Warum der Kaufland-Prozess in die Verlängerung geht

Großenhain/Dresden. Rätselraten am Montag früh im Landgericht. Der mutmaßliche Täter im Prozess um den Einbruch im Großenhainer Kaufland vom September 2020 lässt auf sich warten. Reichlich eine Stunde nach dem geplanten Start wird er dann doch in den Saal geführt. In einen weißen Schutzanzug gehüllt, bricht er erstmals sein Schweigen. Er sei symptomfrei, es gehe ihm gut, sagt er.
Der Vorsitzende Richter Joachim Kubista klärt auf: In der Justizvollzugsanstalt, in der Marko S. einsitzt, gab es einen positiven Corona-Fall, sodass alle Häftlinge dort am Morgen erst einmal getestet werden mussten. Der weiße Anzug sei eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme.
Es ist nicht die einzige Verzögerung an diesem fünften Verhandlungstag, der eigentlich auch der letzte in diesem aufwendigen Prozess sein sollte. Doch die Verteidiger von Marko S. hatten schon in der Vergangenheit mit überaus spitzfindigen Anträgen die Beweisaufnahme immer mehr in die Länge zu ziehen versucht - und so ist es auch diesmal. Als der Vorsitzende Richter gerade drei Anträge vom vierten Tag zurückgewiesen hatte, folgten neue vonseiten der Verteidiger. Ein Knackpunkt: Fünf neue vermeintliche Zeugen sollen aussagen, dass sie den Angeklagten in der Nacht vom 5. zum 6. September 2020 - also zur Tatzeit - bei einem Musikfestival in Landsberg im Saalekreis gesehen haben.
Unverständnis zunächst bei der Staatsanwältin. "Warum kommt dieser Antrag erst jetzt?", fragt sie. Nach ihrer Auffassung gebe es keine begründete Vermutung, dass diese Zeugen sachdienliche Auskünfte geben können. Auch weitere Anträge zum Inhalt von Aufnahmen einer Videokamera im Kaufland-Eingangsbereich sowie dort nach dem Einbruch gefundenen Trennscheiben seien aus ihrer Sicht zurückzuweisen.
Richter Kubista sieht das ebenso, wirft der Verteidigung vor, alles tröpfchenweise vorzubringen. Ihm dränge sich das Gefühl auf, dass die Verteidigung "verhindern will, dass hier ein Urteil gesprochen wird", sagt er. Doch die lässt nicht locker, beantragt nach einstündiger Verhandlungspause erneut die Vorladung der Zeugen. Es hätten sich innerhalb dieser kurzen Zeit neue "Erkenntnisse" ergeben. Ausgangspunkt war offenbar ein eiligst geführtes Telefonat mit einer S. nahestehenden jungen Frau, die vor Gericht bereits gehört wurde. Die Verteidiger selbst, so beteuern sie, hätten mit den neuen Zeugen in der Pause aber nicht gesprochen.
Die Staatsanwältin bezeichnet dieses Vorgehen als "schleierhaft", erneuert ihren Vorwurf einer Verschleppungsabsicht. Und auch Richter Kubista erneuert seine Meinung, dass Tröpfchen auf Tröpfchen vorgebracht werde, um das Prozessende hinauszuzögern. Nach wiederum einstündiger Pause entscheidet er dennoch, dass die Zeugen geladen werden. Auch wenn die genauen Wohnanschriften eines Teils von ihnen noch nicht bekannt sind. Offenkundig leben alle in Sachsen-Anhalt, so wie auch der Angeklagte Markus S.
Worum es in dem Prozess eigentlich geht, gerät angesichts der Verwirrungen fast in Vergessenheit. Der Vorwurf gegen Markus S. aber bleibt. Er ist angeklagt, im September 2020 – wahrscheinlich mit einem oder mehreren Komplizen – über das Dach in das Einkaufszentrum eingestiegen zu sein. Dort wurde ein Geldautomat aufgebrochen. Das darin befindliche Bargeld in Höhe von rund 122.000 Euro ist seitdem verschwunden. Zusätzlich entstand am Geldautomat ein Schaden von knapp 25.000 Euro. Kaufland beklagt zudem 10.000 Euro Schaden an seiner Einrichtung.
Drei weitere Verhandlungstage sind nunmehr anberaumt. Ob es dann am 28. Februar tatsächlich einen Richterspruch geben wird, muss ins Reich der Spekulationen verschoben werden.