SZ + Großenhain
Merken

Gerichtsbericht: Internet-Shopping mit Mamas Konto

Eine Großenhainerin steht wegen Betruges vor Gericht. Sie hatte bei Online-Einkäufen die Bankdaten ihrer Mutter angegeben. Ihre Anwältin setzt sich in besonderem Maße ein.

Von Manfred Müller
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Eine Großenhainerin hat versucht, sich großzügig vom Bankkonto ihrer Mutter zu bedienen.
Eine Großenhainerin hat versucht, sich großzügig vom Bankkonto ihrer Mutter zu bedienen. © 123rf

Riesa. Die eigentlichen Straftaten liegen schon vier, fünf Jahre zurück. Da hatte Nicole H. versucht, sich großzügig vom Bankkonto ihrer Mutter zu bedienen. Sie bestellte bei einem Online-Versand ohne deren Wissen Bekleidung, Küchenutensilien, Spielzeug, sogar Gartengeräte und gab dabei die Kontodaten der Großenhainerin an. Als sich die Betrügereien auf anderthalbtausend Euro summiert hatten, ging Kontoinhaberin zur Polizei und zeigte die Sache an.

Die Justiz tut sich aus gutem Grunde schwer, in solche Vorfälle innerhalb einer Familie einzugreifen. Zum einen, weil sie sich oft klären lassen, ohne gleich schwere Geschütze aufzufahren. Zum anderen können sich die Beteiligten oft gar nicht aus dem Wege gehen und müssen einander auch noch nach Jahren in die Augen sehen. Deshalb sieht das Gesetz für verwandte oder verschwägerte Personen ein Zeugnisverweigerungsrecht vor.

Auch im Falle von Nicole H. wollte das Riesaer Amtsgericht nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen. Obwohl die heute 30-Jährige insgesamt 19-mal auf Kosten ihrer Mutter eingekauft hatte, wurde das Verfahren zunächst gegen eine Geldauflage eingestellt. Dieser aber kam die Bürgergeldempfängerin nicht nach. Deshalb musste sie wieder auf der Anklagebank Platz nehmen. Diesmal bekam sie eine Verfahrenseinstellung mit der Auflage, Arbeitsstunden abzuleisten. Einen Teil davon absolvierte die Großenhainerin auch. Dann bekam sie ihr zweites Kind und erfüllte dadurch ihre Auflagen erneut nicht. Deshalb steht sie nun wieder vor Gericht.

Anwältin will für ihre Mandantin zahlen

Nicole H.s engagierte Anwältin versucht erneut, Staatsanwalt und Richter von einer Verfahrenseinstellung zu überzeugen. Ihre Mandantin habe einfach nicht das Einkommen, um Geldstrafen abzustottern. Und durch den Säugling auch nicht die Möglichkeit, gemeinnützige Arbeitsstunden abzuleisten. Im Übrigen sei die Justiz mit dem Fall jetzt schon mehrere Jahre beschäftigt. Es sei deshalb aus verfahrensökonomischer Sicht zu überlegen, ob man nicht endlich einen Schlussstrich zieht. Der Verteidigerin schwebt eine symbolische Geldauflage von 100 Euro vor – zahlbar sofort. Weil ihre Mandantin auch diesen Betrag nicht im Portemonnaie hat, ist die Anwältin bereit, ihn auszulegen.

Richter Alexander Schreiber hat zunächst Bauchschmerzen mit einer solchen Lösung. Er ruft die Mutter der Angeklagten in den Zeugenstand und fragt rundheraus, ob sie noch ein Interesse an der Strafverfolgung habe. Die Mutter verneint das. Darüber hinaus hat Nicole H. eine schriftliche Vereinbarung mit dem geschädigten Versandhändler getroffen. Sie darf den entstandenen Schaden in kleinen Raten abstottern – über insgesamt acht Jahre. Deshalb folgt das Gericht letztlich dem Antrag der Verteidigerin und stellt das Verfahren gegen eine Geldauflage von 100 Euro vorläufig ein.

Am Ende der Verhandlung kommt es zu der ungewöhnlichen Szene, dass die Verteidigerin dem Gerichts-Protokollanten einen entsprechenden Schein herüberreicht. Damit kann die Sache nun endgültig zu den Akten gelegt werden.