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Haftpflicht für Asylbewerber?

Bauen sie einen Unfall, bleiben Geschädigte auf den Kosten sitzen. Der Landkreis Meißen lehnt eine Versicherung ab.

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© dpa

Von Jürgen Müller

Landkreis. Fast hätte es geklappt. Christian Günthel aus Coswig sieht es schon krachen in einem Kreisverkehr in Meißen. Ein Asylbewerber war mit dem Fahrrad in entgegengesetzter Richtung in einen Kreisverkehr eingefahren. Nur mit einer Notbremsung konnte ein Unfall verhindert werden. „Der Asylbewerber meinte dazu in gebrochenem Deutsch, dass ihm die Verkehrsregeln unbekannt sind“, sagt der Coswiger. Im Zusammenhang mit diesen Fast-Verkehrsunfall fragt er: Wer haftet bei einem durch Asylbewerber verursachten Unfall?

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages äußert sich zu diesem Problem dahingehend, dass der Bund keine Veranlassung sieht, zu diesem Problem aktiv zu werden, wie zum Beispiel mit einer allgemeinen Haftpflichtversicherung für Asylbewerber. Er überlässt es den Landes- und Kommunalbehörden, sich diesem Problem zu widmen (WD 6 - 3000 - 124/16).

Nach geltender Rechtsauffassung bleibt der betroffene Bürger auf den Kosten sitzen, wenn der Asylbewerber weder versichert ist, noch mit eigenen Mittel den Schaden begleichen kann. Das bestätigt auch Holm Felber, Pressesprecher der Landesdirektion Sachsen: „Es handelt sich um ein rein zivilrechtliches Thema; dafür ist keine Behörde zuständig, außer der Polizei natürlich, die den Unfall - einschließlich der für die Klärung der Schuldfrage wesentlichen Umstände - aufnehmen müsste.“ Ein eventueller Schadenersatzanspruch sei gegen den Verursacher des Schadens persönlich geltend zu machen, so die Landesdirektion Dresden.

Das könnte allerdings schwierig werden. „Hat der Radfahrer keine Versicherung und ist er auch sonst mittellos, bleibt der Geschädigte auf seinem Schaden sitzen“, sagt der Meißner Rechtsanwalt Wolfgang Tücks. Das sei allerdings nichts Ungewöhnliches und gleich gar kein Problem von Asylbewerbern. „Die Rechtslage ist nicht anders, als wenn ein Deutscher mit dem Rad falsch in den Kreisverkehr einfährt und es dort zu einem Unfall kommt“, so der Anwalt zu dem konkreten Fall. Da gäbe es keinen Unterschied – ob es sich nun um Flüchtlinge handelt oder um Bürger, die sich aufgrund des fehlenden Geldes nicht in der Lage sehen, eine Versicherung abzuschließen: Die Konsequenzen sind gleich.

Ein Unterschied zwischen Deutschen und Ausländern werde nicht gemacht, sagt auch Geert Mackenroth. Er ist nicht nur Richter a.D., sondern auch Ausländerbeauftragter des Freistaates Sachsen und zugleich Landesvorsitzender des Weißen Ringes, einer Organisation, die Opfern von Straftaten hilft. „Es gibt keine allgemeine Haftpflichtversicherung für Asylbewerber. Das ist auch richtig so, denn ansonsten gäbe es eine Ungleichbehandlung gegenüber Deutschen, die sich in einer ähnlichen wirtschaftlichen Situation befinden. Es wäre nicht vermittelbar, wenn der Staat für Ausländer eine Haftpflichtversicherung abschließen und bezahlen würde, für Deutsche aber nicht“, so Mackenroth. Für eine solche Ungleichbehandlung finde sich keine politische Mehrheit. Als Ausländerbeauftragten sei es ihm wichtig, dass Asylbewerber nicht besser behandelt würden als Deutsche. „Sonst ist es vorbei mit der Akzeptanz.“

Möglich ist es allerdings, dass Kommunen Haftpflichtversicherungen für Flüchtlinge abschließen. Einige Versicherer bieten seit einiger Zeit kommunale Haftpflichtversicherungen für Flüchtlinge über eine Trägerschaft der Kommunen an. „Die Kommunen können sich dazu entscheiden, damit alle Geflüchtete unter ihrer Verwaltung kollektiv zu einem Pro-Kopf-Pauschalbetrag unter den Schutz einer Haftpflichtversicherung zu stellen. Derzeit beteiligen sich noch nicht viele Kommunen an diesem Angebot, und es gibt hier auch keine verbindliche Vorschrift“, sagt Markus Guffler von der Geschäftsstelle des Sächsischen Ausländerbeauftragten.

So hat beispielsweise der Landkreis Miesbach in Oberbayern als eine der ersten Kommunen rund 770 Flüchtlinge versichert, wie die Augsburger Allgemeine Zeitung berichtete. Bei den Sammelversicherungen handele es sich um spezielle Pakete für Gemeinden. Der Allianz-Konzern habe ein entsprechendes Angebot auf den Markt gebracht. Zwischen drei und fünf Euro koste dort der monatliche Schutz pro Flüchtling. Auch der Versicherer GVV-Kommunal biete ein ähnliches Angebot. Im Landkreis Meißen gibt es eine solche Versicherung nicht. „Bei einer privaten Haftpflichtversicherung handelt es sich nicht um eine gesetzlich vorgeschriebene Pflichtversicherung. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung obliegt daher jedem selbst“, so Barbara Schwedler, Leiterin des Ausländeramtes.

Ein klein wenig Hoffnung gibt es aber für Geschädigte. Nach einer Satzungsänderung des Weißen Ringes sei es jetzt in extremen Ausnahmesituationen möglich, dass auch bei fahrlässigen Taten den Geschädigten geholfen werden könne. Bisher gab es Hilfe nur bei Vorsatztaten, so Mackenroth. Eine weitere Möglichkeit, sich vor zahlungsunfähigen Schadenverursachern zu schützen, ist eine Forderungsausfalldeckung, die einige Versicherer als Bestandteil einer Haftpflichtversicherung anbieten. Sie übernimmt im Fall eines zahlungsunfähigen Verursachers die entstandenen Kosten, so Markus Guffler.