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Heimkehr nach Meißen

Vor den Toren der Stadt wird ein Waggon der Meißner Straßenbahn geborgen. Er könnte Exponat in einem neuen Museum werden.

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© hübschmann

Von Harald Daßler

Großer Bahnhof für einen Schuppen: Für allerhand mediale Aufmerksamkeit sorgt ein Fototermin auf dem Grundstück von Heidi Jenschmischek im Diera-Zehrener Ortsteil Keilbusch. Der Schuppen erweist sich bei näherer Betrachtung als Waggon Nummer 14 der Meißner Straßenbahn. Dass er – ohne Räder – jahrzehntelang als Lagerstätte für Stroh und Holz diente, erweist sich nun als Glücksumstand. Eine Einhausung vermochte dem Zahn der Zeit Einhalt zu gebieten.

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Zahlreiche Details wie die Aufschrift „Meissener Straßenbahn“ oder der Hinweis auf die 14 Sitzplätze in dem Waggon haben die Jahre ganz gut überstanden. Dennoch wird es einer Menge an Geduld und Ehrgeiz bedürfen, um den historischen Wagen wieder herzurichten. Die Stadt ist dazu entschlossen, erklärt OB Olaf Raschke, als er sich mit Heidi Jenschmischek den Waggon ansieht. Der ist inzwischen freigelegt und soll Anfang September nach Meißen gebracht werden. In den Bauhof an der Jaspisstraße, wo sich einst das Depot der Meißner Straßenbahn befand.

Für diese Heimkehr haben sich Freunde der Straßenbahn aus Meißen und Dresden starkgemacht. Vor allem, als Begehrlichkeiten auch aus anderen Städten bekanntwurden. „Dieser Waggon ist ein Unikat, das nach Meißen gehört“, so OB Olaf Raschke. Mitarbeiter des städtischen Bauhofes haben die Einhausung inzwischen abgerissen. Und sie werden dafür sorgen, dass hier ein neuer Schuppen entsteht, wenn die Firma Mentner-Krane das 3,5 Tonnen schwere Gefährt aus dem Garten zum Abtransport gehievt hat.

Wie es hierherkam, weiß Heidi Jenschmischek nur aus Erzählungen. Als ihre Familie das Grundstück im Jahr 1985 erwarb, stand der Waggon Nummer 14 und ein weiterer bereits dort. Seit 1936 – als die Meißner Straßenbahn die Personenbeförderung aufgab, weil Busse das kostengünstiger erledigten. Ein Angestellter des Depots hatte damals zwei der ausgemusterten Wagen nach Keilbusch geholt, wo sie in den folgenden Jahrzehnten ein Schuppen-Dasein fristeten.

Auf die zweckentfremdeten Wagen waren vor elf Jahren bereits Freunde der Döbelner Pferdebahn aufmerksam geworden, die einen Trieb- und Beiwagen nach Döbeln holten, wo er als Vorlage und Teilespender für den Neubau der dort wiedererrichteten musealen Pferdebahn diente. Dass er dabei das Meißner Wappen einbüßte, hat sicher mit bewirkt, die Heimkehr des in Keilbusch verbliebenen Wagens nach Meißen zu forcieren.

Im Meißner Depot steht der Wagen Nummer 14 nicht allein. Hier fand vor zwei Jahren bereits Güterwagenlok Nummer 3 der Meißner Straßenbahn eine neue Heimstatt, als sie im Dresdner Verkehrsmuseum nicht mehr bleiben konnte. Vierzehn Meter lange Schienenstücke sollen als nächsten hinzukommen. Sie werden bei den anstehenden Bauarbeiten auf Ossietzky- und Talstraße geborgen, kündigt der OB an. Außerdem bemüht sich die Stadt um die Heimkehr zweier Rollböcke, die bei der Meißner Straßenbahn zum Umladen der Güter von den Bahnschienen für den Transport auf den Straßenbahngleisen verwendet wurden. In den Wirren des Zweiten Weltkrieges waren die Meißner Originale in den Norden gelangt und nun in Kiel wiederentdeckt worden.

Die Fahrzeuge sowie Ausrüstungen des früheren Depots und Überbleibsel von Stromleitungen könnten den Grundstock für ein Verkehrsmuseum in Meißen bilden, das an die Straßenbahntradition der Stadt erinnert. Das wäre ein „Highlight“. Mehr will der OB zu dieser Vision noch nicht sagen. Aber es gibt bereits Kontakte zu zahlreichen Straßenbahnfreunden in der Region, die fachlichen Rat und Hilfe beim Aufarbeiten zugesagt haben. Ein weiterer soll zur Landesförderstelle für das Museumswesen hergestellt werden.