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Hoffnung für die westliche Innenstadt

1,3 Millionen Euro fließen bis 2021 in den Stadtteil. Einige Projekte laufen schon. Allerdings fallen manche komplett aus.

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Von Ingo Kramer

Bei Wind und Wetter kommt Robert Gröschel mit seinem umgebauten Bollerwagen auf den Lutherplatz. Jeden Dienstag, von 17 bis 19 Uhr. „Konstanz ist wichtig“, sagt der Sozialarbeiter aus der Rabryka an der Bautzener Straße. Wenn er mal da sei, und mal nicht, würden nicht mehr so viele Menschen gezielt zu ihm kommen, vermutet er: „Derzeit sind es bei schlechtem Wetter zehn Leute, bei gutem bis zu 30.“ Der aufgespannte Schirm am Bollerwagen dient abwechselnd als Schutz vor Sonne, Regen und Schnee, am Feuerkorb können sich die Leute aufwärmen – und im Bollerwagen transportieren Gröschel und sein Kollege immer mal was Neues. Diese Woche ist es unter anderem eine tragbare Skaterampe, weil sich das ein Jugendlicher in der Vorwoche gewünscht hatte.

Toralf Arndt hat am 15. Februar das Quartiersmanagement für die westliche Innenstadt übernommen.
Toralf Arndt hat am 15. Februar das Quartiersmanagement für die westliche Innenstadt übernommen. © nikolaischmidt.de

Den Lutherplatz haben sich die beiden nicht zufällig ausgesucht. Er ist das gefühlte Zentrum der Innenstadt West – eines Stadtteils mit vielfältigen sozialen Problemen. Die hat auch die Stadt erkannt – und Ende 2016 aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) 1,3 Millionen Euro bewilligt bekommen. Das Geld soll für 13 gesellschaftliche und soziale Einzelprojekte verwendet werden, die der Aufwertung der Innenstadt West dienen. Robert Gröschel leitet eines davon. Doch wie steht es um die anderen zwölf? Welche werden tatsächlich umgesetzt, welche sind zwischenzeitlich gescheitert? Zu diesen Fragen hat sich die SZ mit Sebastian Kubasch unterhalten, der im Rathaus für das Thema verantwortlich ist.

Fünf Projekte sind schon gestartet, eins beginnt demnächst

Zuerst ging im Juni das Projektmanagement an den Start. Dafür hat das Rathaus Magdalena Dziuk eingestellt. Die Polin ist für diese Stelle ein Glücksgriff, denn mit Antragstellungen und Abrechnungen kennt sie sich aus: Sie hat sieben Jahre lang beim Landkreis die Interreg-Förderung betreut. Eine zweite Stelle konnte am 15. Februar starten: Toralf Arndt fungiert seither als Quartiersmanager. Er sitzt nicht im Rathaus, sondern anfangs erst einmal in der Rabryka – als Schnittstelle zwischen Verwaltung und Trägern. Seine Stelle ist für die gesamte ESF-Projektlaufzeit bewilligt, bis 15. Juni 2021. Bereits im August angelaufen ist „Kinder machen den Stadtteil bunt!“ beim Tierra-Eine-Welt-Verein. Hier geht es darum, Kinder und Familien bei neuen Vorhaben zu beteiligen, etwa bei Planung und Bau von Plätzen und Parks.

Ebenfalls im August konnte „Nachbarschaft leben“ bei der Freien evangelischen Gemeinde (FeG) starten. Sie baut gerade einen „Food truck“, eine Art mobiles Straßencafé, das ab dem Sommer unterwegs sein soll – auch als Werbung für die dann beginnenden Kultur- und Sprachtandems der FeG. Und schließlich ist bereits im Juli in der Rabryka an der Bautzener Straße „MakerSpace“ angelaufen, das Projekt, mit dem Robert Gröschel jeden Dienstag auf dem Lutherplatz zu finden ist. Aber nicht nur dort. Das eigentliche Anliegen, sagt Gröschel, ist es, die Leute vom Lutherplatz abzuholen und mittwochs in die Rabryka einzuladen. Der Mittwoch ist dort der „Selbstmachtag“ mit Bau- und Kochaktionen. „Seither ist es mittwochs tatsächlich immer voll, allerdings bauen die Leute noch nicht so viel wie erhofft“, sagt er.

Ein sechstes Projekt, „Zusammen.wachsen“, hat diese Woche seinen Zuwendungsbescheid erhalten. Inhalt ist ein Stadtgärtnern-Projekt am Pflanzhügel in der Rabryka – mit Pflanz- und Erntedankfesten, Picknick, Kochen sowie Infoabenden zu Kräutern, Rezepten und Ähnlichem.

Vier Projekte sind noch in der Planung oder Vorbereitung

Weitere vier Projekte warten aktuell noch auf ihre Zuwendungsbescheide, darunter „Youthempowerment“, bei dem der Second-Attempt-Verein Jugendliche an der Stadteilgestaltung beteiligen möchte, „Selbst ist die Frau“, wo der Verein Kolaboracja eine Qualifizierung von und für Frauen im Quartier plant, „Wachsender Westen“, bei dem der Wildwuchs-Verein eine Ladenzentrale von Bewohnern für Bewohner aufbauen will und schließlich „Gründer_Zeit!“, wo der Second-Attempt-Verein eine haupt- oder nebenerwerbliche Selbstständigkeit als Perspektive aufzeigen will.

Drei Projekte sind aus verschiedenen Gründen abgesagt

Der Tierra-Eine-Welt-Verein hat „Kultur.Sprache!Zukunft:“ abgesagt. Inhalt war eine Kinderbetreuung, während die Eltern beim Deutschkurs sind. „Eine solche Betreuung bieten die Ausrichter der Deutschkurse aber inzwischen selbst an“, sagt Kubasch. Somit hat sich „Kultur.Sprache!Zukunft:“ quasi erübrigt. Auch die „Kompetenzwerkstatt“ des AUR-Vereins fällt weg. Im Helenenbad war ein Bauprojekt geplant, um Leute für den Arbeitsmarkt fit zu machen. „Für den Verein ist das kräftemäßig nicht zu schaffen“, bedauert Kubasch. Schließlich hatte das DRK unter dem Slogan „Mach mit, mach´s nach“ einen Stadtteilladen oder -café geplant. „Es ist schwer zu sagen, woran das gescheitert ist, aber möglicherweise hat das DRK keinen passenden Laden gefunden“, so Kubasch.

Drei Projekte kommen noch dazu, andere wollen gern verlängern

Drei Träger haben sich inzwischen weitere Projekte überlegt, die noch nicht angelaufen sind. So will der Kulturbrücken-Verein unter dem Motto „Cyrkus.spielt.Platz“ ein interkulturelles Zirkusprojekt für Fünf- bis 18-Jährige auf den Plätzen der westlichen Innenstadt starten. In der Ca-Tee-Drale soll das Stadtteilcafé „InWest“ entstehen – als niederschwelliges Kontaktangebot mit Erstberatung für sozial benachteiligte Menschen jeden Alters und Herkunft. Der Verein Initiative Görlitz plant ein „M.U.T.Büro“, das in erster Linie als Beratungsstelle für psychisch Kranke aus dem Stadtteil dienen soll. Ob dafür ein Büro angemietet wird oder der Verein seine angestammten Räume nutzt, ist noch nicht klar. Andere Projekte wollen gern verlängern und dafür Folgeanträge stellen, darunter „Kinder machen den Stadtteil bunt“, „MakerSpace“ und „Zusammen.wachsen“.

Wegen der abgesagten Projekte muss Görlitz kein Geld zurückgeben

Durch die drei Projektabsagen entsteht kein finanzieller Schaden für Görlitz. „Die 1,3 Millionen Euro sind bewilligt und sicher“, sagt Kubasch. Zwar war auch konkret für diese drei Projekte Geld vorgesehen, aber das könne auch für die neu hinzugekommenen Projekte genutzt werden. Und damit nicht genug. „Wir haben noch 370 000 Euro zusätzlich beantragt“, sagt Kubasch. Das Geld soll für Folgeprojekte der bereits bewilligten Maßnahmen genutzt werden. Sicher ist das zwar nicht: „Aber beim ESF ist noch Geld im Topf, deshalb bin ich optimistisch.“ Kubasch hofft, dass im Spätsommer oder Frühherbst eine Zusage kommt. Auf ein Wort