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Hellendorfer Trafoturm wird berühmt

Eine Skizze, zwei Türme: Zwei Hobbyhistoriker aus dem Münsterland und dem Osterzgebirge machen eine Entdeckung.

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© Schröer/Wolf

Von Heike Sabel

Hellendorf. Türme sind reizvoll. Man kann auf sie steigen, etwas sehen, was man von unten nicht sieht. Meistens. Denn es gibt auch Türme, die sind zwar nicht zum Besteigen, aber trotzdem wichtig: historische Transformatorenstationen, kurz Trafotürme genannt, zum Beispiel. Die brachten vor hundert Jahren den Strom und stehen heute oft einfach nur so rum. Ludger Schröer findet diese Türme sogar so spannend, dass er darüber ein Buch schreibt. Der pensionierte Historiker und Gymnasiallehrer aus dem Münsterland hat sich die für ihn regional naheliegenden vorgenommen. Die wurden meist in den 1920er-Jahren gebaut. Schröer hat viel gelesen, viel Material gesammelt. So stieß er auf die zweite für ihn interessante Region, den Bereich um Paderborn. Und dort kam dann Hellendorf ins Spiel.

Das Vorbild für die beiden Türme: eine Skizze des AEG-Architekten.
Das Vorbild für die beiden Türme: eine Skizze des AEG-Architekten. © SZ

In Erwitte-Völlinghausen entdeckte er einen Turm, der ihm irgendwie bekannt vor. Als Zeichnung. Der Architekt Werner Issel hatte den Turm schon 1913 für den Energieversorger Elbtalzentrale entworfen, der ihn bei Hellendorf bauen ließ.

Nun war Schröers Neugier und Forscherdrang geweckt. Er durchforstete erst einmal das Internet und stieß so auf den Heimatverein Langenhennersdorf. Die Leute da wissen immer Bescheid, sagt er sich und nahm Kontakt auf. Bisher hatte Schröer ja nur die Skizze, nach der die beiden Türme in Erwitte-Völlinghausen und Hellendorf gebaut worden.

Ein Platz unter Europas Schönsten

Marlies Wolf, die Vorsitzende des Langenhennersdorfer Vereins, kam der Turm auch bekannt vor. „Ja, ich hatte ein Bild irgendwo gesehen“, sagt sie. Sie nahm sich zuerst die Chroniken über Bad Gottleuba-Berggießhübel von Dr. Fischer vor. Dort konnte sie aber auf die Schnelle nichts finden. Dann ein Tipp. Es müsse der Bismarckturm sein. Aber auch dieser Hinweis brachte Marlies Wolf nicht weiter, denn der Bismarckturm steht bei Berggießhübel. Der skizzierte Turm ließ Marlies Wolf nicht los. „Vor meinen geistigen Augen erschien er mir auf der linken Seite der Straße von Berggießhübel nach Hellendorf, und sogar beschriftet.“ Sie fuhr kurzerhand hin. Und siehe da, direkt gegenüber der Ausfahrt Augustusberg auf die S 173 steht dieser Turm. Marlies Wolf machte Fotos und schickte sie Ludger Schröer.

In dessen im Spätherbst erscheinenden Buch bekommt der Hellendorfer Turm in der Auflistung als einer von über 120 nun einen Ehrenplatz. Weil er älter als die im Münsterland ist, weil er sogar eine Inschrift trägt und weil es doch etwas Verbindendes gibt: den Baustil und den Sandstein. Für Schröer sind die Trafotürme zu unrecht Stiefkinder der Forschung und Beachtung.

Wenn er von ihnen und insbesondere den Zwillingstürmen von Hellendorf und Erwitte-Völlinghausen erzählt, klingt es wie eine Schwärmerei. „Aufwendig die Kombination von Steinen im unteren Bereich und leuchtend weißem Putz, mit einem geschwungenen Rundbogen und dem einzigartigen Pagodendach.“ Das alles macht die Trafotürme für Schröer zu baugeschichtlichen Unikaten, die zu Unrecht abseits von Kirchen, Burgen und Schlössern stehen. „Alltagsarchitektur ist oft unbeachtet, wird vernachlässigt und fällt für vermeintlich Modernes leicht der Abrissbirne zum Opfer.“

Es gibt aber auch andere Beispiele, abgesehen vom Hellendorfer Turm. Den in Ulbersdorf bei Hohnstein zum Beispiel. Der wurde zum Märchenturm, was dem Ort eine Prämie im Landeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ einbrachte.

Auf der Internetseite www.trafoturm.eu werden sogar Europas schönste Trafohäuschen gesucht und veröffentlicht. Die letzten Einträge sind jedoch von 2016. Der Hellendorfer Turm ist zwar noch nicht dabei, aber für Marlies Wolf und Ludger Schröer ist klar, er würde da hingehören. Doch der Betreiber der Internetseite scheint wohl etwas überfordert. Er teilt auf der Seite mit: „Achtung! Absoluter Foto-Annahmestopp! Bitte schickt uns keine Fotos mehr! Wir haben noch über acht Gigabyte unveröffentlichte.“

Ludger Schröer freut sich jetzt auf sein Buch. Die Idee dazu kam ihm als Mitglied im Vorstand des Zentrums für historische ländliche Baukultur. „Da muss man nur die Augen aufmachen und entdeckt immer wieder etwas.“ Seine Botschaft ans Osterzgebirge: „Die Wiederentdeckung historischer Transformatorenstationen ist nicht nur im Münsterland eine spannende Aufgabe.“