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Erfolge und Misserfolge im Stadtrat Hoyerswerda

Zwei Wählervereinigungen und fünf Parteien haben Abgeordnete im Kommunalparlament – hier ist ihre Zwischenbilanz der Wahlperiode.

Von Mirko Kolodziej
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Im Stadtrat gibt es 30 Sitze, aber auch Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh, der per Amt sein Vorsitzender ist, hat eine Stimme. Die Sitzungen finden im Ratssaal im Neuen Rathaus statt.
Im Stadtrat gibt es 30 Sitze, aber auch Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh, der per Amt sein Vorsitzender ist, hat eine Stimme. Die Sitzungen finden im Ratssaal im Neuen Rathaus statt. © Foto: Gernot Menzel

Hoyerswerda. Am 26. Mai 2019 wurde Hoyerswerdas aktueller Stadtrat gewählt. Seine Legislaturperiode dauert also noch bis zum kommenden Jahr. Dann findet regulär die nächste Wahl statt. Unsere Leserin Petra Heine hat sich – und uns – gefragt, wie denn die im Rat vertretenen Parteien und Wählervereinigungen bezüglich der in ihren 2019 veröffentlichten Wahlprogrammen erwähnten Vorhaben den bisherigen Verlauf der Wahlperiode und erreichte oder nicht erreichte Ziele einschätzen. Wir haben jeweils die Fraktionsvorsitzenden um eine Bewertung gebeten.

Alternative für Deutschland

Die AfD meinte 2019 in ihrem Wahlprogramm, in dem unter dem Motto „Mut zur Wahrheit!“ sieben kommunalpolitische Leitlinien zusammengefasst waren, unter anderem, der kommunalen Selbstverwaltung sei verstärkte Aufmerksamkeit zu schenken, um so eine Reduzierung der staatlichen Weisungsbefugnisse sowie eine angemessene Finanzausstattung zu sichern. Die Partei schaffte es bei ihrem ersten Versuch, in den Stadtrat zu kommen, gleich auf acht Mandate und wurde damit stärkste Fraktion. Deren Chef Michael Ratzing sagt, die vergangenen vier Jahren seien vom stetigen Kampf um eine auskömmliche Finanzausstattung der Stadt geprägt gewesen. Dieser Voraussetzung würde es seinen Worten nach bedürfen, um die besagten Leitlinien umzusetzen. Es sei zudem so gewesen, dass eine normale kommunalpolitische Stadtratsarbeit mit der AfD nicht gewünscht war. Aber die Zeit heile alle Wunden und so sei von einer Normalisierung der interfraktionellen Zusammenarbeit auszugehen. Der Rückblick sei auch geprägt von teilweise konstruierten Krisen, die ausgelöst von und verantwortet durch die Bundesregierung von Kommunen und Bürgern hätten ertragen und meist gelöst werden müssen. Es seien, so Ratzing weiter, turbulente und zugleich tragische Zeiten, denn der russische Angriff auf die Ukraine mit hunderttausenden Opfern und dem Leid der Zivilbevölkerung sei kein guter Weg, zumal auch keine friedensstiftenden Ansätze zu finden seien. „Stimmt die Ideologie nicht mit der Realität überein, dann ist im Deutschland der heutigen Zeit die Realität falsch“, glaubt Michael Ratzing.

Christlich Demokratische Union

Mit sieben Stadträtinnen und -räten ist die CDU-Faktion die zweitgrößte. Nach einer Zwischenbilanz gefragt, nennen die Mitglieder sowohl Erreichtes wie auch noch nicht Erreichtes. So sei – meist in Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen – einiges aus dem Wahlprogramm umgesetzt worden. Genannt wird unter anderem der Verzicht auf neue Schulden sowie der Verzicht auf höhere Abgaben und Steuern. Als einer der Hauptakteure habe die CDU-Fraktion den Bürgerhaushalt mit ins Leben gerufen. Auch die Forderung nach der Wiedereinstellung von Gemeindearbeitern in den Ortsteilen sei erfüllt worden. Bezüglich der Bereitstellung frei gewordener Flächen als Bauland sei die Stadtverwaltung von der Fraktion wiederholt aufgefordert worden, mitzuteilen, welche Grundstücke verkauft und entwickelt werden könnten. Die Entwicklung des Scheibe-Sees sei Ziel aller Akteure in der Stadt. Erwähnt werden auch zwei an den Ratsmehrheiten gescheiterte CDU-Initiativen, nämlich der Erhalt des Sportbundes Lausitzer Seenland – Hoyerswerda sowie die Möglichkeit, vor jeder Ratssitzung einem Verein die Chance zur Kurz-Vorstellung zu geben. Noch nicht erledigt sei das Vorhaben, Jugendliche zu einem intensiven Austausch einzuladen. Auch eine mit den Nachbargemeinden abgestimmte Wirtschaftsförderung sei bisher nicht umgesetzt. Allerdings habe die CDU-Fraktion den Investor für das Vorhaben „Neue Kühnichter Heide“ im WK IX in die Stadt geholt und es in Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister erreicht, dass die Rentenversicherung Knappschaft – Bahn – See hier neue Arbeitsplätze schaffen will.

Die Linke

Die Partei hatte 2019 im Wahlkampf unter anderem erklärt, immer für die Bürgerinnen und Bürger da sein zu wollen – ob im Büro in der Bonhoefferstraße oder monatlich bei Info-Aktionen mit Ständen an unterschiedlichen Orten im Stadtgebiet. Die aktuelle Linksfraktion hat fünf Mitglieder. Ihr Vorsitzender Ralf Haenel sagt, nachdem er noch einmal im Wahlprogramm nachgelesen hat, Schwerpunkte seien in Bezug auf die Einbeziehung der Bürger regelmäßige Bürgergespräche bei den besagten Infoständen sowie trotz der angespannten Haushaltslage der Bürgerhaushalt gewesen. Ein weiterer Punkt des Wahlprogramms habe sich 2019 auf den Strukturwandel bezogen, in den die Linksfraktion sich an der Seite der Stadtverwaltung aktiv einbringe. Gemeinsam mit Stadträtinnen und Stadträten anderer Fraktionen sei eine Abschaffung des Schul-, Kultur- und Sozialausschusses verhindert worden. Und der Forderung der Fraktion nach einer höheren Qualität der Wirtschaftsförderung kommt die Stadtverwaltung nach Einschätzung von Ralf Haenel immer besser nach. Was – mit wenigen Ausnahmen – nicht gelungen sei, sei die Schaffung wirksamer Voraussetzungen zur Ansiedlung produzierenden Gewerbes. Haenel erwähnt in diesem Zusammenhang zwei Ziele, nämlich die Senkung der Grund- und Gewerbesteuersätze sowie ein Angebot an vergleichsweise kostengünstigen Gewerbeflächen. Auch die Erhöhung der Elternbeiträge zur Finanzierung der Kindertagesstätten habe man trotz großen Engagements und entsprechenden Gegenstimmen bei der Abstimmung dazu nicht verhindern können.

Sozialdemokratische Partei

Vier Mandate hat die SPD inne, die 2019 mit 18 Wahlkampfzielen unter dem Titel „Unsere Visionen für Hoyerswerda“ angetreten war. Fraktionschef Uwe Blazejczyk sagt, es zeigten sich überall die Mühen der Ebene: Alles dauere sehr lange und viele aktuelle Bemühungen würden heute noch keine sichtbaren Ergebnisse haben. Dazu sei die kommunalpolitische Arbeit von vielen Aspekten beeinflusst worden, nicht zuletzt der Covid-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine. Der Strukturwandel habe sich 2019 zwar abgezeichnet: „Aber keiner hat damals die Dimensionen und die Schnelligkeit der Wirkungen erfasst.“ Dennoch sei einiges erreicht worden, wobei es eine klare Einheit von SPD-Fraktion und Oberbürgermeister gebe. So sei die Zusammenarbeit mit den unmittelbaren Nachbargemeinden wie Spreetal, Lohsa, Lauta und Bernsdorf erheblich verbessert worden. Auch mit Spremberg, Weißwasser und Bautzen sei man nun auf gutem Niveau. Beim Ziel, Straßen und Wege zu verbessern, sei es schwieriger. Immerhin sei es gelungen, ihren Zustand in Bereichen wie der Luxemburgstraße oder im Industriegelände erst einmal zu thematisieren. Blazejczyk erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Diskussion zur Kühnichter Spange oder zur Verbesserung der Zugverbindungen von und nach Dresden. Wichtig sei nun, vor allem im Industriegelände voranzukommen, um gute Bedingungen nicht nur für die vorhandenen Firmen, sondern auch für künftige Ansiedlungen zu haben. Das sei, so Blazejczyk, genau wie die Kapazitätserweiterung im Wasserwerk eine Basis für das Gelingen des Strukturwandels.

Freie Wähler Stadtzukunft

Die Wählervereinigung ist mit drei Stadträten vertreten. Fraktionschef Ralf Zeidler sagt, wenn man in Vorbereitung einer Wahl ein Programm aufstelle, formuliere man Ziele, die man für notwendig und erstrebenswert halte – wohl wissend, in der folgenden Legislaturperiode nicht alle diese Ziele auch erreichen zu können. Vieles hänge von den Gestaltungsmöglichkeiten ab: „Wenn man die absolute Mehrheit hat, kann man fast alles umsetzen. Anderenfalls muss man andere Räte von den eigenen Ideen überzeugen.“ Und bei insgesamt 30 Stadträtinnen und Stadträten seien die Gestaltungsmöglichkeiten der Freien Wähler eben kleiner. Demzufolge falle die Zwischenbilanz aus Sicht der Fraktion auch eher ernüchternd aus. Dies betreffe zum Beispiel 2019 formulierte Ziele wie eine bessere Vergütung für die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren oder die jährliche Einladung des örtlichen Polizeichefs zu einem Vortrag im Stadtrat. Leider sei es noch nicht gelungen, dafür entsprechende Mehrheiten zu finden. Häufig behinderten jedoch auch objektive Gründe eine aktuelle Umsetzung von Zielen. Meist fehle leider schlicht das Geld. Aber die Wahlperiode sei ja auch noch nicht zu Ende, so Zeidler. Immerhin finden sich in den „Kommunalpolitischen Zielstellungen“ von 2019 aber auch der inzwischen erledigte Bau einer modernen Oberschule oder das Angebot freien Wlans, das Kabelmax mit seinem HoyWifi an einem Dutzend Orten geschaffen hat. Auf das Ziel „Errichtung und Entwicklung des Badestrandes am Westufer des Scheibe-Sees“ wirken die Freien Wähler mit ihren jährlichen Vor-Ort-Veranstaltungen hin.

Aktives Hoyerswerda

Über zwei Stadtratsmandate verfügt die zweite Wählervereinigung, die zusammen mit Antje Naumann von Bündnis 90 / Die Grünen eine Fraktionsgemeinschaft bildet. Die Gruppierung hatte sich zur Wahl 2014 zusammengefunden und dabei ebenso zwei Vertreter in den Rat gebracht. Es ist also ihre zweite Wahlperiode. Christian Bormann, der den Fraktionsvorsitz vom Ende 2020 verstorbenen Hans-Joachim Donath übernommen hat, nennt als übergeordnetes Ziel die Schaffung eines Quartiersmanagements für die Neustadt ähnlich dem Citymanagement in der Altstadt: „Diesen Punkt sehen wir mit der Etablierung des Zentrenmanagements als erfüllt an. Wir werden uns hier auch aktiv in die inhaltliche Gestaltung des Zentrenbeirats einbringen.“ Ein weiterer Schwerpunkt sei 2019 der Ausbau der Geh- und Radwege gewesen. Dabei gebe es nun gute Ansätze mit den Plänen, die Rosa-Luxemburg-Straße zur Fahrradstraße zu machen und dem neuen Kommunalen Entwicklungsbeirat zur Schaffung des sogenannten Grünen Saums am Stadtrand. Auch die jüngst erfolgte Sanierung des Fußgängerweges in der Bahnhofsallee sei positiv zu erwähnen. Man spreche sich zumindest einen Teil der Umsetzung zu und werde auch nicht aufhören, den Finger in die Wunde zu legen. „Ebenso ist uns eine aktive Beteiligung in der allgemeinen Ratsarbeit wichtig. Ich denke, hier sind wir sehr aktiv und konstruktiv unterwegs, bringen uns ein und gestalten mit“, sagt Christian Bormann. Für ihn persönlich sei dies auch der wichtigste Punkt, weil er darin die Hauptlast der Ratsarbeit sehe.

Bündnis 90 / Die Grünen

„Hoyerswerda – weltoffen – ökologisch – menschlich“ war das Wahlkampfmotto der Partei. Nach vielen Jahren ohne Vertretung im Stadtrat ist es ihr 2019 gelungen, einen Sitz zu erringen. Gewählt wurde Antje Naumann. Auch sie erwähnt den von Christian Bormann genannten Weg an der Bahnhofsallee: „Er sollte mangels finanzieller Mittel von der Investitionsliste gestrichen werden. Dies konnte verhindert werden.“ Durch einen glücklichen Umstand hätte Geld von einem nicht umgesetzten Projekt zur Verfügung gestanden. Immer, wenn es darum gehe, wofür Geld ausgegeben werden soll, merke sie, was es bedeutet, nur ein Mandat zu haben: „In einer Demokratie zählen Mehrheiten, und die gilt es zu finden.“ So habe sie es geschafft, andere Rätinnen und Räte davon zu überzeugen, dass den Jugendclubs ein jährliches Budget in Höhe von jeweils 1.000 Euro zur Verfügung gestellt wird. Erfolgreich gewesen sei auch der zusammen mit der CDU und Aktives Hoyerswerda eingebrachte Antrag, die Stadtratssitzungen im Internet zu übertragen. Immer wieder habe es zudem aus der Bevölkerung Hinweise gegeben, dass mehr Sitzmöglichkeiten und mehr Hundetoiletten benötigt würden. Dafür sei auf ihre Anregung hin im Haushalt Geld festgeschrieben worden. Nicht zuletzt erinnert Antje Naumann an die Diskussionen zur Kühnichter Spange, also einer neuen Umfahrung zwischen Weinert- und Nieskyer Straße: „Durch Gespräche und Vor-Ort-Begehungen konnte die Mehrheit der Stadträtinnen und Stadträte davon überzeugt werden, dass der Bau einer weiteren Straße keine Lösung ist.“

Die nächsten Sitzungstermine des Hoyerswerdaer Stadtrates sind der 28. Februar, der 28. März, der 25. April und der 30. Mai. In aller Regel beginnen die öffentlichen Sitzungen um 17 Uhr im Neuen Rathaus, Frentzelstraße 1.