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Holocaust Museum zeigt „Rassenwahn“-Ausstellung in Dresden

Dresden - Im Sommer 1941 haben die Nazis eines ihrer Verbrechen auf Millimeterpapier dokumentiert. Die Hartheim-Statistik zeigt, welche Einsparungen sich an Lebensmitteln erzielen lassen, wenn geistig behinderte Menschen nicht mehr ernährt werden müssen.

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Jörg Schurig

Dresden - Im Sommer 1941 haben die Nazis eines ihrer Verbrechen auf Millimeterpapier dokumentiert. Die Hartheim-Statistik zeigt, welche Einsparungen sich an Lebensmitteln erzielen lassen, wenn geistig behinderte Menschen nicht mehr ernährt werden müssen. In unterschiedlichen Farben sind die Zahlen der „Desinfizierten“ in den Anstalten Pirna-Sonnenstein, Bernburg, Hartheim und Hadamar notiert. Mit Desinfizierten meinten die Täter des Dritten Reiches getötete Menschen. Sie waren beim so genannten Euthanasie-Programm der Nazis vergast worden.

Das Blatt Millimeterpapier gehört zu den rund 400 Exponaten, die das United States Holocaust Memorial Museum Washington D.C. erstmals außerhalb Nordamerikas zeigt. Für die Schau „Deadly Medicine. Creating The Master Race“ (Deutscher Titel: „Tödliche Medizin. Rassenwahn im Nationalsozialismus“) bewarb sich das Hygiene-Museum Dresden und erhielt nach reiflichem Nachdenken der Amerikaner den Zuschlag. „Das Deutsche Hygiene-Museum war eine Täterinstitution“, sagt Museumschef Klaus Vogel. Es habe damals mit Unterrichtsmaterial, Filmen und Ausstellungen progagiert, was „lebenswert“ war oder nicht.

Von diesem Donnerstag an sind in Dresden erschütternde Dokumente eines Verbrechens zu sehen, das in der gezielten Vernichtung eines ganzen Volkes gipfeln sollte und sechs Millionen Juden das Leben kostete. Die „Endlösung“ ist im letzten Teil der Ausstellung thematisiert. Sie blickt auch auf Anfänge der Eugenik in den Jahren 1920er Jahren zurück. Damals hielten es Humangenetiker nicht nur in Deutschland für einen Segen, mit Forschungen zum Erbgut des Menschen Krankheiten auszumerzen und das Volk gesunden zu lassen. Unter Adolf Hitlers NS-Regime wurde das Anliegen radikal instrumentalisiert.

Ärzte, Erbforscher und Schreibtischtäter sollten die angebliche biologische Überlegenheit der „arischen Herrenrasse“ belegen. Die Folgen sind bekannt. Dabei machten die Nazis auch vor eigenen Volksgenossen nicht halt. Von 1933 bis 1945 ermordeten sie mehr als 200.000 Menschen im Zuge der Euthanasie, 400.000 weitere wurden Opfer von Zwangssterilisationen. Das Volk wurde großflächig eingestimmt: Auf einem Plakat leidet ein Hüne unter der Last zweier Männer auf seinem Rücken. „Hier trägst Du mit - Ein Erbranker kostet bis zur Erreichung des 60. Lebensjahres im Durchschnitt 50.000 Reichsmark.“

„Es gibt Momente, wo es einem kalt den Rücken herunterläuft“, sagt die Anglistin Antje Uhlig. Sie hat die Exposition aus Washington für Dresden eingerichtet. Da gibt es zum Beispiel die Fotoserie, wo psychiatrische Patienten im okkupierten Weißrussland zur Vergasung gebracht werden. Ein Mann lächelt den Fotografen geradezu an. Auch das Bild der jungen Frau mit Kind kurz vor einer Massenerschießung in Lubni (Ukraine) lässt den Betrachter nicht los. Am Ausgang hängen Fotos und Biografien von Protagonisten des Rassenwahns - für viele ging nach dem Zweiten Weltkrieg die Forscherkarriere weiter. „In den USA und Kanada haben 720.000 Menschen die Ausstellung gesehen“, berichtet die amerikanische Kuratorin Susan Bachrach. Großen Zuspruch erhofft sich auch das Deutsche Hygiene-Museum, wo die „Tödliche Medizin“ bis 24. Juni 2007 zu sehen ist. Für Schüler gibt es Führungen, sie werden auch in Englisch, Französisch, Tschechisch und Polnisch angeboten. Anmeldungen aus Bonn, Hamburg oder Köln liegen bereits vor.

Das Hygiene-Museum versteht das Projekt zugleich als Beitrag im Kampf gegen jene, die Verbrechen der Nazis leugnen oder verharmlosen. „Wir sollten alle Chancen nutzen, die Menschen über den Nationalsozialismus aufzuklären und klarzumachen, was Ausgrenzung und Rassenhass bedeuten“, sagt Vogel. (dpa)