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Hilfsbereitschaft ohne Ende

Das Ziel von 1 000 Personen während der Typisierungsaktion wurde geknackt. Die Ostrauer Kalkwerke spenden 40 000 Euro.

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© Dietmar Thomas

Von Natasha G. Allner

Ostrau. Pünktlich 11 Uhr bildet sich vor dem Eingang der Turnhalle in Höhe der Bushaltestelle eine lange Warteschlange. Menschen aus Ostrau, Dresden, Riesa/Großenhain, Döbeln und Radebeul oder auch Roßwein wollen sich für Beate Wolf, die an Blutkrebs erkrankt ist (DA berichtete), typisieren lassen. Der Bluttest klärt, welche Person sich als Knochenmarksspender eignet.

Henry Frost war der erste Spender: Der Ostrauer arbeitet als Fahrdienstleiter in Torgau und hatte Geburtstag.
Henry Frost war der erste Spender: Der Ostrauer arbeitet als Fahrdienstleiter in Torgau und hatte Geburtstag. © Dietmar Thomas
Die 40000-Euro-Spende der Kalkwerke Ostrau deckt die Kosten für die Blutuntersuchung von 1000 Personen.
Die 40000-Euro-Spende der Kalkwerke Ostrau deckt die Kosten für die Blutuntersuchung von 1000 Personen. © Dietmar Thomas
Martin Baumann und Dirk Bartoschick, FFw Ostrau, sorgten für Knackiges vom Grill, später lösten die Rittmitzer ab.
Martin Baumann und Dirk Bartoschick, FFw Ostrau, sorgten für Knackiges vom Grill, später lösten die Rittmitzer ab. © Dietmar Thomas

Henry Frost ist der Erste an diesem Sonntag. Der Ostrauer, der als Fahrdienstleiter in Torgau arbeitet, kam aus der Nachtschicht, stand um 8 Uhr schon einmal vor der Tür. Nach seiner Typisierung trifft das Geburtstagskind auf Motorradfreunde in der Warteschlange, man unterhält sich, flachst herum, beglückwünscht ihn. Die Atmosphäre ist locker. Genauso sieht es im Inneren des Gebäudes aus. Eine durchstrukturierte Organisation lässt Wartezeiten auch während des größten Ansturms auf kaum mehr als zehn Minuten anwachsen. Stimmengewirr liegt über allem. In den schmalen Gängen zwischen den Tischen wimmelt es von Menschen, manch ein Anrempler wird humorvoll hingenommen. Alle eint der Wille, etwas Gutes zu tun. „Diese Selbstverständlichkeit ist atemberaubend“, betont Ostraus Bürgermeister Dirk Schilling.

Manchmal wird das Getöse von einer aktuellen Durchsage zum Stand der beteiligten Personen unterbrochen. Gegen Mittag sind es 300, kurz nach 14 Uhr wird die 800-Leute-Marke fast geknackt. 1 000 typisierte Personen sind das erklärte Ziel der Initiativgruppe um Tochter Theresa Wolf und Felix Pittelkow. Theresa Wolf ist die innere Unruhe kaum anzumerken: „Ich habe gar keine Zeit, über meine Aufgeregtheit nachzudenken. Wenn man weiß, wie viel Arbeit in der Vorbereitung steckt, muss ich sagen, es hat sich schon gelohnt. Die Hoffnung ist da und sie wird immer größer.“

In einer Art „Einbahnstraßensystem“ geht alles schnell. Zahlreiche Helfer in roten T-Shirts und mit Vornamen versehen, weisen Wartenden frei gewordene Plätze zu, Personalien werden aufgenommen, Alter, Größe, Gewicht, Krankheiten abgefragt. Danach noch einmal eine Kontrolle der Unterlagen und ab zum Blutziehen. Schnellt vorher an den Beratungstischen ein Arm mit einer roten Karte nach oben, kommt Constanze Burkhardt ins Spiel. Die Fachfrau der Deutschen Knochenmarksspenderdatei (DKMS) sieht in einem ausgefeilten Krankheitskatalog nach, mit welcher Krankheit ein potenzieller Spender noch infrage kommt oder eben nicht: „Manches können wir beheben unter anderem spezielle Schilddrüsengeschichten. Bei bestimmten Autoimmunerkrankungen wie Rheuma müssen wir aber ablehnen.

Prinzipiell gilt, sowohl das Spender- als auch das Empfängerrisiko so gering wie möglich zu halten.“ Epilepsie und Diabetes sind solche Krankheiten, aber auch eine an Borreliose erkrankte Frau wird wieder weggeschickt. Sie nimmt die Entscheidung locker und spendet in eine der zusätzlich aufgestellte Geldboxen. Abgewiesen wird auch Ivo Schurig. Für den Rollstuhlfahrer aus Kiebitz sei das Risiko des Absetzens der eigenen Medikamente zu hoch, betont Constanze Burkhardt. Bei Schurigs Ehefrau Astrid ist kurz darauf eine Blutentnahme per Kanüle nicht möglich, man weicht auf eine Speichelprobe aus: „Mir war es sehr wichtig, mich heute typisieren zu lassen. Ich kenne Beate Wolf aus dem Penny, sie war immer sehr nett. Aber auch die Tochter meiner Cousine erkrankte mit anderthalb Jahren an Leukämie. Auch wenn ihr geholfen werden konnte, war es ein langer Leidensweg. Und dickes Lob für die Organisatoren.“ Einer der jüngeren Spendewilligen ist Tom Suchantke. Der 17-jährige Noschkowitzer ist mit seinen Eltern vor Ort: „Ich kann anderen helfen, das ist doch eine gute Sache.“

Vor ihrem Punktspiel lässt sich auch die komplette erste Mannschaft des SV Roßwein typisieren. 21 Fußballer inklusive Pflegedienstleiterin von Brambor geben ihr Blut zur Untersuchung ab. Benjamin Brambor, Juniorchef des Pflegedienstes und selbst Fußballer, hat einen Scheck in Höhe von 900 Euro und Spendenbüchsen, die bei Fußballspielen aufgestellt wurden, dabei. 13 000 Euro gehen an Bargeld ein. Die Überraschungsbombe lassen schließlich die beiden Geschäftsführer der Ostrauer Kalkwerke Ulrich Dürasch und Ulrich Horn platzen. Sie bringen sich mit 40 000 Euro ein. Das deckt die Untersuchungskosten der angenommenen 1 000 Personen. „So etwas wie hier erlebt man selten. Das hat seine ganz eigene Dynamik“, sagt Constanze Burkhardt mit Blick auf die Spenderzahl: 1 156.