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Grabschänder mit Erinnerungslücken

Vandalismus auf Friedhöfen nimmt zu im Kreis. Jetzt mussten sich erstmals Täter vor dem Kadi verantworten.

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© Archiv/Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Niederau. Die Totenruhe ist offenbar nicht mehr heilig. Im September 2015 werfen Unbekannte zwei orthodoxe Granitkreuze auf einer Kriegsgräberstätte in Gröditz um. Im November fallen Schüsse auf Gedenktafeln an Kriegsgräbern in Zeithain. Aus Nossen wurde von gestohlenen Grabsteinen und Blumen berichtet.

Auch eine Lampe wurde auf dem Niederauer Friedhof zerstört.Kommentar:
Auch eine Lampe wurde auf dem Niederauer Friedhof zerstört.Kommentar: © Archiv/Claudia Hübschmann

Doch die Täter sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. In Meißen hat am Donnerstag ein Gerichtsverfahren gegen Friedhofs-Vandalen stattgefunden. Vor der Richterin standen zwei Niederauer. Den 19 und 24 Jahre alten Männern wurde vorgeworfen, am 7. Februar vorigen Jahres auf dem Friedhof in Niederau eine Spur der Verwüstung hinterlassen zu haben. So wurden zwei Grabplatten zerschlagen, der Schaukasten der Kirchgemeinde demoliert, eine Lampe herausgerissen. Auch außerhalb des Friedhofs wüteten sie wie die Vandalen, rissen Zaunfelder heraus, beschädigten einen Schaukasten an einem Hotel und ein Vogelhaus. Insgesamt entstand ein Sachschaden von mehr als 2 300 Euro. Die jungen Männer waren aus dem Niederauer Jugendklub gekommen. Dort hatten sie sich mächtig die Kante gegeben, mit Alkohol zulaufen lassen.

Der Klub ist schon lange in Verruf. Anwohner beschweren sich über nächtliche Lärmbelästigungen und Verunreinigungen. Die Öffnungszeiten werden nicht eingehalten. Mehrfach hat die Gemeinde den Klub schon geschlossen, dann wieder geöffnet, nachdem die Klubleitung Besserung gelobte. Die beiden Angeklagten geben an, sich kaum noch erinnern zu können, weil sie so betrunken gewesen seien. Der Jüngere der beiden will sich aus Frust wegen der Scheidung seiner Eltern betrunken haben. Und obwohl er keine Erinnerungen mehr haben will, weiß er eines genau: „Ich war das nicht auf dem Friedhof“, sagt er.

Dummerweise wurden aber Blutspuren auf dem Friedhof gefunden, die ihm eindeutig zugeordnet werden können. Die Polizei, die die Tatverdächtigen schnell ermittelte, fand auf dem Friedhof auch einen Dartpfeil. Den hatte einer der Angeklagten mit in den Jugendklub genommen und verloren. Auch das mit den Autos will er nicht gewesen sein. Das mit den Autos? Ein verräterischer Satz. Denn in dieser Nacht ist in Niederau noch viel mehr passiert. In der Gartenstraße wurden Autos zerkratzt und Spiegel abgetreten. Wochenlang wurde in der Gemeinde randaliert. Bürgermeister Steffen Sang (parteilos) sprach von einer regelrechten Serie. So wurden auch 15 Kästen der Deutschen Telekom mit Graffiti beschmiert. In der Pension Heidler wurde eine Leuchtreklame, an einer neuen Brücke Reflektoren zerstört, in Oberau Obstbäume herausgerissen. Diese Taten sind den Angeklagten aber nicht sicher nachzuweisen, wenngleich vieles dafür spricht, dass sie auch auf deren Konto gehen.

Beide Angeklagte leiden offenbar an partieller Amnesie. Auch der 24-Jährige beruft sich auf einen Blackout. Der Staatsanwalt nimmt ihm das nicht ab. Denn bei der Polizei hatte der Mann noch präzise Angaben gemacht. Wie auch sein Kumpel. Der hatte ihn beschuldigt, den Schaukasten zertrümmert zu haben. Bei der Polizei hatte er zugegeben, dass der Mitangeklagte den Zaun mit einem „Hooligan-Sprung“ zertrümmert habe.

Nach einer Verhandlungspause haben die beiden ihr Gedächtnis wiedergefunden. Sie geben auch Taten zu, die ihnen nicht nachzuweisen gewesen wären. Die beiden sind nicht die hellsten Kerzen auf der Torte, schafften nur den Hauptschulabschluss, einer brauchte dafür zwölf Jahre. Und beide brachen ihre Lehre ab.

Keiner der Angeklagten zeigt im Laufe der Verhandlung ein Zeichen der Reue. Erst in seinen „letzten Worten“ nuschelt der Ältere eine Entschuldigung. Er wird wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 2 250 Euro verurteilt. Der Jüngere, der zur Tatzeit 18 Jahre alt war, wird nach Jugendstrafrecht verurteilt, schuldig gesprochen und muss 80 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten. Dafür hat er vier Monate Zeit. Der Erlös wird Schadensersatzansprüchen angerechnet. Der Niederauer Pfarrer Matthias Fischer, der zur Verhandlung anwesend war, ist zufrieden mit den Urteilen. „Es ist allerdings enttäuschend, dass es die Angeklagten bis heute nicht fertiggebracht haben, sich bei uns und den Angehörigen zu entschuldigen“, sagt er.