Merken

Hopfen und Malz gewonnen

Jens Zimmermann bringt als Biersommelier Geschmacksnerven auf Touren und lädt passenderweise zum Stammtisch.

Teilen
Folgen
NEU!
© Christian Juppe

Von Nadja Laske

In der Wirtschaft Zum Dorfkrug gäbe es fragende Blicke. Dort gehört ein Bier in die Flasche. Oder in den Humpen. Mindestens aber ins Bierglas. Jens Zimmermann lässt seins langsam in ein Sektglas rinnen. Unerhört? Ein Sommelier darf das.

Auch die Zutaten wie Gerste...
Auch die Zutaten wie Gerste... © Christian Juppe
und Malz nimmt er fachmännisch unter die Lupe und die Nase.
und Malz nimmt er fachmännisch unter die Lupe und die Nase. © Christian Juppe

Er muss sogar. Schließlich gehört zu den Aufgaben des Fachmannes herauszufinden, wie welches Bier seine Aromen optimal entfaltet. Die Form des Glases ist dabei entscheidend, wenn auch eins für Sekt recht experimentell wirkt. Zudem kommt es auf die Trinktemperatur an und auf kulinarische Finessen, die das Bier im Mund trifft. Das sollten nicht immer nur Fettbemmchen oder Grillwurst sein.

Sommeliers gibt es für Wein und Whiskey, inzwischen sogar für Käse und Brot. Warum nicht auch für Bier? „Mich hat gestört, dass Wein zelebriert, Bier aber einfach nur gebracht wird“, sagt Jens Zimmermann. Damit ist er nicht allein. Mehr als 1000 Gleichgesinnte sind im Verband der Diplom-Biersommeliers organisiert. Der ist in Österreich beheimatet, fürs deutsche Verständnis entspricht das „Diplom“ keinem wirklichen. Doch ausgebildet sind sie alle, haben schon vor der Schulung und Prüfung mit Braukunst, Biervertrieb oder Gastronomie zu tun gehabt und müssen den Gerstensaft vom Getreide bis an den Gaumen verstehen.

Jens Zimmermann war einst Klempner und erfand sich nach der Wende beruflich neu. Er wurde Verkäufer und vertreibt inzwischen seit 25 Jahren Bier. Als Außendienstler kommt er in der Gastronomie herum. Dort ist Bier zwar allgegenwärtig und gilt als Grundnahrungsmittel – kein Grund jedoch, es nicht auch als Genussmittel zu behandeln. Wenn Zimmermann nicht gerade Kunden berät und mit Nachschub versorgt, unternimmt er gern mit Gästen eine „Bierische Reise“. Nur selten last minute, hauptsächlich auf Nachfrage und länger geplant. Schließlich will ein solcher Ausflug in den tiefgründigeren Biergenuss gut vorbereitet sein.

Bockbier ohne Bock

In seiner zweiwöchigen Ausbildung zum Biersommelier hat der gebürtige Striesener gelernt, wie viele verschiedene Hopfensorten, Malze und folglich Bierstile es gibt, von welchen chemischen Abläufen die Braukunst abhängt, was beim Bierzapfen zu beachtet ist und wie man Schankanlagen reinigt. „Allein in Deutschland gibt es 6 000 bis 7 000 verschiedene Biere, gebraut in etwa 1 400 Braustätten“, sagt der Sommelier. Hobbybrauer und Hausbrauereien kreieren immerzu neue, und auch die großen Unternehmen bleiben nicht bei ihren Sortimenten stehen. „Nach der Schulung weiß man, wo man weitermachen will“, sagt Zimmermann. Zum Lehrplan gehört auch das Beschreiben von Bieren, ihr Geschmack und Geruch, das Brickeln am Gaumen und wie sich das alles nach einigen Momenten im Mund verändert. Dazu tragen Speisen gut bei. Jens Zimmermann garniert Büffelmozzarella mit englischer Orangenmarmelade, kombiniert Pumpernickel, Ziegenkäse und Trockenpflaumen, bricht Chilischokolade in kleine Stücke. „Manchmal ist es, als ob sie miteinander tanzen“, sagt er über Häppchen und Hopfengetränk. Beides vereint, müsse harmonieren wie in einer guten Partnerschaft. Dann kommen die Geschmacksnerven auf Touren. Wer spüren will, wie das Bier den Mozzarella umspült, darf nicht gierig sein. Mit Geduld sollte er den Geschmack prüfen und wird mit etwas Übung erstaunliche Aromen entdecken.

Ob ein Bier gut oder weniger gut schmeckt, das nun wiederum beurteilt ein Biersommelier nicht. „Ich verstehe mich eher als eine Art Galerist. Ich präsentiere und beschreibe Biere, kombiniere sie und achte darauf, dass ihre Merkmale besonders gut zur Geltung kommen.“ Auch erklären kann er sie, gelegentlich mit einem Augenzwinkern: „Bockbier hat weder mit Ziegen noch mit Schafen zu tun. Der Name kommt von der Stadt Einbeck, wo es ursprünglich gebraut wurde.“ Auch zum Thema grüne und braune Bierflaschen weiß er etwas zu sagen. In den Kaufhallen der DDR blieben oft die grünen Glasflaschen in den Kästen zurück. Wer zuerst kam, sortierte sich die braunen aus, späte Käufer mussten sich mit dem grünen Rest begnügen. Dass sie das meist ungern taten, hat nicht nur mit ästhetischem Empfinden zu tun. „Bier sollte immer dunkel und kühl gelagert werden. Ansonsten verdirbt es in grünen Flaschen wirklich schneller als in braunen“, sagt der Bierkenner. Braunes Glas bietet besseren Schutz vor UVA-Lichtstrahlen. Die führen dazu, dass sich die Bitterstoffe des Bieres in einen sehr unangenehmen Geschmack verwandeln. Hopfen und Malz sprichwörtlich verloren sind dann aber nicht. Das passiert mitunter schon viel früher und meint, dass der Biersud und damit das Gros der teuersten Rohstoffe, Hopfen und Malz, verdorben ist.

Stammtisch der Kenner

So kann Jens Zimmermann lange und leidenschaftlich erzählen. Wenn er mehr Zeit hätte, täte er es öfter. Doch sein Job ist der Vertrieb. Als Sommelier geht er bislang hobbymäßig auf Mission. In Dresden hat er Ende vergangenen Jahres das erste Treffen der Biersommeliere Ostdeutschlands organisiert und leitet die Sektion. Zwölf Kollegen kamen zusammen und wollen das an Stammtischen künftig regelmäßig tun. Kein Möbel kann passender sein für eine solche Bierkennerrunde.

Kontakt: [email protected]