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Die Teschen im Blick der Geschichts-Forschung

Mit neuen Erkenntnissen lässt sich das Wirken der Adligen in und um Hoyerswerda relativieren.

Von Mirko Kolodziej
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Ursula Katharina von Altenbockum
(* 25. November 1680 in Warschau -Polen-
† 4. Mai 1743 in Dresden) hier auf einem Gemälde von Rosalba Carriera
Ursula Katharina von Altenbockum (* 25. November 1680 in Warschau -Polen- † 4. Mai 1743 in Dresden) hier auf einem Gemälde von Rosalba Carriera © Stadtmuseum Hoyerswerda / Staatliche Kunstsammlung

Hoyerswerda. Als die wahrscheinlich bekannteste Frau aus Hoyerswerdas Historie am 17. Februar 1705 die damalige Standesherrschaft Hoyerswerda übernahm, trug die 24-Jährige ihren heute lokal so berühmten Namen gerade wenige Monate. Zur Welt gekommen war sie 1680 als Spross des ursprünglich westfälischen Adelsgeschlechtes derer von Altenbockum. Erst Ende August 1704 wurde Ursula Katharina von Altenbockum durch Kaiser Leopold I. zur Reichsfürstin von Teschen erhoben. Der Begriff leitet sich vom gleichnamigen Herzogtum ab. Heute bezeichnet er auf Polnisch noch die Stadt Cieszyn in der Woiwodschaft Schlesien.

Ein Pfarrer lobt eine Adlige

Die Teschen, so heißt es in Hoyerswerdas offizieller Geschichtsschreibung, habe in großzügiger Weise das Handwerk in Hoyerswerda gefördert. Durch ihre kluge Verwaltungspolitik, so sagt es die Webseite der Stadt, entwickelte sich Hoyerswerda zu einem blühenden Handwerkerstädtchen. Aber wie machte sie das genau? Und warum? Den Grundstein dafür, was man sich heute so über sie erzählt, legte wahrscheinlich Salomon Gottlob Frentzel. Der Pfarrer aus Schwarzkollm war ein Zeitgenosse der Fürstin. Seine Hoyerswerda-Chronik veröffentlichte er 1744, ein Jahr nach ihrem Tode. „Ihro Durchlauchtigkeit haben zwey und dreyßig Jahre mit grossem Ruhm regieret, und sich gegen Dero Unterthanen allezeit sehr gnädig und mildreich erwiesen, daß Dero Gedächtniß allhier so bald nicht verlöschen wird“, heißt es in der Frentzel-Chronik von 1744.

„Das wird sie schon gemacht haben, aber nicht ohne Sinn und Grund“, sagt Marcel Steller vom Stadtmuseum über die Story von der Handwerks-Förderung. Der Historiker verweist im selben Atemzug auf den Merkantilismus: Der Adel wollte seinen hohen Ausgaben sichere Einnahmen entgegenstellen und förderte deshalb die Produktivkräfte. Das konnte jedoch auch schon einmal bedeuten, weniger profitablem Handwerk die Basis zu entziehen. Ursula Katharina von Teschen hat in zumindest einem Fall genau das getan. Steller und seine Kollegin Boglárka Ilona Szücs, die wissenschaftliche Leiterin des Museums, haben jüngst im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Nummer 23 aus der Reihe „Neue Hoyerswerdaer Geschichtshefte“, interessante Details zum Thema „Die Teschen und das Handwerk“ publiziert. Während Szücs sich den Zeidlern widmete, die im Wald Honigproduktion betrieben, forschte Steller zum Weinanbau rund um die Stadt Hoyerswerda.

Was mögen die Zeidler gesagt haben?

Steller sieht es so, dass eine wirkliche wissenschaftliche Beschäftigung mit der Figur der Reichsfürstin in Hoyerswerda lange nicht stattgefunden hat. Das heißt vor allem, Quellen zu finden und ihre Aussagen in Beziehung zu ihrem Entstehen zu setzen: „Warum schreibt jemand etwas auf und in welchem Kontext?“ Die Arbeit daran ist dank Internet leichter geworden. Blieb früher nur der Weg in die diversen Archive, werden mehr und mehr historische Schriften online zugänglich gemacht. So stieß Boglárka Ilona Szücs auf ein Buch von 1774. Der Malschwitzer Pfarrer und Bienenkundler Adam Gottlob Schirach hat darin unter anderem aufgeschrieben, wie die Waldbienenzüchter unter der Herrschaft der Teschen ihre Privilegien einbüßten. So durften sie die Zeidelbäume, in denen ihre Bienen lebten, nach Fällung nicht mehr behalten. Vielmehr kamen die Förster zum Zuge. Und: Jeder neue Baum, den sie bewirtschaften wollten, kostete plötzlich eine Gebühr von sechs Groschen. „Wurde im Mittelalter dem Wald eine Vielzahl von Produkten entnommen, die einen wesentlich höheren Stellenwert hatten als das in überdurchschnittlichen Mengen zur Verfügung stehende Holz, so galt im aufkommenden 18. Jahrhundert nun das Interesse der gewinnorientierten Waldwirtschaft“, schreibt Szücs im Geschichtsheft. Das Licht der Zeidlerei sei in Konkurrenz zur Forstwirtschaft erloschen. Die Betroffenen dürften Frentzels Einschätzung zur Gnade und Milde der im Raum Hoyerswerda lokal verantwortlichen Adligen aus Dresden wohl kaum geteilt haben.

Marcel Steller wiederum fand heraus, dass die Geschichtsschreibung der Fürstin Teschen zumindest in einem Fall etwas gutschrieb, was wahrscheinlich überhaupt nicht ihr Verdienst gewesen ist. Man sei bisher davon ausgegangen, dass die Anlage der Weinberge in Nardt und in Neida mit der Förderung von Handwerk und Handel in der Zeit zwischen 1705 und 1737 zu tun hatte. Nun machte Steller jedoch eine Veröffentlichung von 1860 ausfindig, die sich wiederum auf einen Bericht von 1694 bezieht. Elf Jahre vor der Übernahme der Standesherrschaft Hoyerswerda durch die Teschen war darin bereits von den beiden Weinbergen die Rede. Und Steller geht noch weiter: „Ebenso fehlen bis heute die Primärquellen, um die These zu stützen, dass Reichsfürstin von Teschen (...) die große Förderin des Handels in der Stadt war.“ Eine gestiegene Anzahl an Handwerkern sei erst nach ihrem Tode belegt. Und sogar erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts habe das Handwerk in Hoyerswerda eine gewisse Stärke erreichen können.

Fleißige Leute in Hoyerswerda

Das Teschen’sche Statutenbuch von 1723 bestätige lediglich von den Vorbesitzern der Herrschaft vergebene Privilegien. Eine Verbesserung von Handel oder Weinbau habe während der 32-jährigen Herrschaft der Teschen nicht in dem Maße stattgefunden wie bisher angenommen. Immerhin: Die Leute von Hoyerswerda müssen schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts fleißig gewesen sein. Denn Boglárka Ilona Szücs fand heraus, dass die Herrschaft Hoyerswerda nach dem Rückkauf durch das Dresdener Kurfürstenhaus zum Kammergut umgewandelt wurde – und es blieb: „Es sollte von nun an keinem Standesherrn mehr unterstehen und im persönlichen Besitz Friedrich Augusts II. und seiner Erben verbleiben. Kein Wunder, denn Hoyerswerda hatte seine jährlichen Pachterträge nicht nur von jährlich 7.000 auf über 13.000 Taler steigern können, sie stiegen überdies stetig weiter“, heißt es im Geschichtsheft.

Der Dresdener Hof dürfte sich über die Zahlungen aus der Lausitz gefreut haben. Nicht nur die Hofhaltung kostete schließlich einiges. 1756 begann auch der kostspielige Siebenjährige Krieg.

Gestorben als eine von Württemberg

Zu diesem Zeitpunkt war Ursula Katharina von Altenbockum, die Reichsfürstin von Teschen, freilich schon seit 13 Jahren tot. Sie wurde 62 Jahre alt. Man begrub sie in der Jesuitenkirche im böhmischen Leitmeritz (Litomerice) – und zwar als eine „von Württemberg“. Denn die Vereinbarung ihrer 1722 geschlossenen Ehe mit dem Prinzen Friedrich Ludwig von Württemberg-Winnental sah auch die Übernahme von dessen Namen vor. Die beiden hatten sich im Übrigen mitnichten das Schloss in Hoyerswerda zur Sommer- und Jagdresidenz erkoren, sondern das Schloss in Neschwitz. Nachdem der Prinz 1734 bei einer Schlacht ums Leben kam, zog seine Frau sich nach Dresden zurück. Drei Jahre später schloss sie das Kapitel Hoyerswerda endgültig.