Von Manfred Müller
Böhla b. O. Kaum ist Jörg Reinhold zum Anbaden in den großen Holzzuber gestiegen, muss er sich auch schon wieder abtrocknen. Auf der Veranstaltungsbühne in seinem Gehöft soll gleich die „Schattenfee“ ihre Harfe zupfen, aber die Elektrik spielt nicht mit. „So ist das nun mal bei einer Party in dieser Größenordnung“, seufzt er. „Man wird nie fertig.“ Seit 2007 veranstaltet der Böhlaer auf seinem Grundstück ein mittelalterliches Hof- und Weinfest, und je nach Wetter kommen zwischen 700 und 1000 Besucher. Auch am vergangenen Samstag strömten aus allen Himmelsrichtungen Autos, Radler und Wanderer in den kleinen Ortsteil von Schönfeld. „Das Mittelalter liegt uns irgendwie im Blut“, sinniert Jörg Reinhold. Vor zwölf Jahren hat der Kindergärtner den maroden Hof an der Dorfstraße erworben. Seitdem werkeln er und seine Frau Daniela an den alten Gebäuden herum. Letztes Jahr ist der Weinkeller fertig geworden, sodass er den Besuchern nun in voller Schönheit präsentiert werden kann. Die Reinholds schenken hier selbst gekelterte Obstweine aus: Sanddornwein oder einen „Druidentrunk“ mit Kornelkirsche.
Hoffest in Böhla
Als kulturelle Zugnummern haben die Reinholds Mittelaltervereine und -gruppen engagiert. Musiker wie Katja „Schattenfee“ und Heydekraut unterhalten die Gäste mit uralten Gesängen und exotischem Instrumentarium. Der Verein „Eysenkraut“ aus Lauchhammer präsentiert historisches Handwerk. Löffelschnitzer, Holzbildhauer, Lederpunzierer, Speckstein-Künstler geben einen Einblick in ihr Schaffen und laden zum Mitmachen ein. Am Abend ist dann eine große Feuershow angesagt. Zum ersten Mal beim Böhlaer Hof- und Weinfest dabei: die sächsischen Elblandkrieger. Mit Streitaxt, Schwert, Wurfspeer und Langmesser ausgerüstet, liefern sie sich Schaukämpfe, bei denen es ziemlich hart zur Sache geht. Schon beim Aufwärmtraining gibt es die ersten Abschürfungen und Blutergüsse. „Wir kämpfen im Vollkontakt“, erklärt Leon Söhnel (17). „Das heißt, es wird mit allem überallhin geschlagen und gestoßen.“ Die sieben Krieger schützen sich zwar mit Kettenhemden, dicken Lederhandschuhen und ihren Holzschilden, aber dieser oder jener Treffer bleibt nicht aus. Viel mehr aber setzt den Kämpfern im Wikinger-Stil die Hitze zu. Bei 28 Grad im Schatten fließt der Schweiß in Strömen. „Ich glaube, auf meinem Helm kann man jetzt Spiegeleier braten“, stöhnt Leon Söhnel. Der Gymnasiast aus Ponickau hat seine Leidenschaft für Schaukämpfe bei den christlichen Rittern aus Skassa entdeckt. „Aber da hatte niemand mehr wirklich Zeit“, erzählt er. Deshalb tat er sich mit Freunden und Bekannten aus Böhla, Kleinnaundorf und Gröditz zur Elblandkriegerschaft zusammen. Beim Hoffest der Reinholds hat das Septett seinen ersten öffentlichen Auftritt.
Über die Jahre haben die Reinholds ein originelles und kaum mehr überschaubares Sammelsurium an mittelalterlichen Zerstreuungen herbeiorganisiert. Dabei geht es weniger um historische Detailtreue als um den maximalen Spaß. Und mit Schwein am Spieß und diversem Backwerk natürlich um die kulinarischen Bedürfnisse der Wochenendausflügler. Selbst dem Genuss einer Wasserpfeife konnte man sich in Böhla hingeben.
„In Zukunft werden wir unser Hof- und Weinfest nur noch aller zwei Jahre veranstalten“, sagt Jörg Reinhold einigermaßen geschafft. „Mehr können wir beim besten Willen nicht mehr stemmen.“