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Der Weiße Ring sucht Mitstreiter

Der sächsische Landesvorsitzende Geert Mackenroth war deshalb jetzt in Hoyerswerda unterwegs.

Von Mirko Kolodziej
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Geert Mackenroth ist Landtagsabgeordneter der CDU und seit 2014 auch Sachsens Ausländerbeauftragter. Von 2004 bis 2009 war er Justizminister.
Seit 2010 steht der 71-Jährige dem Landesverband des Weißen Ringes vor.
Geert Mackenroth ist Landtagsabgeordneter der CDU und seit 2014 auch Sachsens Ausländerbeauftragter. Von 2004 bis 2009 war er Justizminister. Seit 2010 steht der 71-Jährige dem Landesverband des Weißen Ringes vor. © Foto: Uwe Schulz

Herr Mackenroth, was macht der sächsische Landesvorsitzende des Weißen Rings in Hoyerswerdas Rathaus?

Der Landesvorsitzende hat mit dem Oberbürgermeister über die Strukturen des Weißen Rings im Kreis Bautzen gesprochen. Wir haben den Eindruck, dass wir hier im Norden des Kreises noch nicht richtig gut aufgestellt sind. Wir haben in Bautzen eine ordentlich besetzte Außenstelle, auch, weil ich da mal den Oberbürgermeister besucht habe. Es wurde dann ein wenig getrommelt, um Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu finden, Leute, die ein bisschen Erfüllung im Ehrenamt suchen. Nun hat mir der Oberbürgermeister von Hoyerswerda seine Unterstützung für die Anwerbung von Mitgliedern hier im Norden des Kreises Bautzen zugesichert.

Was benötigen Sie außer vielleicht einem Raum und Leuten?

Einen Raum finden wir. Da sind wir mit dem Oberbürgermeister in einem guten Gespräch. Wir brauchen aber tatsächlich Menschen, die anderen Leuten helfen wollen. Wir suchen Leute, die wie ich als früherer Justizminister auch, sagen, wir kümmern uns viel um die Spitzbuben und die Täter, während das Opfer sehr schnell alleine ist. Es geht zur Polizei, wird vernommen, unterschreibt das Protokoll und verlässt dann das Polizeigebäude. Genauso bei der Staatsanwaltschaft und vor Gericht. Das Opfer ist als Zeuge Teil des Strafverfahrens. Es wird, wenn es Pech hat, von einem harten Anwalt durch die Mangel gedreht. Dann geht es nach Hause und ist mit seinen Nöten alleine.

Was tun Sie dagegen?

Wir sind die größte Opferschutzorganisation in Deutschland. Die unselbstständigen Landesverbände haben Außenstellen mit Mitgliedern und geschulten Ehrenamtlern, die bereitstehen, Menschen, die sich alleingelassen fühlen, die nicht weiter wissen, zu helfen. Das ist ganz vielfältig, denn die Nöte von Menschen, die Opfer einer Straftat geworden sind, sind sehr unterschiedlich. Es kann sein, dass ein junger Mann eine Wirtshausschlägerei relativ schnell wegsteckt und eine Seniorin sich nach einer Beleidigung oder einem Handtaschenraub extrem verunsichert fühlt.

Sie geben juristische Unterstützung und menschliche Zuwendung?

Das Tollste, was der Weiße Ring anbieten kann: Er hat Zeit für die Opfer, hört sie an, lässt sie sich aussprechen. Und dann finden unsere geschulten Mitarbeiter heraus, was ein Opfer an Hilfe braucht. Das kann juristische Hilfe sein. Wir stellen Anwalts-Schecks aus, mit denen die Leute sich juristisch beraten lassen können. Es kann aber auch sein, dass es eine Auseinandersetzung um eine Entschädigung gibt, bei der Behördengänge zu erledigen sind. Oder es ist die Begleitung zu Gerichtsverhandlungen. Bei Vergewaltigungsopfern geht es oft um medizinische Fragen. Paradefall ist unser Therapie-Hund für traumatisierte Opfer.

Welche Eignungen muss man als Ehrenamtler bei Ihnen mitbringen?

Zunächst einmal ein großes Herz und Empathie für die Opfer. Und man muss den Willen haben, Zeit zu investieren. Es ist hilfreich, aber keineswegs notwendig, dass man sich ein bisschen in den Strukturen der bundesdeutschen Justiz auskennt. Aber da werden alle Ehrenamtler geschult und bekommen ein Handbuch, sodass sie wissen, wo sie einen Ansprechpartner finden. Idealtypisch suchen wir frisch pensionierte Polizisten und Polizistinnen oder Lehrerinnen und Lehrer. Aber natürlich gibt es auch andere Berufsgruppen, die passen. Wichtig ist die Bereitschaft, sich einzubringen.

Braucht man auch ein dickes Fell, damit einem das, was man erfährt, nicht allzu nahe geht?

Distanz ist eines unserer Prinzipien. Eine professionelle Opferarbeit ist bei zu geringer Distanz und Über-Engagement nicht möglich. Bei aller Empathie für das Leid, haben wir gewisse Sicherungen. Zum Beispiel gibt es nie Gespräche in der Wohnung eines Opfers. Und wenn es weibliche Opfer sind, ist immer eine Mitarbeiterin dabei. Das Verfahren ist so angelegt, dass Mitgefühl nicht in sehr persönlichen Beziehungen münden kann.

Haben Sie sich für Hoyerswerda ein zeitliches Ziel gesetzt?

Der Oberbürgermeister und ich waren uns einig, dass wir nicht eine schnelle, sondern eine nachhaltige Lösung wollen. Wenn sich jetzt Menschen bereit finden, sich dieser Aufgabe zu widmen, dann führen wir Vorgespräche. Passt es, werden sie in das Programm aufgenommen und dürfen erst einmal hospitieren. Schließlich gibt es ein Grund- und später noch ein Aufbauseminar. Das Grundseminar dauert ein langes Wochenende. Dabei wird man in die Vereinsstrukturen und in die Grundlagen der Opferarbeit eingeführt.

Also: Ende des Jahres?

Na ja, wann wir fertig sind, müssen wir sehen. Es kann sein, dass wir, wenn es klappt, schon im Sommer die ersten Opferhelfer ins Grundseminar schicken. Danach können sie loslegen. Dann werden sie von der Außenstelle in Bautzen betreut. Vielleicht schaffen wir es auch, wie in anderen Orten Sprechstunden in den Räumen der Verbraucherzentrale oder des Jobcenters anzubieten. Aber wir sind flexibel.

Kontakt: Landesbüro Sachsen,
Tel. 0351 - 850 744 96, [email protected]