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Auf halber Strecke

Wenn der „Schwarze Müller“ Dieter Klimek durch seinen Lieblingsplatz, Hoyerswerdas Altstadt, geht, wechseln sich Freude und Kritik ab.

Von Marcel Pochanke
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Dieter Klimek mal nicht als „Schwarzer Müller“ sondern in Zivil beim Rundgang durch seinen Lieblingsplatz, der Altstadt seiner Heimat Hoyerswerda.
Dieter Klimek mal nicht als „Schwarzer Müller“ sondern in Zivil beim Rundgang durch seinen Lieblingsplatz, der Altstadt seiner Heimat Hoyerswerda. © Foto: Marcel Pochanke

Hoyerswerda. Die neue Krabat-Bank auf dem Hoyerswerdaer Marktplatz sieht Dieter Klimek, vielen bekannt als der „Schwarze Müller“ von der Krabat-Mühle, durchaus positiv: Hier könne man sehen, wie die Stadt versucht, Alleinstellungsmerkmale zu schaffen und sich bemüht, ihre Schätze hervorzuheben – von denen es nach seiner Auffassung so viele gibt. Was man sich bei der Umsetzung genau gedacht hat, und ob es die beste Stelle ist? „Ich akzeptiere es einfach.“ Der Ausflug zum Lieblingsplatz von Dieter Klimek wird nicht nur ein Fest. „Sie werden sehen, worauf ich hinauswill“, sagt er anfangs. Er wird sich freuen, er wird schwärmen, aber er wird auch nachdenklich sein. „Sehen Sie, diese Abwartehaltung ist völlig falsch“, wird er am Ende sagen. Zwar sieht er, wie Hoyerswerda seine Schönheit wieder hervorschält, aber es geht ihm nicht schnell genug. „Nach der Wende wollte ich die wunderschöne Stadt unterstützen. Ich wollte meine Altstadt verändern.“ Auf dem Weg zum Besseren sei, so Klimek, irgendwann „die Zeit stehengeblieben.“

Ein Beispiel, das er dabei im Sinn hat, mag er gar nicht zeigen. „In die Lange Straße gehe ich nicht mehr rein! Du blamierst dich auf die Knochen – das soll eine Prachtstraße sein.“ So hübsch die restaurierten Häuschen in der Gasse auch sein mögen: Klimeks Traum war ein Handwerkergässchen, in dem der Besucher in Schaugeschäfte und Werkstätten und kleine Läden blicken kann, ähnlich denen in Städten wie Prag oder Wroclaw. Davon keine Spur. Auch von der Vision nicht, das Dreieck aus Langer Straße, Senftenberger Straße und Kirchstraße in der Altstadt autofrei zu machen und touristisch als Flaniermeile zu vermarkten. Ein großer Wagen fährt auf der Senftenberger Straße vorbei, als er davon berichtet. Er tut das nicht zornig oder bitter. Er spricht wie einer, der fest an das glaubt, was er sagt, er weicht Fragen und Einwänden nicht aus, im Gegenteil. Voller Neugier nimmt er sich ihrer an. Denn es geht um seinen Lieblingsplatz.

Der Schwarze Müller aus der Krabat-Mühle ist hier in der Altstadt von Hoyerswerda aufgewachsen. „Ich gebe mir Mühe, einmal im Monat in meine alte Heimat zu kommen“, sagt der 73-Jährige. Das Antlitz und die Geschäfte änderten sich laufend – so wie der Lieblingsplatz im Laufe der Jahre. „Mein erster war der Kindergarten am Zoo. Ich wollte da immer gern hin“, erinnert er sich. Es ging weiter mit der Oberschule 2 in der Schulstraße, „eine der schönsten, die Hoyerswerda hatte“, so Klimek. Dann wurde der Sportplatz von Lok Hoyerswerda für den leidenschaftlichen Fußballer der liebste Platz. Oder das Kulturhaus der Eisenbahner, „wir haben gefetet ohne Ende.“ So ging es weiter, bis Klimek nach Schwarzkollm zog. Die Heimat, die Altstadt von Hoyerswerda, ist der Lieblingsplatz geblieben. „Den Lieblingsplatz habe ich immer danach ausgesucht, wo ich mit Menschen Kontakt hatte.“ Beim Rundgang grüßt er immer wieder Menschen. Auf seinen Besuchen schaue er fortwährend in Geschäfte, neue und alte, sucht den Austausch, berichtet er. Doch bei aller Liebe – die Enttäuschung über schleppende Entwicklung an dieser Herzensstelle und die ausbleibende Anerkennung für seine vielfältigen und ambitionierten Ideen waren zugleich ein Ausschlag, sich neu zu orientieren. Die Krabat-Mühle gab ihm die Möglichkeit, sich so zu verwirklichen und einzubringen, wie er es möchte.

Dieter Klimek beim herzlichen Austausch mit Kirsten Böhme vom Verein zur Pflege der Regionalkultur der Mittleren Lausitz e.V.. Das sorbische Erbe ist ihm in der Stadt viel zu wenig sichtbar.
Dieter Klimek beim herzlichen Austausch mit Kirsten Böhme vom Verein zur Pflege der Regionalkultur der Mittleren Lausitz e.V.. Das sorbische Erbe ist ihm in der Stadt viel zu wenig sichtbar. © Foto: Marcel Pochanke

„Es tut sich was!“ sagt Kirsten Böhme, Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins zur Pflege der Regionalkultur der Mittleren Lausitz e.V. „Aber zu langsam“, antwortet Dieter Klimek. Der Dialog spielt sich im Domizil des Vereins auf der Senftenberger Straße ab, das er im Rahmen des Lieblingsplatzes unbedingt zeigen will. „Manche Stadtführer gehen hier vorbei“, denen solle man die Zulassung auf der Stelle aberkennen, sagt er. „So hat hier alles begonnen“, schwärmt er im Laden. „Das sollte sich in der Stadt für den Besucher widerspiegeln. Und – merken Sie was?“ fragt er rhetorisch. Nebenan die Gaststätte sollte für Veranstaltungen und Brauchtumspflege hergerichtet werden, aber die Unterstützung sei nicht wie nötig gekommen von der Stadt. Über Jahre sei man nicht in den Kulturrahmenplan aufgenommen worden. „Das hätte gepasst“, sagt Dieter Klimek, „wir wollten die Welt verändern.“ „Wir wollten alle die Welt verändern, dachten nur, dass es schneller geht“, ergänzt Kirsten Böhme. Ein Satz wie aus einen Hoyerswerda-Roman. Was nutze es, Projekte auf die Beine zu stellen, wenn die Leute nicht langfristig davon leben können, wenn es etwa um alte Handwerkstechniken geht? Hier könnte sich der Kreis zur Belebung der Langen Straße schließen.

Dieter Klimek drängt weiter, nur ein paar Schritte zum Elster-Seitenarm. Hier, wo dieser unter der Senftenberger Straße durchfließt, sei er als Kind baden gegangen, so Klimek. Und heute? Er schlägt den Bogen zum „Tor zum Lausitzer Seenland“ als das sich Hoyerswerda vermarkten möchte. Und wieder fragt er den Begleiter, was er denn wirklich davon sehe. Dann berichtet Klimek von seiner Idee, den Elsterarm anzustauen. Dann könne man aus dem Herzen von Hoyerswerda direkt zum Seenland schippern. Stattdessen aber, berichtet er, habe man den Flussgrund „mit Ziersteinen vollgeballert. - Das wächst zu. Dann siehst du nichts mehr von dem vielen Geld.“

Die Schaufenster der verlassenen Geschäfte, schlägt er weiter vor, Vereinen zur Selbstdarstellung zur Verfügung zu stellen. Doch hier haben die Eigentümer das Sagen. Oder die Mieter, wie bei den Geschäftsräumen einer Versicherung. In diesem Fall sind Schaufenster mit abweisenden weißen Stores zugehängt - „was sollen Besucher davon halten?“ Und leitet über zu der Frage: „Warum ist hier ab 18 Uhr alles leer?“ Dieter Klimek wünscht sich das Beste für „seine“ Altstadt, das wird offenkundig. Er berichtet, wie er mit der Krabat-Mühle Werbung für die gesamte Lausitz macht. Die Figur des Schwarzen Müllers habe er bewusst für die Region entwickelt. Sie gibt ihm viele Freiheiten, den Finger zu erheben oder nachzufragen. „Der interessiert sich, was aus dem Seenland, das aus der Kohle entstanden ist, für die Zukunft wird.“ Die Krabat-Sage lege nahe, dass es auf der Welt „noch etwas anderes als Reichtum und Macht“ gebe. Das gelte heute mehr denn je.

Der wahre Reichtum seiner Stadt bestehe in den vielen Möglichkeiten, die es endlich wirklich zu nutzen gelte. An vielen Stellen mache sie es auch ganz gut, neues Flair zu verbreiten. Selbst habe er, auch als eine ganze Generation die Stadt verließ, nie ans Weggehen gedacht. Er wollte dabei sein, wenn die Stadt so umgestaltet wird, dass „die Menschen, die hierblieben, sich wohlfühlen.“

Tatsächlich ist er stolz auf vieles, das sich verändert hat. Nur mit dem Tempo und der Konsequenz ist der Mann mit den vielen Ideen nicht einverstanden. Dann steht er auf dem Markt, und seine Augen leuchten - oder ist das ein Blitzen? Bei aller Kritik schauen vor allem Wohlwollen und Leidenschaft hindurch. Uns wie nebenbei schafft er, der erfahrene Stadtführer, es, dem Gast ganz besondere Facetten einer wunderbaren Stadt zu zeigen.