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Heimvorteil und Kampfgeist

Karin Berndt freut sich auf ihre dritte Amtszeit als Bürgermeisterin von Seifhennersdorf. Andere fürchten das „Weiter so“.

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© Rafael Sampedro

Von Frank Seibel

Seifhennersdorf. Die aussichtsreichste Gegenkandidatin von der CDU lässt sich keine Enttäuschung anmerken. Der Gemüsehändler von der Linkspartei wundert sich nicht, ein Handwerker, der viel für die Stadt arbeitet, wundert sich sehr, und die Siegerin steht in ihrem Büro vor einer Kamera und erklärt zwei Dokumentar-Filmerinnen die Welt. Seifhennersdorf am Tag nach der Bürgermeisterwahl.

Weil sie so bescheiden und schüchtern sei, sagt Karin Berndt mit schelmischem Grinsen, habe sie natürlich nicht geglaubt, dass das so schnell geht. Drei Gegenkandidaten hatte die parteilose Amtsinhaberin, und alle hat sie völlig chancenlos bereits im ersten Wahlgang hinter sich gelassen. Wenn etwas überraschend war bei dieser Wahl, dann wohl nur, dass es so schnell ging. Das sieht Karin Berndt so, und auch ihre Konkurrenten räumen ein, dass ihr großer Rückhalt in der Bevölkerung bekannt gewesen sei.

53,9 Prozent der Stimmen hat die 59-jährige Bürgermeisterin auf Anhieb erhalten, mehr als die drei anderen Bewerber zusammen. Und bei einer Wahlbeteiligung von 67 Prozent kann man auch nicht von einem Desinteresse der Menschen im Ort sprechen.

Wenn man im Ort nach den Gründen für den Erfolg der Bürgermeisterin fragt, fällt ein Wort sofort: Schule. Dass Seifhennersdorf noch immer eine eigene Oberschule hat, rechnen ihr die Menschen offenbar hoch an. Und gekämpft hat Karin Berndt wahrlich dafür. So unbeirrbar und kompromisslos, dass sie vor vier Jahren die Eltern des damaligen Fünfer-Jahrganges motivierte, auf eigene Faust den Unterricht zu organisieren, obwohl die Schulbehörden der Stadt verboten hat, einen neuen Schuljahrgang zu eröffnen. Laut Schulnetzplan des Landkreises war die Oberschule für die Schließung vorgesehen. Aber die Handballerin und sechsfache Mutter ist zäh, manche sagen starrköpfig, und letztlich hat sie vor dem Bundesverfassungsgericht einen Triumph errungen: Das sächsische Schulgesetz widerspreche in Teilen dem Grundgesetz der Bundesrepublik, urteilte das höchste deutsche Gericht.

Als Kämpferin für ihre Heimatstadt sieht sich Karin Berndt, und sie nimmt für sich selbstbewusst in Anspruch, besser als andere zu spüren, was den Menschen hier wichtig ist. Mit diesem Wahlergebnis kann sie sich erst einmal bestätigt fühlen. Und beinahe wie eine Trophäe für ihren widerständigen Bürgersinn zeigt sie den beiden Filmemacherinnen einen Brief des Landrates vom Beginn des Jahres. Darin legt der Landrat in seiner Funktion als Rechtsaufsicht für die Städte und Gemeinden im Landkreis fest, dass die monatlichen Bezüge der Bürgermeisterin ein halbes Jahr lang um zehn Prozent gekürzt werden. Im Zusammenhang mit dem damaligen Protest der „Schulrebellen“ werden der Bürgermeisterin mehrere Rechtsverstöße attestiert. Für Karin Berndt ist das der Preis für ihre aufrechte Haltung – und im Wahlergebnis sieht sie den Lohn dafür.

Dass das eigentlich ein bisschen ungerecht sei, findet hingegen Brigitte Röthig. Die freiberufliche Fotografin hat ihr Studio schräg gegenüber vom Rathaus und hätte gerne den Posten der Bürgermeisterin übernommen. Mit 39 Jahren ist sie die jüngste Kandidatin gewesen und als Vorsitzende der CDU-Fraktion im Stadtrat mit einer starken politischen Position ausgestattet. Die sieben CDU-Abgeordneten bilden die größte Gruppe im Stadtrat. Die „Unabhängigen Bürger Seifhennersdorf“ (UBS) haben nur vier Stimmen im Rat, die Linkspartei drei. „Wir sind eine gute Truppe und werden weiterhin engagiert und kreativ nach Lösungen für unsere Stadt suchen“, betont Brigitte Röthig. Einen Nachteil gegenüber der Amtsinhaberin konnte sie damit aber nicht ausgleichen: Sie stammt nicht von hier, ist erst vor vier Jahren aus dem Rhein-Main-Gebiet zugezogen.

Aaron Hönicke (42 Jahre) lebt seit seiner Schulzeit hier und hat als Einzelkandidat die CDU-Bewerberin am Sonntag sogar etwas hinter sich lassen können. Ob es besser gewesen wäre, wenn sich alle drei Bewerber gegen die Bürgermeisterin verbündet hätten? „Auch dann hätte es nicht gereicht“, sagt er. Und er fürchtet, dass es beim unseligen Streit zwischen der größten Stadtratsfraktion und der Bürgermeisterin bleiben wird.