SZ + Hoyerswerda
Merken

„Diese Arbeit ist ein Glücksfall für mich“

Nach vielen Jahren im Bäckereibetrieb fand Sabine Gotscha-Schock neue Herausforderungen bei der Kreishandwerkerschaft.

 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Sabine Gotscha-Schock vertritt die Interessen vieler verschiedener Innungen und berät sie zu vielfältigen Themen.
Sabine Gotscha-Schock vertritt die Interessen vieler verschiedener Innungen und berät sie zu vielfältigen Themen. © Foto: Angela Donath

Von Angela Donath

Hoyerswerda. Sabine Gotscha-Schock, Jahrgang 1961, ist verheiratet, hat erwachsene Kinder und ist in Grüngräbchen aufgewachsen. Aber sie ist, wie sie selbst sagt, seit langem überzeugte Hoyerswerdaerin. Ihr Name ist vielen Handwerkern des gesamten Landkreises Bautzen und auch darüber hinaus ein Begriff. Seit 2010 ist sie Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Bautzen.

Diese Aufgabe erfüllt sie mit großem Engagement und mit Leidenschaft. „Ich kann meine Arbeit im Interesse der Handwerksbetriebe selbst gestalten, wir arbeiten eng zusammen. Diese Arbeit ist ein Glücksfall, und ich bin froh, dass sich alles so gefügt hat“, sagt sie voller Überzeugung. Dabei gab es in ihrem Arbeitsleben auch andere Zeiten – doch der Reihe nach.

Nach dem Abitur in Kamenz studierte die Hoyerswerdaerin an der TU in Dresden Betriebswirtschaft. Nach dem Abschluss boten sich die einzigen freien Stellen der Umgebung in Hoyerswerda an, zuallererst eine Stelle als Hauptbuchhalterin in der Molkerei. „Immer nur Zahlen und Bilanzen – das war nicht meins“, sagt sie lächelnd. Doch sie hatte Glück. In der ehemaligen Großbäckerei Hoback musste bald die Betriebsleiterstelle neu besetzt werden. „Ich schrieb dort meine Diplomarbeit, und ich wurde dort auch angenommen. Seit 1982 bin ich nun in Hoyerswerda.

Meine Kinder gingen hier zur Schule, wir konnten all die guten Angebote der damals jungen Stadt nutzen, beispielsweise tanzten meine Töchter in der Ballettgruppe der Lausitzhalle – alles war gut.“ Mit der Wende musste sich das Unternehmen Hoback neuorientieren. Bis zu 250 Menschen waren einst hier in Arbeit. Im Sommer 1990 wurde die Bäckerei, wie so viele damals, zunächst zum Treuhand-Betrieb. Ein Jahr später stieg die Bäckersfamilie Heberer aus Offenbach in Hoyerswerda ein. Hoback wurde zu Heberer, Sabine Gotscha-Schock blieb – für einige Zeit war sie sogar Mitgesellschafterin in der neuen Firma. Bis heute lässt sie nichts auf die Heberer-Senioren kommen. „Die haben sich wirklich engagiert und haben uns ernst genommen.“

Schon 1991 eröffneten zwei aus Hoyerswerda belieferte Heberer-Filialen am Berliner Alexanderplatz. Backwaren aus Hoyerswerda wurden nun auch in Riesa oder Görlitz gegessen. Die LKW aus dem Industriegelände fuhren 85 Filialen an, auf der Autobahn, vor allem in Richtung Berlin, gehörten diese in den frühen Morgenstunden zum gewohnten Bild. Auch in Frankreich wurde Ware für Hoyerswerda geordert, echte französische Baguettes!

Immer wieder entwickelte Heberer neue Erzeugnisse. 1994 sorgten die Mitarbeiter für 31 Millionen D-Mark Umsatz. Bereits ein Jahr später drohte schon das erste Aus. „Für einen Frischebetrieb sind Standort, Fahrtwege und Wasserqualität von erheblicher Bedeutung“, ließ Geschäftsführer Georg Heberer damals wissen.“ Sabine Gotscha-Schock bestätigt das. Die Anfahrtswege zu den Filialen im Großraum Berlin waren einfach viel zu weit. Als Alternative zur Standortverlagerung wurde also damals ein kleiner Betrieb im Berliner Randgebiet zugekauft. Heberer in Hoyerswerda beschäftigte Mitarbeiter aus den Lausitzer Werkstätten und war, trotz wirtschaftlicher Probleme, oft ein zuverlässiger Sponsor bei städtischen Veranstaltungen oder Messen.

Eine Anfrage bei Sabine Gotscha-Schock führte meistens zum Erfolg, auch der Riesenstollen zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes kam lange Zeit von Heberer. Investitionen in Neuerungen gab es jedoch im Industriegelände kaum noch. Die Bausubstanz an der Straße A war in die Jahre gekommen. Im November 2009 verkündete Heberer den endgültigen Rückzug aus Hoyerswerda. Sabine Gotscha-Schock bekam das Angebot, eine Aufgabe im Stammbetrieb in Mühlheim am Main zu übernehmen.

Ein Ende ohne Zwietracht

„Dieses Ende war mein einschneidendstes berufliches Erlebnis. Ich nahm das Mühlheim-Angebot nicht an. Zwischen Weihnachten und Silvester 2009 suchten wir alle Mitarbeiter persönlich auf – um die Kündigungen auszureichen. Das war furchtbar.“ Firmenleitung und Belegschaft gingen jedoch nicht im Zorn auseinander. „Die Mitarbeiter wussten, dass wir das Möglichste für alle herausgeholt hatten. Fast alle sind wieder gut untergekommen. Mit vielen treffen wir uns noch regelmäßig“, sagt die ehemalige Betriebsleiterin rückblickend, und man spürt ihre Erleichterung darüber noch immer.

Ein Sprichwort sagt, dass sich eine neue Tür öffnet, wenn sich eine alte schließt. So kam es auch für sie. Sie hatte es, dieses Glück der Tüchtigen, und sie packte es beim Schopfe. „Irgendwann, Ende Oktober 2009, hatte ich in der SZ in einer Anzeige gelesen, dass die Kreishandwerkerschaft in Bautzen einen neuen Geschäftsführer sucht. „Das wäre es!“ – so dachte sie beim Lesen. Sie stellte ihre Kaffeetasse beiseite und rief eine gute Freundin und langjährige Kollegin an. „Bewirb dich!“, sagte diese. „Du kannst eigentlich nur genommen werden. Du bringst alles mit, was gebraucht wird. Du kennst das Handwerk, du hast einen Betrieb über harte Zeiten gebracht. Du kannst netzwerken und begeistern.“

Auch ihr Vorgänger bei der Kreishandwerkerschaft riet ihr zu. „Ich habe mich dann, wie viele andere auch, beworben, wurde zum Gespräch eingeladen und konnte wohl überzeugen.“ Schon bald erhielt Sabine Gotscha-Schock den Bescheid, der besagte: „Sie sind es!“

Eine neue Aufgabe gefunden

Seit 2010 ist sie nun Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft in Bautzen. „Das ist jetzt voll mein Ding“, sagt sie. „Ich bin total glücklich. Als geschäftsführende Stelle der angeschlossenen Innungen vertritt die Kreishandwerkerschaft die Interessen des Handwerks in der Region. Hier gibt es Hilfe und Unterstützung zum Handwerksrecht, zur Handwerksordnung, zu Arbeits-, Sozial- und Tarifrecht und zu allgemeinen Rechtsfragen und – ganz wichtig – zu Fördermitteln. Es werden Veranstaltungen organisiert und durchgeführt. Dazu gehören Lehrlingsfreisprechungen, Gesellenprüfungen oder öffentlichkeitswirksame Projekte wie die jährliche Stollenprüfung, welche in diesem Jahr leider ausfallen muss.

Nachwuchs ist das A und O

Die Kreishandwerkerschaft kümmert sich um die Nachwuchsgewinnung, ist auf Messen und in Schulen präsent, um den Nachwuchs für das Handwerk zu begeistern. 13 Handwerksinnungen gehören als Mitglieder dazu, 650 Betriebe sind vertreten – und alle auf freiwilliger Basis. Mitglieder sind die Innungen der Bäcker, der Baugewerke, der Dachdecker, der Elektrotechniker, der Fleischer, der Friseure, der Maler und Lackierer, der Metallbauer, der Ofenbauer und Fliesenleger, der Sanitär- und Heizungsbauer und der Tischler. 4583 Handwerksbetriebe sind insgesamt im Landkreis Bautzen eingetragen.

Die Richtigen zusammenbringen

Die Geschäftsführerin nennt die Zahlen nicht ohne Stolz, und sie berichtet über Projekte wie „wiederda“, ein Förderprojekt für Rückkehrer, die Berufemärkte oder das „Schaufenster Handwerk“. Oft ist sie unterstützend dabei. Kontakte sucht und pflegt sie auch bei den Unternehmerinnentagen in Zusammenarbeit mit der IHK und den Gleichstellungsbeauftragten der größeren Städte im Landkreis. Netzwerken – das macht ihr eben Spaß. Außerdem ist sie auch journalistisch unterwegs, sie gehört zur festen Redaktion der Zeitschrift „Handwerk aktuell“, die quartalsweise im Landkreis erscheint. Unter der Federführung der Kreishandwerkerschaft wurden darüber hinaus Imagefilme erstellt, die aus dem Rahmen fallen. In den Kinos der Region wurden sie erfolgreich gezeigt, sie sollen vor allem den Nachwuchs für das Handwerk begeistern. Wer auf der Kinoleinwand erlebt hat, wie ein Hubschrauber den letzten Dachziegel für ein Bauwerk einfliegt, hat sicher einen anderen Bezug zum Dachdeckerberuf. So denkt sie, und der Erfolg gibt ihr Recht.

„Ja“, sagt Sabine Gotscha-Schock abschließend noch einmal, „ich habe einen ganz besonderen Job, und ich hatte so viel Glück.“ Nur eines ist bedauerlich: „Eigentlich kümmere ich mich doch um so viele Innungen und Betriebe. Gehalt bekomme ich aber nur eins.“ Dann lacht sie und jeder weiß, das war ein Scherz. Für sie ist ihre Arbeit eben ein Glücksfall.