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Neubaustrecke Dresden-Prag: Rollen in 20 Jahren die ersten Züge?

Die neue Trasse mit dem dann bundesweit längsten Bahntunnel ist ein gigantisches Vorhaben – und eines, das sehr viel Zeit in Anspruch nimmt.

Von Thomas Möckel
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Ein ICE an einem Tunnel: So ähnlich könnte das Tunnelportal für die Neubaustrecke Dresden-Prag in Heidenau einmal aussehen.
Ein ICE an einem Tunnel: So ähnlich könnte das Tunnelportal für die Neubaustrecke Dresden-Prag in Heidenau einmal aussehen. © Deutsche Bahn

Am Ende ging es dann doch schneller als gedacht. Etwa ein Jahr früher als geplant gab die Deutsche Bahn nun am 20. November dieses Jahres ihre Vorzugsvariante für die Neubaustrecke Dresden-Prag bekannt. Nach Auswertung zuvor festgelegter Kriterien fiel das Votum recht eindeutig auf die sogenannte Volltunnelvariante – jene Trasse, die ab Heidenau vollständig im Tunnel bis Tschechien verläuft, weil sie in den drei Bereichen Umwelt, Verkehr und Technik sowie Wirtschaftlichkeit am besten Abschnitt.

Die Bahntrasse soll generell die bestehende Elbtalstrecke entlasten, mehr Verkehr – vor allem Güterverkehr – auf die Schiene bringen, die Fahrzeiten zwischen Dresden und Prag, später insgesamt auch von Berlin nach Wien etwa um die Hälfte verkürzen sowie die Elbtalstrecke – eines der letzten Nadelöhre in einem europäischen Nord-Süd-Bahnkorridor – umfahren. Kernstück dieser Strecke wird ein reichlich 30 Kilometer langer Tunnel unter dem Erzgebirge sein, ein Tunnelportal befindet sich dann in Heidenau, das andere in Chabařovice.

Es ist ein gigantisches Projekt, technisch als auch finanziell. Anfänglich wurden die Baukosten auf 1,3 Milliarden Euro geschätzt, inzwischen äußert sich die Bahn nicht mehr zu möglichen Summen, weil noch nicht alle Details eingepreist sind. Und es ist auch in zeitlicher Hinsicht ein gigantisches Projekt, eines mit einem sehr langen Anlauf. Von der ersten Idee bis zum Zeitpunkt, an dem die Züge rollen, könnte es rund 40 Jahre dauern. Sächsische.de gibt einen Überblick über den Zeitablauf.

Von sehr vielen Varianten bleiben zunächst sieben übrig

Die ersten Ideen für die Neubaustrecke reichen laut der Bahn fast bis 2005 zurück. Seinerzeit wurden zunächst grobe Linien entwickelt und verschiedene Varianten miteinander verglichen, unter anderem hinsichtlich Technik, Kosten, Schutzgebiete und Schall. Ein bis zu 1,8 Kilometer breiter Untersuchungsraum zwischen Dresden-Hauptbahnhof und dem tschechischen Verkehrsknoten Ústí nad Labem bildete damals die Grundlage für die Variantensammlung.

In der Folge wertete die Bahn in einem mehrstufigen Verfahren verschiedene Varianten im Untersuchungsraum aus. Von 2008 bis 2012 wurden neue Varianten entwickelt und verglichen, nach 2012 optimiert und in einer Vorplanungsstudie verankert. Ab 2015 gab es wieder neue Varianten und eine erweiterte Variantendiskussion, ab dem Zeitraum 2018/2019 wurden sowohl die Varianten als auch die Unterlagen für das sogenannte Raumordnungsverfahren vorbereitet, wofür die Landesdirektion Sachsen zuständig war. Dabei prüfte die Behörde, ob die vorausgewählten Streckenverläufe auf Raumwiderstände – beispielsweise große Trinkwasser- oder Bodenschatzvorkommen – stoßen.

Die Bahn ging mit sieben infrage kommenden Varianten in das Raumordnungsverfahren – drei Volltunnel- und vier Teiltunnelvarianten. Zwei der Volltunnel-Vorschläge stammten von der Bürgerinitiative „Basistunnel nach Prag“ aus Dohma. Nach dem Ende des Verfahrens im Sommer 2020 bestätigte die Landesdirektion je einen Volltunnel- und einen Teiltunnelkorridor als raumverträglich. Bereits 2019 hatte die Deutsche Bahn und ihr tschechisches Pendant „Správa železnic“ den Planungsvertrag für die Neubaustrecke unterzeichnet.

Zwölf Jahre Bauzeit für den Tunnel

Infolgedessen ließ die Deutsche Bahn je eine Volltunnel- und eine Teiltunnelvariante gleichberechtigt weiterplanen. Im sogenannten Dialogforum, in dem die Bahn regelmäßig mit Kommunen, dem Landkreis, der Bürgerinitiative und anderen am Projekt Beteiligten zusammenkam, wurde ein Kriterienkatalog entwickelt, anhand dessen Fachexperten die Varianten verglichen. Aus diesem Prozess ging die Volltunnelstrecke als Vorzugsvariante hervor. Die Bahn wird die Entscheidung nun in mehreren Stadt- und Gemeinderäten vorstellen, die Kommunen und Landkreise können noch einmal Forderungen und Anregungen zum künftigen Streckenverlauf und Bau äußern.

Die Bahn hat sich zum Ziel gesetzt, die komplette Vorplanung 2024 abzuschließen, damit dann die Vorzugsvariante endgültig feststeht. Nach Abschluss der Vorplanung – vorgesehen ist das etwa Mitte 2024 – überreicht die Bahn die Planungsunterlagen an das Eisenbahnbundesamt. Das Bahn-Kontrollgremium überprüft die Unterlagen und reicht sie dann ans Bundesverkehrsministerium weiter. Danach entscheidet der Bundestag über Umsetzung und Finanzierung der Vorzugsvariante. Die Bahn hofft, dass das bis zum zweiten Quartal 2025 geschehen ist.

Danach schließt sich die Entwurfs- und Genehmigungsplanung an, nach einem in bei solchen Vorhaben sicherlich langwierigen Planfeststellungsverfahren rechnet die Bahn damit, dass möglicherweise 2032 Baurecht vorliegt und der Bau beginnen kann. Das Bohren der Tunnelröhren dauert nach Aussage von Kay Müller, Neubaustrecken-Projektleiter bei der Deutschen Bahn, etwa sechs Jahre, der komplette Tunnelbau etwa zwölf Jahre – sodass die ersten Züge wohl nicht vor 2044 über die neue Strecke rollen.