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Grenzstreit ohne Ende

Polen fordert fast vier Quadratkilometer Land von Tschechien. Die Hauptlast sollen die Orte im Friedländer Zipfel tragen.

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© Matthias Weber/Montage: SZ-Bildstelle

Von Petra Laurin

Region. Wird ein Wald bei Chrastava (Krazau) bald polnisch sein? „Nein, das dürfen wir nicht einmal denken“, sagt Chrastavas Bürgermeister Michael Canov. Der gleichen Meinung sind auch andere Vertreter der Stadt. Unterstützung bekommen sie von Kreishauptmann Martin Puta.

Tschechien soll an Polen 368 Hektar Land abtreten. Die drohende Grenzverschiebung geht auf einen Streit um den Grenzverlauf im Teschner Gebiet aus dem Jahr 1918 zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Moskau den Grenzverlauf festgelegt. Durch einen Vertrag von 1958 ist die Grenze begradigt und um etwa 80 Kilometer verkürzt worden. Dabei kam Polen um die fast vier Quadratkilometer. Diese Fläche will das Land gern zurück. „Polen besteht darauf, dass die Gebietsansprüche beglichen werden müssen“, bestätigte Tschechiens Innenminister Milan Chovanec (Sozialdemokraten). Die Tschechische Republik bemüht sich deshalb seit rund zehn Jahren, die territoriale Schuld bei Polen abzutragen. Eine finanzielle Entschädigung hat die polnische Regierung abgelehnt.

Ende 2015 hat das tschechische Innenministerium Grundstücke ausgesucht, die künftig ihre Staatszugehörigkeit wechseln sollen. Betroffen ist nicht nur Chrastava. Viele Gemeinden im Friedländer Zipfel sollen Land abgeben. Auf der Liste von Grundstücken, die an die polnischen Nachbarn abgetreten werden könnten, befinden sich Flächen von Bulovka (Bullendorf), Kunratice (Kunnersdorf), Horni Rasnice (Bärnsdorf an der Tafelfichte) und Hermanice (Hermsdorf). Gemeinsam mit Chrastava sollen sie die Hauptlast tragen.

In Sorge sind aber auch Orte in Nordmähren. Die Gemeinden fürchten um strategisch wichtige Grundstücke. In Mikulovice ( Niklasdorf) im Bezirk Jesenik (Freiwaldau) sollen auf betroffenen Grundstücken Häuser für Familien gebaut werden. Dagegen hat Krnov (Jägerndorf) selbst Grundstücke ausgesucht und angeboten.

In Chrastava handelt es sich um etwa 52 Hektar Waldfläche in Horni Vitkov (Ober Wittig). „Das Gebiet gehört laut alten Karten mindestens seit tausend Jahren zu Tschechien, die einzige Ausnahme war die Zeit von 1938 bis 1945“, sagt der Bürgermeister. Als er nun vom Innenministerium aufgefordert wurde, sich zur Übergabe zu äußern, hat er sich klar dagegen ausgesprochen. Die Grenze könne man nicht so einfach verschieben“, erklärt er der SZ. „Dazu müsste ein Verfassungsgesetz entstehen.“ Dem müssten aber drei Fünftel des Senats zustimmen. Eine endgültige Entscheidung ist deshalb nicht abzusehen,

Die Staatsgrenze Tschechiens hat sich seit 18 Jahren nicht verändert. 1997 haben Tschechien und die Slowakei zwei Dörfer, Sidonie und U Sabotu getauscht. Die Grenze zwischen Tschechien und Polen ist 762 Kilometer lang und bildet 23 Prozent der Gesamtlänge der Tschechischen Staatsgrenze.