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Handwerksgesellen schlagen auf

Rund 40 Tippelbrüder aus ganz Europa kommen am Montag beim 22. Steintreffen in Miltitz zusammen. So was hat hier Seltenheitswert.

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© Helmut Schippel

Von Helmut Schippel

Miltitz. Vom 6. Juni an wird eine große Anzahl von Handwerksgesellen aus ganz Europa, die unterschiedlichsten Handwerksberufe vertreten, im Steinbruch Miltitz leben und arbeiten. Ihr Treffen wird zeitgleich mit der regionalen Veranstaltung „Oberlausitzer Kunst-Bus“ am Wochenende 18./19. Juni enden. Mit den beiden Wandergesellen und Organisatoren des 22. Steintreffens, Cord Küddelsmann aus Vierde in der Lüneburger Heide und Konstantin Riedel aus Wolfenbüttel kam der SZ-Berichterstatter ins Gespräch.

Zum Beispiel zur Frage, wer die beiden Hauptakteure des Treffens eigentlich sind. Cord ist Jahrgang 1989 und absolvierte daheim eine Lehre als Steinsetzer. Danach arbeitete er drei Jahre in artfremden Berufen, um sich weitere Kenntnisse als Schlosser und Tiefbauarbeiter anzueignen. „Seit dem 7. Juni bin ich auf der Walz, also ein Wandergeselle“. Im Oktober werde er nach über drei Jahren von mehreren Gesellen geleitet wieder zu seinen Eltern zurückkehren; so ist es Sitte. „Die drei Jahre habe ich arbeitend und reisend in der Schweiz, Österreich, Dänemark, Ungarn und Mittelamerika verbracht.“ Nie durfte er sich weniger als 50 Kilometer seinem Heimatort nähern. Einen Kontakt mit daheim erlaubte nur das Internet-Café, eine Postkarte oder ein fremdes Handy.

Konstantin stammt aus Stadt mit dem Jägermeisterhauptsitz. Er wurde 1992 geboren, ging wie üblich zehn Jahre zur Schule und erlernte dann in drei Jahren den Beruf des Landschaftsgärtners. „Im Herbst 2013 durfte ich abreisen.“ Wer auf die Walz gehe, müsse unter 30 Jahre alt, ledig, kinderlos, schuldenfrei und nicht vorbestraft sein und müsse den Gesellenbrief einer Handwerkskammer besitzen. „Meine Reise, die von Arbeit und neuen Berufserfahrungen geprägt ist, führte mich bisher nach Österreich, in die Schweiz, nach Italien, Frankreich und bis Gran Canaria.“ Sein Wanderbuch könnte er im September zuklappen, doch werde er voraussichtlich weiterhin auf der Walz bleiben. „ Cord habe ich auf dem 21. Steintreffen kennengelernt. Relativ spontan haben wir damals die gemeinsame Aufgabe des Folgetreffens übernommen.“ Mit einem dritten Mann, er realisiert die Nachbereitung, sei man also die sogenannte „Vorbereitungscombo“, was wohlweislich kein „Komitee“ sei.

Voneinander lernen

Wie aber sind die Tippelbrüder auf Nebelschütz als Treffpunkt gekommen? Das 14-tägige Steintreffen wende sich an Gesellen aller Berufe, vornehmlich aber an jene, die mit Steinen umgehen. Das sind zum Beispiel Maurer, Steinmetze, Steinsetzer und Landschaftsgärtner. „Bekannt ist uns auch das Metalltreffen mit sieben Tagen. Und beim Treffen der Sommerbaustelle, das sechs Wochen dauert, treffen sich auch mehrere Gewerke, um recht gewichtige Projekte anzugehen.“ Beim Steintreffen hingegen wolle man vor allem andere Gesellen kennenlernen und aus handwerklicher Sicht voneinander profitieren. „Manch überlieferte Handwerksleistung und alte Techniken sind erhaltenswürdig.“ Wo man auch hinkomme, überall verwirkliche man soziale Projekte im Interesse von Krankenhäusern, Stiftungen, Gemeinden oder gemeinnützigen Vereinen. „Das ist hier im Steinbruch nicht anders. Wir werden 40, wahrscheinlich noch mehr Gesellen sein, die eine massive Sommerküche plus Pizzaofen errichten und zudem einen dekorativen Sicherungszaun an den Rändern der eigentlich zwei Steinbrüche installieren.“

Cord habe im Vorjahr in Frysolte (Friesland) beim Metalltreffen durch Zufall vom Bildhauerverein Steinleicht mit Sitz in Nebelschütz erfahren, insbesondere von dessen Tradition der jährlichen Bildhauerwerkstatt. „Das Ambiente des Steinbruchs hat uns sofort beeindruckt.“ Die Steine für die Sommerküche und den großen Ofen stammen vom Bauhof der Gemeinde Nebelschütz – das Vorauskommando habe schon die Fundamente gegossen. Zement, Kalk und weitere Steine spenden hiesige Baubetriebe. Metallverarbeitende Unternehmen der Umgebung und Schrotthändler liefern das Material für den Zaunbau. Es werden ausreichend Metaller am Treffen teilnehmen. „Wenn wir uns vom Steinbruch verabschieden wird nicht nur die Beköstigung dank der Sommerküche bei künftigen kulturellen Veranstaltungen dem Verein und der Gemeinde leichter fallen, es wird dann auch die Absturzgefahr im Steinbruch beseitigt sein.“

Persönliche Herausforderung

Die Logistik des 22. Steintreffen bleibt freilich große Herausforderung für die „Organisationscombo“, auch finanzieller Art. Das Treffen basiert schließlich allein auf Spenden, also Sach- oder Geldzuwendungen. „Wir beide sind schon seit mehreren Wochen zeitweilig vor Ort, haben sehr viele Unternehmen aufgesucht und eigentlich überall Unterstützung erfahren.“ Diese reiche aber noch nicht aus. Aktivität seien weiterhin vonnöten. „Wir sind jeder spendenden Person und jedem helfenden Betrieb dankbar, die uns ab dem 6.Juni im Steinbruch antreffen oder die uns über die Gemeinde Nebelschütz (03578/301006) erreichen können,“ Jedermann sei eingeladen, die Tippelbrüder zu besuchen. Wandergesellen in so großer Zahl sieht und erlebt man nicht aller Tage.

Und wenn sich jetzt ein junger Mensch mit dem Gedanken trage, ein Wandergesell zu werden, was sagen die beiden Steintreffen-Organisatoren dann? Sie machen Mut zu diesem Schritt. „Der Herausforderung, drei Jahre fern der Familie und der Heimat zu leben, muss sich jeder freilich ganz persönlich stellen.“ Man müsse sich selbst finanzieren, wobei der Reiseeffekt hinter dem Broterwerb zurück stehe. „Wo man am Abend unterkommt, ist am Morgen oft nicht abzusehen. Andererseits steht jeder Wandergeselle stets für den anderen ein.“ Die Solidarität untereinander sei hoch. Daneben gelte, dass man bis 25 familienversichert sei. „Uns ist der ortsübliche Mindestlohn oder mehr zu zahlen. Und wir haben einen guten Ruf. Wo unsere Wanderwege verlaufen, gibt es kulante Herbergen. Dort und in Gaststätten finden sich oft Aushänge mit Arbeitsangeboten. Wir beide werden unsere Wanderjahre nie bereuen.“