Von Stefan Lehmann
Riesa. Der Weg ins Allerheiligste des Riesaer Stadtmuseums führt eine schmale Treppe hinunter. Hier, in den Kellerräumen des Hauses am Poppitzer Platz, befinden sich die Magazine, in denen das Museum seine Ausstellungsstücke lagert. Schon im Flur hängen die ersten stummen Zeitzeugen an der Wand: alte Werkzeuge der Stahlindustrie, dicht an dicht, auf mehreren Metern.
Blick ins Allerheiligste des Riesaer Stadtmuseums
Jedes bisschen Platz will genutzt werden, weiß Volker Thomas, der für die Magazine verantwortlich ist. Fast 50 000 Exponate besitzt das Stadtmuseum. Tatsächlich zu sehen ist nur ein Bruchteil davon. „Etwa ein Zehntel bis ein Fünftel“, schätzt Volker Thomas. Der Rest lagert im Depot, sortiert nach verschiedenen Kategorien.
Dass es nicht jedes Exponat in eine Ausstellung schafft, hat verschiedene Gründe, erklärt Thomas. Zum einen wollen die Museumsmitarbeiter jedes Stück so präsentieren, dass es zur Ausstellung passt und dabei nicht in der Masse untergeht. Zum anderen können manche Exponate schlichtweg nicht ausgestellt werden – weil ihr Zustand es nicht zulässt. Das zum Teil mehr als 100 Jahre alte Herbarium des Lehrers und Botanikers Emil Wilhelm Fiedler lagert beispielsweise in einem großen Holzschrank.
„Fiedler war in ganz Deutschland unterwegs und hat Pflanzen gesammelt“, erzählt Volker Thomas, „aber das Herbarium bekommt man fast nie zu sehen.“ Zu groß sei die Gefahr, dass die getrockneten Pflanzen Schaden nehmen, wenn sie längere Zeit dem Licht ausgesetzt sind. Andere Exponate passen einfach nicht mehr zum Konzept des Museums. Etwa die Balg-Sammlung. Die ausgestopften Tiere – von der Springmaus bis zum Wildschwein – zeugten noch von der Vergangenheit als Heimatmuseum, sagt Volker Thomas.
Die wohl ältesten Exponate stammen aus der Sammlung Alfred Mirtschins. Eingewickelt in Luftpolsterfolie lagern Tongefäße, die der Heimatforscher in und um Riesa fand. „Das ist alles gut 2000 Jahre und älter“, sagt Volker Thomas. Eine Regalzeile weiter steht ein Karton voller kleiner Scherben. Thomas spricht vom „Puzzle des Archäologen“. Die meisten sind Lesefunde, also Fundstücke, die ohne gezielte Grabungen gemacht wurden. Zum Teil sei nicht einmal klar, wo sie gefunden wurden.
Die Vielfalt im Depot ist groß: Schreibmaschinen, Radios, sozialistische Malereien, Röcke, Stahlwerkerkleidung, Lampenschirme aus verschiedensten Jahrzehnten, selbst ein Glas mit Taubenfutter aus dem Muskator-Werke ist dabei. Das sei übrigens ganz besonders pflegeintensiv, verrät Volker Thomas. „Man muss es öfter mal auf den Befall mit Lebensmittelmotten überprüfen.“ Gleiches gilt für die Kleidersammlung: In jedem Schrank hängt grünes Mottenpapier, um die Tierchen fernzuhalten.
Museumschefin Maritta Prätzel sorgt sich weniger um Motten als um den knappen Platz. Denn der Bestand wächst stetig. Zwischen 188 und 253 Neueingänge pro Jahr verzeichnete das Stadtmuseum von 2013 bis 2015. Ein Dilemma, vor dem viele Museen stehen. Zwangsläufig lasse sich da gar nicht vermeiden, dass manches Exponat auch auf dem Müll landet, sagt Prätzel. „Das müsste eigentlich häufiger passieren“, gesteht die Museumschefin, „aber wir wollen ja auch damit arbeiten“. Außerdem dürfe der zweite Auftrag des Museums nicht vergessen werden, ergänzt Volker Thomas: Die Geschichte nicht nur zu zeigen, sondern eben auch zu bewahren.