Von Marius Zippe
Sächsische Schweiz. Selbst jene, die sich gut in der Sächsischen Schweiz auskennen, können noch eine kleine Überraschung erleben. Der Großstein (358 Meter) liegt abseits des Touristenrummels und bei der Aufzählung der schönsten Panoramaaussichten fehlt er meistens. Zu Unrecht: Der Felsvorsprung, der steil über dem Kirnitzschtal nahe der Felsenmühle aufragt, bietet eine grandiose Rundsicht über den hinteren Teil der Sächsischen Schweiz, die für den Neustädter Theologen Wilhelm Leberecht Götzinger (1758-1818) einst eine der „wildesten Gegenden in dem alten rauhen Deutschland“ war.
Wandern in der Sächsischen Schweiz
Von der Großsteinkanzel schweift der Blick über die weitläufige Wald- und Felsenlandschaft – von den Thorwalder Wänden zu den Affensteinen bis in die böhmische Bergwelt. Daneben bietet sich ein Tiefblick in das schroff eingeschnittene Kirnitzschtal, wie er wohl nur an wenigen Stellen möglich ist. Weit unterhalb der Aussicht schrumpft die kurvenreiche Talstraße zu einem schmalen Band.Der Besuch des Großsteins lässt sich mit einer abwechslungsreichen Rundwanderung durch Dörfer, Wiesen und Wälder zwischen Sebnitz und dem Kirnitzschtal verbinden. Das Gebiet am Rand der Sächsischen Schweiz eignet sich bestens, um deren grandiose Landschaft ganz ungestört zu genießen. In Sebnitz, das einfach mit Bahn, Bus und Auto zu erreichen ist, empfiehlt sich der Start am Marktplatz. Von dort führt der grüne Wanderweg aus Sebnitz heraus bis zum Großstein. Er geht unter anderem am früheren Wohnhaus des Malers Albert Kunze (1877-1949) vorbei, zu dessen Werk vor allem Landschaftsbilder gehören. Die Strecke verläuft aus der Stadt hinaus zunächst über einen steileren Anstieg, danach geht es ohne großes Auf und Ab durch die Hügellandschaft um Ottendorf. Zu den markanten Landmarken entlang der Route gehört die Endlerkuppe oberhalb von Ottendorf. Auf der Erhebung ist schon von Weitem das frühere Jugenderholungsheim mit seinem markanten Aussichtsturm zu sehen. Das 1928/29 errichtete Ensemble des Architekten Kurt Bärbig erinnert an das Festspielhaus in Dresden-Hellerau. In der DDR diente es auch als SED-Parteischule. Nun steht das Gebäude leer und verfällt.
Abkürzung oder große Runde
Für Kurzwanderer bietet sich am Großstein die Möglichkeit, über die Hochfläche nach Sebnitz zurückzukehren. Wer eine ausgiebige Rundtour bevorzugt, für den beginnt jetzt der anspruchsvollere Teil. Nahe dem Großstein führt ein steiler Abstieg ins Kirnitzschtal, der an der Felsenmühle herauskommt. In kurzen Abständen folgen auch Neumann- und Buschmühle. Alle drei bieten jeweils Einkehrmöglichkeiten und Platz für eine Pause. An der Neumannmühle gibt ein kleines Museum Einblicke in die historische Mühlentechnik.
Nahe der Buschmühle, am Abzweig der Straße nach Sebnitz, folgt die Route der roten Markierung Richtung Kleinstein und Saupsdorf. Nach einem steilen Aufstieg windet sich der Weg am Hang entlang und folgt hier einem Stück des beliebten Malerweges. Wer gut aufpasst, dem fällt in einer Kurve ein kleiner Klettergipfel mit Ringen und Abseilöse auf. Er trägt den Namen Grünling und ist offiziell als Kletterziel anerkannt. Solche kleinen Blöcke und Türme werden von Bergsteigern als Quacke bezeichnet. Viele rümpfen die Nase, weil sie solche kleinen Gipfel für wenig attraktiv halten. Gerade für Familien mit Kindern sind sie aber häufig sehr geeignete Kletterziele. Eine Attraktion der Wanderung ist die Kleinsteinhöhle am Kleinstein. Das Felstor eröffnet eine schöne Perspektive in die Landschaft. Schon den spätromantischen Maler Ludwig Richter (1803-1884) faszinierte die ungewöhnliche Felsformation, die er zunächst zeichnete und später auch per Kupferstich verewigte. Über die Kleinsteinaussicht geht der Weg weiter in das idyllische Saupsdorf und von dort über den Meiche-Weg zurück.
Das letzte Stück nach Sebnitz über den Panoramaweg Alte Hohe Straße ist der perfekte Ausklang der langen Wanderung. Weite Teile der Hinteren Sächsischen Schweiz lassen sich von hier nochmals überblicken.