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Hier gibt es noch Anschluss

In Radebeul stehen noch Telefonzellen. Genutzt werden sie kaum. Doch es hängen Erinnerungen an den Boxen.

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© Arvid Müller

Von Nina Schirmer

Radebeul. Willkommen steht auf dem kleinen Display neben dem pinkfarbenen Hörer. Willkommen fühlt man sich in der Telefonzelle vor der Alten Post an der Meißner Straße allerdings überhaupt nicht. Die untere Scheibe in der Tür ist zerschlagen, der Boden mit Glassplittern übersät. Neben der Telefonzelle hat sich ein Müllberg angesammelt. Papier, Flaschen und sogar eine Radkappe liegen dort. Irgendwie passt der trostlose Anblick zur Telefonzelle. Sie ist schließlich eine aussterbende Art.

Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite betreibt Matthias Hennl sein Bettengeschäft. Leute hat er in der Telefonzelle noch nicht gesehen. Er könne sich kaum vorstellen, dass im Handyzeitalter noch jemand dort telefoniert, sagt der Verkäufer. Aber schade sei es um die Telefonzelle. „Das wäre doch ein tolles Gartenhäuschen“, findet er.

Der Gedanke ist gar nicht so abwegig. Die Telekom verkauft alte, ausrangierte Modelle. Wie viele Telefonate an den Fernsprechern in Radebeul noch geführt werden, kann Sprecher Georg von Wagner nicht sagen. Solche Daten halte das Unternehmen nicht vor. Wenn mit einem Fernsprecher weniger als 50 Euro Umsatz im Monat gemacht wird, gelte er als extrem unwirtschaftlich. „Der Umsatz ist ein klares Indiz dafür, dass der Wunsch nach einer Grundversorgung durch die Bevölkerung an dieser Stelle offensichtlich nicht mehr besteht“, so von Wagner. Dann könne die Telekom die Stadt um Erlaubnis bitten, die Telefonzellen abzubauen.

Stadtsprecherin Ute Leder bestätigt, dass das in den letzten Jahren in Radebeul passiert ist. Schon vor einiger Zeit sind etwa die Telefonzellen an der Ecke Wilhelm-Eichler-Straße/Emil-Schüller-Straße sowie an der Moritzburger Straße verschwunden. Gegenüber der Stadt habe die Telekom angegeben, in Zukunft noch drei Telefonzellen in Radebeul betreiben zu wollen.

Ganz anders sah das zu DDR-Zeiten aus. „In der Post gab es zwei Telefone und die Telefonzelle davor“, erinnert sich Ruth Kugler. „Die nächsten standen in der Borstraße und der Seweningstraße.“ Für die Radebeulerin damals die einzige Möglichkeit, zu telefonieren. „Wir haben für unseren Handwerksbetrieb zwei Jahre auf ein Telefon gewartet“, sagt sie. In der Seweningstraße funktionierte der Fernsprecher meistens, erzählt die heute 81-Jährige. An anderen Telefonzellen, die damals noch gelb waren, fehlte auch schon mal das Telefonbuch oder war der Hörer abgerissen.

„Manchmal standen vier oder fünf Leute Schlange“, sagt Ruth Kugler. An den Telefonzellen hingen zwar Schilder mit dem Hinweis „Fasse dich kurz“. Aber daran habe sich niemand gehalten, sagt die Seniorin. Heute nutzt sie die Fernsprecher auch nicht mehr. Sie hat ein Festnetztelefon und ein Handy.

Laura Glöckner weiß gar nicht, wann sie zuletzt in einer Telefonzelle war. „Das ist mindestens 15 Jahre her“, schätzt die 25-Jährige. „Ich wüsste gar nicht, wo welche stehen.“ Aus dem Urlaub habe man früher von einem Münztelefon zu Hause angerufen.

Aus diesem Grund gibt es wahrscheinlich auch den Fernsprecher auf dem Anger in Altkötzschenbroda. Keine Zelle, sondern ein offenes Modell ohne Tür. Neulich habe er tatsächlich eine ältere Frau beobachtet, die dort telefoniert hat, sagt Enrico Gottsmann von der Eisdiele gegenüber. Sonst sei dort so gut wie nie jemand zu sehen. Der Fernsprecher am Anger hat aber noch eine zweite Funktion. Er ist ein Wlan-Hotspot. Telekomkunden kommen hier ins Internet. Und das dürfte bei den meisten Leuten heute gefragter sein als das Münztelefon.