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Großenhain: Therapie Schwerkranker mit den Fotos von Familienfeiern

Auf der neurologischen Intensivstation der Rehaklinik Großenhain werden Patienten nach Schlaganfall oder Schädelhirntrauma betreut. Dabei hilft auch die Intuition.

Von Ines Mallek-Klein
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Auf der Intensivstation der Reha-Klinik in Großenhain landen Patienten nach Schlaganfällen oder schweren Schädelhirntraumata.
Auf der Intensivstation der Reha-Klinik in Großenhain landen Patienten nach Schlaganfällen oder schweren Schädelhirntraumata. © Kristin Richter

Großenhain. Der Mann, der über den Gang der Reha-Klinik in Großenhain läuft, kennt das Haus. Vor drei Jahren war er hier Patient nach einem schweren Herzinfarkt. Sein Gehirn war minutenlang mit Sauerstoff unterversorgt. Schwere motorische und geistige Einschränkungen waren die Folge. Mittlerweile steht er wieder mitten im Leben, hat in seinen Job zurückgefunden. Geblieben sind nur ein paar Gedächtnislücken, die in die Zeit seiner Krankheit fallen. Die zu schließen, aber vor allem, um sich bei den Mitarbeitern in Großenhain zu bedanken, ist er gekommen. Das seien schon sehr emotionale Momente, erklärt Reni Frohberg, die Gemeinsam mit Claudia Gramsch als Physiotherapeutin auf der neurologischen Intensivstation arbeitet.

Die Patienten hier sind jenseits der 65, meist sogar über 80. Sie haben oft einen kurzen Aufenthalt in einer Akutklinik hinter sich und werden dann nach Großenhain verlegt. "Ihr Zustand ist akuter und instabiler", sagt Reni Frohberg. In der Großenhainer Klinik, die gemeinsam von den Elblandkliniken und der Recura-Gruppe betrieben wird, sollen sie wieder mobilisiert werden. Keine leichte Aufgabe, vor allem auch bei Postcovid-Patienten. Sie sind zu Beginn des Rehaverlaufs besonders schwer zu behandeln, weil an vielen Problemen gleichzeitig gearbeitet werden muss – motorisch, vegetativ, kognitiv. "Aber auch diese Patienten erholen sich überraschend gut", sagt Claudia Gramsch.

Paul Alber, Therapieleiter der Elbland Rehaklinik in Großenhain, im Austausch mit den Physiotherapeutinnen Reni Frohberg und Claudia Gramsch über ihre Arbeit auf der neurologischen Intensivstation einer Rehaklinik.
Paul Alber, Therapieleiter der Elbland Rehaklinik in Großenhain, im Austausch mit den Physiotherapeutinnen Reni Frohberg und Claudia Gramsch über ihre Arbeit auf der neurologischen Intensivstation einer Rehaklinik. © Elblandkliniken

Bis zu einer Stunde Therapie pro Tag

Zu dem Therapeutenteam gehören neben den beiden Physiotherapeutinnen noch zwei Logopäden, zwei Ergotherapeuten und ein Masseur. Wie viel Behandlung ein Patient pro Tag verträgt, hängt von seinem Zustand ab. In der Regel dauern die Therapien 45 bis 60 Minuten am Tag. Neben dem Austausch mit den Pflegern und Ärzten sei die Kommunikation mit den Patienten besonders wichtig. In erster Linie gehe es darum, den Menschen kennenzulernen, um die vorhandenen Ressourcen zu entdecken oder wenigstens zu erahnen, sagt Physiotherapeutin Gramsch. Das ist nicht leicht, denn nicht wenige Patienten sind sediert und können eingeschränkt oder gar nicht kommunizieren.

Erfahrungswerte spielen dann eine sehr große Rolle, sagt Reni Frohberg. Es gehe darum, kleine Zeichen, kleine Bewegungen wahrzunehmen. "Eine kurze Blickfixierung, ein Finger, der sich bewegt, oder ein Kopf, der sich leicht dreht – das alles hilft uns, Patienten besser einschätzen zu können", so die Therapeutin und ihre Kollegin ergänzt: "Ganz viel passiert natürlich auch über den Körperkontakt. Man probiert in Interaktion zu gehen und beobachtet und fühlt, ob der Patient reagiert und ob eine Reaktion reproduzierbar ist".

Angehörige können die Therapie unterstützen. Informationen über die Wohnsituation, das Berufsleben, aber auch über Hobbys des Patienten helfen, mit ihm in Kontakt zu treten und auch ihn zu motivieren, sagt Claudia Gramsch. Begleitet wird die Therapie von einer Musiktherapeutin. Die Patienten reagierten sehr unterschiedlich auf die Töne, einige sprechen gut darauf an, andere weniger. Was aber nahezu immer funktioniere, sei der Versuch Emotionen zu wecken. Dabei helfen unter anderem Fotos von Familienfeiern oder Urlauben.

Jede Menge Abwechslung am Krankenbett

Der Job auf der Intensivstation einer Reha-Klinik biete jede Menge Abwechslung, sagt Claudia Gramsch: "Es ist jeden Tag anders und man muss flexibel bleiben – das ist die schöne Herausforderung. Auch die medizintechnischen Gegebenheiten, mit denen man hier arbeitet, machen die Arbeit aufregend. Zwischen Beatmungsmaschine, dem Absaugen der Trachealkanülen, die unterschiedlichsten Geräte zum Trainieren der Atmung". Nicht immer ist klar, ob und wie das Leben für den Patienten weitergehen wird. Reni Frohberg erinnert sich an einen jungen Mann, keine 30 Jahre alt. Als er damals von Intensiv- auf Normalstation verlegt wurde, war nicht klar, ob er jemals wieder ein normales Leben wird führen können. Ein Jahr später kam er durch die Tür gelaufen als wäre nichts gewesen. "Und wir haben alle angefangen zu weinen", so die Physiotherapeutin.

Um Schicksalsschläge zu verarbeiten, helfe manchem der Glaube, aber auch der Austausch im Team. "Unsere Neuroteams fungieren als eine Art Supervision, in der jeder einbringen kann, was ihm gerade schwerfällt oder ihn belastet. Manchmal geht es auch in eine ganz andere Richtung, wenn wir Menschen palliativ begleiten. Ich glaube, dass es wichtig ist zu wissen, wie man selbst zum Leben, aber auch zum Sterben steht. Man braucht schon eine Stabilität, um nicht von den Emotionen und Gedanken umgehauen zu werden, die im Umgang mit Schicksalsschlägen auftauchen", sagt Claudia Gramsch.