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"Windräder würden unsere Landschaft verschandeln"

Die CDU-Kreistagsfraktion um Großenhains Stadtbaudirektor Tilo Hönicke spricht sich gegen den neuen Weg aus. Und wirbt für Gespräche mit dem Ministerpräsidenten.

Von Catharina Karlshaus
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Das Thema Windkraftanlagen ist Großenhains Stadtbaudirektor Tilo Hönicke gut vertraut. Nun macht sich der CDU-Kreisrat mit seiner Fraktion für eine umsichtige Planung im Landkreis Meißen stark.
Das Thema Windkraftanlagen ist Großenhains Stadtbaudirektor Tilo Hönicke gut vertraut. Nun macht sich der CDU-Kreisrat mit seiner Fraktion für eine umsichtige Planung im Landkreis Meißen stark. © Norbert Millauer

Landkreis. Manchmal muss er sich selbst kneifen. Denn all das, was Tilo Hönicke in seiner Eigenschaft als Großenhainer Stadtbaudirektor vor gut zehn Jahren schon einmal erlebt hat, macht ihm seit Wochen erneut zu schaffen. Immerhin hat der sächsische Freistaat 2021 den Regionalplan für das Obere Elbtal/Osterzgebirge genehmigt und will nun mit einer Gesetzesvorlage die Abstände von Windkrafträdern zu Wohnhäusern neu regeln. Windräder müssen demnach künftig mindestens 1.000 Meter Abstand zu den nächsten Wohngebäuden haben.

Für Tilo Hönicke alles nicht weitreichend genug. Der 62-jährige Kreisrat hat bereits in der Vergangenheit nie einen Hehl daraus gemacht, dass er sich nicht unbedingt Windkraftanlagen für das Großenhainer Land wünschen würde. Ganz im Gegenteil! Am vergangenen Dienstag brachte der Kreisrat und Mitglied des Technischen Ausschusses im Auftrag der CDU-Kreistagsfraktion nun einen besonderen Antrag ein. Was es damit auf sich hat und wieso Landrat Ralf Hänsel mit der Staatsregierung in Kontakt treten soll, erfuhr chsische.de im Gespräch mit Hönicke.

Herr Hönicke, die AfD-Fraktion hatte im Dezember angekündigt, sich mit einem Antrag ans Landratsamt Meißen dafür einsetzen zu wollen, einen Mindestabstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung gesetzlich verankern zu lassen. Die Landesregierung brachte genau diesen wichtigen Punkt ohnehin in ihrer Kabinettssitzung im Januar auf den Weg. Was will jetzt also die CDU-Kreistagsfraktion?

Einerseits ist der Antrag der AfD, welcher erst in der Sitzung des Technischen Ausschusses am 1. Februar behandelt werden hätte können, inhaltlich überholt. Wie Sie bereits angedeutet haben, hat die Landesregierung in ihrer Gesetzesvorlage zur Änderung der Sächsischen Bauordnung genau diesen Passus mit aufgenommen. Eine Regel, die für fünf oder mehr Wohngebäude gelten soll. Vom Mindestabstand könne abgewichen werden, wenn bestehende Anlagen umgerüstet werden. Auch auf Wunsch von Städten und Gemeinden dürfe der Abstand dann künftig unterschritten werden. Und das ist andererseits genau der Punkt, welcher so gar nicht unseren Intensionen entspricht. Vielmehr haben wir arge Bauchschmerzen, wenn wir uns vorstellen, welche Möglichkeiten sich jetzt vielleicht eröffnen.

Es scheinen jene zu sein, mit denen sich die Großenhainer schon einmal gezwungen waren, aktiv auseinanderzusetzen. Befürchten Sie jetzt wieder das Windrad als neuen, unübersehbaren und rumorenden Nachbarn?

Wenn ich ehrlich bin, tut das unsere Kreistagsfraktion! Uns ist selbstverständlich klar, dass die viel beschworene und von der neuen Bundesregierung wortreich eingeforderte Energiewende nicht nur theoretisch vollzogen werden kann. Das sind wir den nachfolgenden Generationen schuldig, denn freilich muss der Strom oder die Wärme irgendwo herkommen, auch dann noch, wenn die Reserven an fossilen Brennstoffen in etwa hundert Jahren aufgebraucht sind beziehungsweise der Einbau einer Öl- und Gasheizung zum 1. Januar 2025 praktisch verboten sind. Keine Frage! Natürlich braucht es dafür intelligente alternative Lösungen, wobei für mich die Betonung auf intelligent liegt. Ich selbst halte beispielsweise den viel gepriesenen Ausstieg aus der Atomkraft für eine absolute Fehlentscheidung. Während Deutschland in der Neujahrsnacht drei Meiler abschaltete und seine restlichen drei Ende 2022 stillgelegt, ging Ende Dezember 2021 in Finnland der erste Neubau in Europa seit 2007 in Betrieb. Weitere in Frankreich, Tschechien, den Niederlanden und Polen nahe der deutschen Grenze werden folgen. In einer Zeit, wo die EU die Atomkraft als grüne Technik einstuft und fördert, gibt Deutschland Milliarden für den Ausstieg aus und setzt ausschließlich auf Solar und Windkraft. Das ist doch absolut paradox.

Ein namhafter Großenhainer Unternehmer bekannte kürzlich in einem Gespräch, er hätte lieber ein Atomkraftwerk neben seinem Grundstück als einen Windpark. Können Sie das verstehen?

Ich verstehe es insofern, als dass sich besagtes Atomkraftwerk im wahren Leben sicherlich nicht nur gut tausend Meter neben einem Wohnhaus nebst Terrasse befinden wird. Bei Unfällen innerhalb eines solchen Unternehmens könnte freilich Radioaktivität austreten, die Gebiete unbewohnbar machen, das Krebsrisiko erhöhen und so weiter. Aber das ist jetzt gar nicht der Punkt! Ich glaube einfach, dass wir nicht um Großkraftwerke herumkommen, denn es wird Phasen geben, an denen es nicht so stürmt wie in den letzten Tagen oder selten die Sonne wie im vergangenen Monat scheint. Eine natürliche Lücke, die Stromspeicher kaum schließen können.

Weshalb bereitet Ihnen die Errichtung von Windrädern nun aber so große Sorgen?

Das ist ganz einfach: Sie verschandeln unsere Landschaft! Sie würden wichtige Sichtachsen in der Lommatzscher Pflege oder dem Großenhainer Land zerstören. Sie dringen in den natürlichen Lebensraum von Mensch und Tier ein. Überlegungen, denen sich die Bewohner rund um den Großenhainer Ortsteil Strauch schon einmal im Jahr 2012 stellen mussten. Glücklicherweise wurde nach vielen Einwendungen und Protesten der damals geplante Windpark wieder aus dem Regionalplan gestrichen. Aber nun droht die Gefahr erneut. Ich weiß von einigen Grundstückseigentümern, dass sie schon Vorverträge mit einschlägigen Anbietern unterschriftsreif in der Schublade liegen haben. Rund um Großenhain, aber auch in anderen Teilen des Landkreises Meißen.

Herr Hönicke, glauben Sie wirklich, die Entwicklung ist noch aufzuhalten?

Nein. Und das muss sie auch gar nicht! Aber wir haben Landrat Hänsel beauftragt, noch einmal mit Ministerpräsident Michael Kretschmer zu sprechen. Es ist uns wichtig, dass der von Landwirtschaft und Wald geprägte Charakter des Landkreises Meißen berücksichtigt und erhalten bleibt. Wir sind eindeutig gegen den Weg, der jetzt gesetzlich geebnet wird. Wir wollen Windkraftunternehmen nicht Tür und Tor öffnen. Es gibt Menschen, die seit Generationen in der Region beheimatet sind. Und egal, ob in Meißen, Radebeul, Riesa oder Großenhain sich auch weiterhin dort ungestört zu Hause fühlen sollen.