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Neubaustrecke Dresden-Prag: Warum der Tunnelbau im Seidewitztal beginnt

Die Trasse wird ab Heidenau im Tunnel bis Tschechien verlaufen. Dafür muss vieles neu- und umgebaut werden. Ein Überblick.

Von Thomas Möckel
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Neubaustrecke Dresden-Prag: Die Visualisierung zeigt die Brücke über die S172 und das Tunnelportal in Heidenau. Die roten Gebäude müssen weichen.
Neubaustrecke Dresden-Prag: Die Visualisierung zeigt die Brücke über die S172 und das Tunnelportal in Heidenau. Die roten Gebäude müssen weichen. © Deutsche Bahn

Der 20. November war durchaus ein Tag für die Geschichtsbücher, zumindest für jene der Eisenbahngeschichte: Die Deutsche Bahn hatte an jenem Tag ihre Vorzugsvariante für die Neubaustrecke Dresden-Prag verkündet. Zur Überraschung vieler fiel das Votum recht eindeutig zugunsten der sogenannten Volltunnelvariante aus – jene Streckenführung, bei der die neue Bahntrasse ab Heidenau vollständig im Tunnel bis Tschechien verläuft. Dieser Tunnel wird einmal reichlich 30 Kilometer lang sein.

Das gewaltige Bahnprojekt erstreckt sich auf deutscher Seite allerdings nicht nur auf den Bereich zwischen Heidenau, wo die neue Linie von der vorhandenen Elbtalstrecke abzweigt, bis zur tschechischen Grenze. Das Vorhaben wirkt sich auch erheblich auf die Stadt Dresden sowie den Bereich zwischen Dresden und Heidenau aus. Vieles muss neu- und umgebaut werden. Sächsische.de gibt einen Überblick über die einzelnen Projekte.

Geplante Arbeiten in Dresden

Damit es später auf der neuen Strecke von Dresden nach Prag genügend Ausweich- und Überholmöglichkeiten gibt, um die Züge flott über die Trasse zu schicken, betrachtete die Bahn schon zeitig bei ihren Planungen den Großraum Dresden sowie das Gebiet zwischen Dresden und Heidenau mit. Nach der nun schon sehr vertieften Planung für die bevorzugte Volltunnelvariante stehen mittlerweile mehrere konkrete Projekte fest.

So wird nach Aussage von Kay Müller, Neubaustrecken-Projektleiter bei der Deutschen Bahn, der Güterbahnhof Dresden-Friedrichstadt zum Grenzbahnhof umgebaut – als letzte Möglichkeit vor der Grenze, um vor allem Güterzüge zusammen- und umzustellen sowie Güter zu verladen.

Vom Dresdner Hauptbahnhof – vom Ende der Südhalle bis zur Gerhart-Hauptmann-Straße - werden zwei neue Gleise verlegt, damit Güterzüge von und nach Heidenau dann später mit 80 statt 60 Stundenkilometer fahren können. Dafür sind größere Kurvenradien notwendig. Für die zusätzlichen Gleise – auch an anderer Stelle – braucht die Bahn zusätzliche Flächen, auch einige Gebäude müssen weichen. Die Bahn hat insgesamt rund 80 Grundstückseigentümer angeschrieben, die von den Neu- und Umbauten tangiert werden.

Geplante Arbeiten zwischen Dresden und Heidenau

Diese Arbeiten erstrecken sich zum Großteil noch auf das Dresdner Stadtgebiet, tangieren aber auch schon Heidenau. So wird die Bahn zwischen Dresden-Reick und Dresden-Strehlen ein zusätzliches Überholgleis verlegen. In Dresden-Niedersedlitz werden in diesem Zusammenhang vier Gleise neu gebaut.

Der verkehrsbedingte Ausbau des Bahnhofes Heidenau und des Haltepunktes Dresden-Zschachwitz erfordert eine Verschiebung der Gleise und einen Ausbau der Gleise im Bahnhof Heidenau. Zudem werden die Gleisabstände verbreitert und neue Gleise gebaut. Auch die Brücke über die Sporbitzer Straße unmittelbar nach dem Haltepunkt Dresden-Zschachwitz - die aber schon auf Heidenauer Gebiet liegt - wird komplett neu gebaut.

Insgesamt müssen auf dem 18 Kilometer langen Streckenabschnitt zwischen Dresden und Heidenau rund 90 Weichen und 46 Kilometer Gleise neu- oder umgebaut werden.

Neubaustrecke Dresden-Prag: Streckenverlauf des Erzgebirgstunnels von Heidenau bis Chabařovice.
Neubaustrecke Dresden-Prag: Streckenverlauf des Erzgebirgstunnels von Heidenau bis Chabařovice. © Deutsche Bahn

Geplante Arbeiten in Heidenau

Der Bahnhof Heidenau wird nach Angaben der Bahn zum Überholbahnhof ausgebaut. Im Zuge der Arbeiten wird die Brücke über die Geschwister-Scholl-Straße neu gebaut. Die Neubaustrecke wird mit einer Rampe und einem neuen Kreuzungsbauwerk über die bestehende Elbtalstrecke geführt – in Höhe der Pechhütte, wo die Bahn ihr Infozentrum für die neue Strecke eingerichtet hat. Die neue Bahntrasse wird auch über die S172 geführt, wo eine neue Brücke gebaut wird.

Geplante Arbeiten zwischen Heidenau und Tschechien

Kernstück dieser Arbeiten ist der Bau des 30 Kilometer langen Erzgebirgstunnels, von dem sich 18 Kilometer auf deutscher und zwölf Kilometer auf tschechischer Seite befinden. Der Tunnel besteht aus zwei voneinander getrennten Röhren, in denen dann jeweils ein Gleis je Richtung verläuft. Ein Tunnelportal befindet sich später in Heidenau, das andere in Chabařovice. Beim Bau der Tunnels gibt es einige Besonderheiten.

So beginnt der Tunnelbau auf deutscher Seite nicht in Heidenau, sondern an einem anderen Punkt, der etwa fünf Kilometer vom künftigen Tunnelportal entfernt liegt. Laut der Bahn wird ein sogenannter Zwischenangriff im Bereich des Seidewitztals errichtet, diese Stelle liegt südlich von Pirna schon außerhalb des Stadtgebietes, etwa in Höhe der Autobahn 17. Bauleute werden dort eine Art Einschnitt graben und von dort aus den Tunnel bauen – einmal in Richtung Tschechien mit Tunnelbohrmaschinen, einmal in Richtung Heidenau, möglicherweise im herkömmlichen Vortrieb. Das hat nach Aussage von Müller den Vorteil, dass der Knotenpunkt an der S172 nicht über viele Jahre hinweg stark eingeschränkt ist. Insgesamt sind beim Tunnelbau später aller Voraussicht nach vier Tunnelbohrmaschinen im Einsatz – zwei auf deutscher und zwei auf tschechischer Seite.

Aus Sicherheitsgründen wird es in Höhe des Ortes Göppersdorf einen Evakuierungs- und Rettungspunkt geben, falls es im Bahntunnel zu einer Havarie kommt, bei der Menschen gerettet werden müssen. „Bei einer Havarie“, sagt Müller, „müssen die Menschen so schnell wie möglich aus dem gefährlichen Bereich herausgebracht werden.“ Dafür ist einiger Aufwand nötig: Gebaut wird eine Zufahrtsstraße nebst Straßentunnel, über die Busse und Rettungsfahrzeuge direkt in die Hauptröhre hineinfahren können. Der Tunnel verläuft an dieser Stelle etwa 350 Meter unter der Erde.

Etwa mittig im Tunnel gibt es eine Art Kipp-Punkt, von dem aus die Röhren mit den in ihnen verlegten Gleise einmal mit einem Gefälle von vier Promille in Richtung Heidenau und ebenfalls mit einem Gefälle von vier Promille in Richtung Chabařovice verlaufen. Das hat allerdings keine bautechnischen oder geologischen Ursachen, sondern ist der Sicherheit geschuldet. Bleibt laut Müller ein Zug im Tunnel stehen und kann nicht weiter, muss er von allein herausrollen können – was bei diesem Gefälle möglich ist.