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Haltestelle mit Lesestoff

In Glashütte hat der zweite offene Bücherschrank geöffnet. Für die Nutzer gibt es nur eine Bedingung.

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© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Glashütte. Ein Hingucker ist die Haltestelle am Johnsbacher Buswendeplatz nicht gerade. Dennoch kommen in letzter Zeit immer mehr Johnsbacher hierher. Und das liegt an Christine Kirschleder.

Wer will, kann sich hier Bücher mitnehmen.
Wer will, kann sich hier Bücher mitnehmen. © Egbert Kamprath

Die 63-Jährige hat im Häuschen eine Tauschbibliothek angelegt. Das Prinzip ist einfach: Jeder kann hier die Bücher mitnehmen, die ihn interessieren. Bezahlen muss er sie nicht. Es gibt nur eine Gegenleistung, die erwartet wird: Wer Bücher mitnimmt, sollte im Gegenzug ausrangierte Bücher ins Regal stellen. „Bisher funktioniert das ganz gut“, sagt die Johnsbacherin. Und Ortsvorsteher Udo Herm (Wählervereinigung) ist begeistert. „Der offene Bücherschrank wird gut angenommen.“ In der Haltestelle sieht es ordentlich aus, ergänzt er. Und auch dafür sorgt Christine Kirschleder. Zweimal pro Woche kommt sie in das Wartehäuschen, um nach dem Rechten zu schauen. Hin und wieder muss sie ein Buch um- oder aussortieren, weil es am falschen Platz steht oder der Zustand zu schlecht ist. Der zeitliche Aufwand halte sich in Grenzen, sagt die Johnsbacherin. Die meisten halten sich an das Ordnungssystem, das sie angelegt hat und das Orientieren erleichtern soll. Kleine Schildchen weisen daraufhin, in welchem Fach die Krimis, die Kinderbücher, die Ratgeber und die Nachschlagewerke stehen.

Christine Kirschleder ist zufrieden. So hatte sie sich ihren offenen Bücherschrank vorgestellt. Die Anregung, so eine Einrichtung in ihrem Heimatdorf einzurichten, kam ihr bei einem Urlaub an der Nordsee. Dort entdeckte sie eine Bücherausleihstation. Das könnte Johnsbach, wo es keine öffentliche Bibliothek gibt, auch gebrauchen, sagte sie sich. Und sie hatte eine Idee, wo so ein Bücherstand eingerichtet werden sollte: im Lebensmittelladen des Dorfes. Doch der Plan ging nicht auf, weil dessen Betreiber wenig später aufgab und seinen Laden schloss. Christine Kirschleder suchte nach Alternativen. Und dabei kam sie auf die Haltestelle, die sich unweit ihrer Wohnung befindet. Da ihr das Gebäude nicht gehört, fragte sie in der Glashütter Stadtverwaltung und beim Ortschaftsrat nach, ob die „Umnutzung“ möglich ist. Von beiden Seiten gab es grünes Licht. Im Internet schaute sich Christine Kirschleder nach passenden Möbeln um. In einem Kleinanzeigenportal entdeckte sie einen Schrank und ein Regal zu einem erschwinglichen Preis. Sie kaufte beide Möbel, ließ sie von ihren Söhnen nach Johnsbach bringen und in der Haltestelle aufstellen. Das sei ein Kraftakt gewesen, da sich der Schrank nicht auseinanderbauen ließ, erinnert sich Christine Kirschleder. Nachdem Schrank und Regal standen, wurden sie von Christine Kirschleder mit Büchern bestückt. Davon hat die Johnsbacherin, die viele Jahre als Montagearbeiterin bei den Sachsenküchen gearbeitet hat, jede Menge. Am liebsten liest sie Bücher über Schicksale. „Seifenopern mag ich gar nicht“, sagt sie. Trotz ihres Buchreichtums wollte sie die Schränke nicht komplett bestücken. Es sollte eine Ausleihstation von Johnsbachern für Johnsbacher werden. Deshalb stellte sie nur 20 Bücher hinein. Längst sind es viel mehr geworden.

Schon das zweite Angebot dieser Art

Das zeigt: Der offene Bücherschrank in Johnsbach funktioniert. Damit gibt es im Glashütter Stadtgebiet zwei derartige Angebote. Den Anfang machte der Hausdorfer Kultur- und Heimatverein, der Ende des letzten Jahres ein ähnliches Angebot im Hausdorfer Wartehäuschen geschaffen hat. Hier kümmern sich Gabriele Böhme und Ulrike Hoppe um die Ordnung. Katrin Goldbeck, Leiterin der Glashütter Stadtbibliothek, sieht diese Angebote keineswegs als Konkurrenz, sondern als Ergänzung. „Vielleicht findet der ein oder andere Leser zu uns“, sagt sie. Gegenwärtig hat ihre Bibliothek 350 aktive Leser. Die meisten wohnen in Glashütte. Aus Johnsbach sind fast nur die Kinder angemeldet. Die besuchen die Bibliothek im Fiebig-Haus oft mit der Hortgruppe. Ältere Leser aus Johnsbach kommen eher selten in ihre Bibliothek. Von daher ist es gut, dass sie nun ein Angebot vor Ort haben. „Eine Haltestelle als Standort ist ideal“, sagt Frau Goldbeck. Nach ihrer Erfahrung lesen die Leute immer noch gern. Allerdings mögen sie lieber neuere Bücher. Das sei auch ein Kriterium, wenn sie Bücher angeboten bekommt. „Die Leute scheuen sich, Bücher wegzuschmeißen und versuchen daher, ältere Exemplare zu verschenken. „Alte Bücher nehme ich aber eher nicht an.“ Und so ähnlich sollte es auch mit den Bücherschränken sein, sagt Frau Goldbeck.

In Hausdorf wurde darauf schon reagiert. Ein Schildchen weist darauf hin, das Spender nur Bücher einstellen sollen, die nach 1990 erschienen sind. In Johnsbach klappt es bisher ohne diesen Hinweis. Fast alle Bücher sind neueren Datums.