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Hasen-Produktion bei 32 Grad

Zu DDR-Zeiten war Schokolade aus der Lausitz in aller Munde. Nach der Wende kam der Bruch. Dank eines Investors liefert die sächsische Fabrik heute Osterhasen bis nach Übersee.

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© dpa

Miriam Schönbach

Oderwitz. Das Schoko-Langohr bringt an diesem Tag rund 70 Gramm auf die Waage. Gütekontrolleurin Janet Blum greift in die Kiste mit 150 Hasen-Hohlkörpern. Nur fehlerfreie Figuren mit dem richtigen Gewicht lässt die Mitarbeiterin der Kathleen-Schokoladenfabrik im sächsischen Oderwitz (Kreis Görlitz) passieren. In dem traditionsreichen Betrieb - in der DDR der einzige Hersteller von Osterhasen, Weihnachtsmännern und Co. - werden derzeit für das Osterfest täglich 24 Tonnen Schokolade verarbeitet.

In der Schokoladenabteilung herrschen tropische 32 Grad. Große Knetmaschinen verarbeiten Zucker, Milchpulver, Kakaobutter und Kakaomasse zunächst zu einem Brei. Das Geheimnis sind die Conchiermaschinen. Sieben Rührwerke drehen in den Geschmacksrichtungen Vollmilch und Zartbitter ihre Runden.

Werkleiter Matthias Bringezu schließt die Tür zum dröhnenden Produktionsbereich. Seit zwei Jahren leitet der 42-Jährige den Betrieb, der zur Riegelein-Gruppe gehört - einem Familienunternehmen aus dem fränkischen Cadolzburg. Viele seiner Mitarbeiter dagegen gehen bereits seit drei Generationen durchs Werktor.

Die Gebrüder Rolle holten 1926 die Schokoladenproduktion in das heutige Dreiländereck Tschechien-Polen-Deutschland. Die Kakaobohnen wurden säckeweise aus den Überseehäfen in die Oberlausitz gebracht. Heute kommen sie zuerst in große Röstereien in Deutschland oder den Niederlanden. Angebaut wird der kostbare Rohstoff in West-Afrika. „Mit der Osterproduktion in diesem Jahr sind alle Artikel unter der Marke Riegelein auf fair gehandelten Kakao umgestellt“, so Bringezu. 2010 begann die Firma mit der Umstellung auf fair gehandelten Kakao.

„Wickelsaal“ steht in großen Buchstaben auf der nächsten Tür. Durch Rohre passiert die 50 Grad warme Schokolade die Station. „Der Schmelz entsteht durch das Congieren, den Glanz und den Knack bekommen wir hin, indem jetzt das Produkt auf 25 Grad vorsichtig heruntergekühlt wird“, sagt Bringezu. Auf dem Fließband laufen Figuren mit Hasenschnauze und Hasenschwänzchen. Im Takt füllt der Automat die temperierte Schokolade in zusammengeklappten Kunststoffformen. Nach einem zehnminütigen Schleudergang in Zeitlupe sitzt in jeder Ecke die Süßigkeit. Danach geht es in den Kühlturm.

Zur Hochzeit arbeiten in Oderwitz 200 Angestellte sowie 80 Saisonkräfte in drei Schichten. Von Drei-Gramm-Ei bis zum 300-Gramm-Weihnachtsmann werden in der Kathleen-Schokoladenfabrik jährlich 6 000 Tonnen Schokolade produziert. Dahinter verbergen sich mehrere Millionen Figuren zur Oster- und Weihnachtszeit. Ein Großteil bleibt in Europa, aber auch Kunden in Australien, Neuseeland, China und Amerika werden mit Hohlkörperfiguren aus Sachsen beliefert.

Nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrien in Bonn wurden 2016 in Deutschland rund 1,12 Millionen Tonnen Schokolade hergestellt. Die Hälfte der in Deutschland produzierten Süßwaren gehen in den Export. Zu den Hauptabnehmerländern zählen Frankreich, Großbritannien, Österreich, die Niederlande und Polen. Wichtige Märkte seien aber auch die Schweiz, die Russische Föderation, China, Türkei, Hongkong und Norwegen, so eine Sprecherin.

Eine Produktion für viele diese Länder war in der DDR undenkbar. Der VEB Bergland als Teil des VEB Süßwarenkombinats war bis 1989 zwischen Rügen und dem Fichtelberg der einzige Hersteller von Schokofiguren. Zu Spitzenzeiten produzierten etwa 350 Mitarbeiter rund 4 000 Tonnen pro Jahr. Nach der Wende kam der Bruch. Die Menschen wollten Milka statt Schokolade aus Oderwitz. Nur knapp 70 Mitarbeiter blieben in der Produktion übrig. Zwei Unternehmen meldeten Interesse an: ein Schweizer Schokoladenhersteller sowie Riegelein.

Das Konzept der fränkischen Schokoladen-Confiserie überzeugte in Oderwitz. Der Investor koppelte seine Pläne an das Versprechen, wieder mehr Mitarbeiter einzustellen. Ein moderner Maschinenpark und gut ausgebildete Fachkräfte aus DDR-Zeiten ermöglichten dem Investor eine sofortige Weiterproduktion. Bringezu spricht von einem „nahtlosen Übergang.“ Riegelein musste nur eigene Hohlkörper-Formen mitbringen, die bis heute auf den Maschinen laufen.

Eigenen Angaben zufolge hat das Unternehmen bisher rund 13 Millionen Euro in seinen zweiten Produktionsstandort Oderwitz investiert. 2017 fließt ein mittlerer sechststelliger Betrag in eine Wasseraufbereitungsanlage. „Künftig kühlen wir mit Brunnenwasser“, berichtet Bringezu. Oderwitz ist neben dem tschechischen Jablonec und dem Hauptsitz der Riegeleien-Gruppe ein weiterer Produktionsstandort. Insgesamt beschäftigt das Familienunternehmen rund 700 Mitarbeiter.

In Oderwitz etwa werden 300 verschiedene Artikel gefertigt. Neben den 6 000 Tonnen Schokolade laufen auch 2 500 Tonnen Fondant und Gelee vom Band. Bekannt ist auch der Oberlausitzer Schokobecher. Deutsche Schokoladenprodukte der Marke Riegelein werden in über 50 Länder exportiert - etwa nach Österreich, in die Schweiz und nach Frankreich, nach Osteuropa, in die USA, nach Australien, Südafrika und China. Die Exportquote beträgt rund 30 Prozent.

Die Hasen aus der Schicht von Andrea Israel bleiben aber in Deutschland. Die gelernte Facharbeiterin für Süßwarenproduktion arbeitet seit 1974 im Betrieb. In ihrer Schicht an diesem Tag holt sie Schokohasen aus ihren Formen. 30 000 Stück gehen so durch ihre Hände. In schokobraunen Kisten fahren sie dann zum Einwickeln. „Wir arbeiten jetzt noch die letzten Bestellungen ab. Dann müssen wir Maschinen warten und im Mai beginnt dann die Weihnachtsproduktion.“ (dpa)