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Hochzeit mit einer Fremden

Strehla prüft eine Fusion mit der Gemeinde Cavertitz. Damit würde der Kreis Meißen die 3.900-Einwohner-Stadt an den Kreis Nordsachsen verlieren. Doch dazu soll es nicht kommen.

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Von Robert Reuther

Das dritte Rad am Wagen will wohl niemand sein. Das gilt vor allem dann, wenn kleinere Städte und Gemeinden größeren zugeschlagen werden. Die Angst ist groß, dass in einem solchen Fall keine Straßen mehr gebaut oder Häuser saniert werden. Daran dachte sicherlich auch die CDU-Fraktion des Strehlaer Stadtrates, als sie Bürgermeister Harry Güldner (CDU) beauftragt hat, nicht nur eine mögliche Fusion mit Riesa oder Zeithain zu prüfen, sondern auch mit den Gemeinden Cavertitz und Liebschützberg im Landkreis Nordsachsen. „Wir müssen da nach allen Seiten offen sein“, sagt CDU-Fraktionschef André Laubner. Doch könnte die Stadt im nordwestlichsten Teil des Elblandes den Landkreis Meißen einfach verlassen?

Angst vor Bedeutungslosigkeit

Fakt ist, dass Strehla um eine Gemeindefusion kaum herumkommen wird. Das liegt an einer Verordnung des Freistaates, wonach es bis 2025 in Sachsen keine Kommunen mehr mit weniger als 5.000 Einwohnern geben darf. Strehla hat derzeit etwa 3.900 Bürger, Tendenz fallend. Um den Vorgaben aus dem Innenministerium Genüge zu tun, muss die Stadt also reagieren. Zuerst käme dabei sicherlich ein Zusammengang mit der 34000-Einwohner-Stadt Riesa infrage. Aber auch Zeithain mit seinen etwa 6.000 Einwohnern wäre möglich, genauso wie Cavertitz (2.300 Einwohner) und Liebschützberg (3.200 Einwohner). Dabei hat Zeithain wohl die geringste Chance, wie Heiko Zscheile von der Fraktion der Freien Wähler in Strehla sagt. „Die Elbe ist eine starke Trennlinie. Das zeigt sich in Diera-Zehren. Das ist keine optimale Lösung. So etwas kann ich mir für Strehla nur schwer vorstellen. Der Rest ist alles eine Option“, sagt Zscheile. Riesa sei dabei aus seiner Sicht wohl die beste Lösung. Zahlreiche Strehlaer fahren dorthin zum Arzt und zum Einkaufen, viele haben dort ihren Job. „Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Diese Strukturen bestehen. Allerdings kommen auch viele Kinder und Jugendliche aus Nordsachsen zu uns in die Schule“, sagt Heiko Zscheile.

Aber auch er habe gewisse Vorbehalte, dass Strehla als Riesaer Stadtteil bedeutungslos werden könnte. Zurzeit gebe es 15 Stadträte, in Riesa könnten wohl nur noch etwa zwei die Interessen von Strehla vertreten. „Es ist uns allen klar, dass wir dann auf den guten Willen der Kreisstadt angewiesen wären. Das kann ein Nachteil sein, muss es aber nicht“, so Heiko Zscheile. Unterm Strich müsse genau abgewogen werden, was die Stadt überlebensfähig macht und vor allem, was die Strehlaer wollen.

Die müssten sich bei einer Gemeindehochzeit mit Cavertitz oder anderen Gemeinden in Nordsachsen auf zahlreiche Änderungen einstellen. Die Zugehörigkeit zu einem Landkreis könnten sie nämlich nicht frei wählen. Da wird jener Kreis bevorzugt, der weniger Einwohner hat. Und das ist mit rund 200.000 Bürgern Nordsachen. Im Landkreis Meißen leben über 250.000 Menschen. Für die Strehlaer würde das bedeuten, dass sie nicht nur aus dem Verkehrsverbund Oberelbe ausscheiden würden. Auch das Jobcenter Riesa wäre nicht mehr für sie verantwortlich, sondern das in Torgau. Gleiches gilt für die Kreissparkasse und den Abwasserzweckverband. „Bedenkt man all diese Dinge, bleibt uns kaum eine andere Wahl, als nach Riesa zu gehen“, sagt Heiko Zscheile. Strehla könne dann als Naherholungsgebiet fungieren. Wirtschaftsbetriebe würden sich dort ohnehin nicht ansiedeln, glaubt der Stadtrat.

Laut André Laubner sei die Stimmung bei den Strehlaer Fraktionen geteilt. Fünf Leute hätten sechs Meinungen zu der Gemeindefusion. „Viele wollen allerdings nicht das letzte Rad am Wagen sein. Das könnte bei einem Zusammenschluss mit Riesa drohen“, so Laubner. Das letzte Wort sei dabei noch nicht gesprochen.

Post aus dem Innenministerium

Allerdings hat die Prüfung über eine landkreisübergreifende Gemeinde-Ehe nun auch das Innenministerium auf den Plan gerufen. Das bestätigt die Bürgermeisterin von Cavertitz, Gabriele Hoffmann. „Uns wurde mitgeteilt, dass es eigentlich nicht vorgesehen ist, dass Kommunen über Landkreisgrenzen hinaus fusionieren. Strehla würde nicht aus dem Landkreis Meißen entlassen“, sagt sie auf SZ-Nachfrage. Inwiefern die Geschichte nun noch zur Diskussion steht, könne sie erst nach der nächsten Gemeinderatssitzung sagen. „Wir standen den Überlegungen aufgeschlossen gegenüber“, so Gabriele Hoffmann. Vielleicht lasse sich doch noch etwas machen. „Manchmal lohnt ja ein Streik, auch wenn das zurzeit sicher kein Thema ist“, sagt die Cavertitzer Bürgermeisterin. Ihr Amtskollege Harry Güldner war gestern für die SZ nicht zu erreichen.

Der Meißner Landrat Arndt Steinbach (CDU) zeigte sich von der Idee, Strehla nach Nordsachsen abzugeben, nicht sonderlich angetan. „Der Landkreis Meißen wurde in das Verfahren nicht einbezogen. Für uns ist ein Landkreiswechsel der Stadt Strehla kein Thema“, sagt Steinbach. Ihm sei allerdings bekannt, dass dem Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich eine entsprechende Anfrage Strehlas vorgelegen habe. Die sei vorerst abgelehnt worden.