefährdet sind.“ Doch es musste erst passieren, damit Betreiber Ziegenbalg reagiert. Inzwischen hat er den Baum mit schwerem Gerät absägen lassen.

Angesprochen auf die schweren Vorwürfe, reagiert der Beschuldigte patzig. „Wem das nicht passt, der braucht sein Tier hier nicht zu beerdigen.“ Weitere Nachfragen beendet Ziegenbalg durch abruptes Wegdrücken des Anrufers.

Für Paulus ist die Sache klar. Mit dem Betreiber zu reden, werde schwierig bleiben. „Der arbeitet nur auf Druck.“ Trotzdem will er weiter regelmäßig seine Lisa besuchen. „Wenn die Gräber vernünftig angeordnet werden und der Friedhof gepflegt wird, wäre er ein schöner Platz der Ruhe und des Gedenkens.“