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Geheimnis der Turmkugel ist gelüftet

Am 8. Oktober wurden die drei Hülsen der Spremberger Rathausspitze entnommen. Nun wurden sie fachmännisch aufgesägt.

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In den Zeitkapseln fand man aus dem Jahr 1899 beispielsweise dieses Foto und ein Kreisblatt von 1850.
In den Zeitkapseln fand man aus dem Jahr 1899 beispielsweise dieses Foto und ein Kreisblatt von 1850. © Foto: Jost Schmidtchen

Von Jost Schmidtchen

Spremberg. Große Erwartungshaltung im Ratssaal des Spremberger Rathauses am Mittwochmittag. Die Stadtverwaltung hatte die Presse eingeladen, an der Öffnung der geborgenen Kapseln aus der Kugel des Rathausturmes teilzuhaben. Der Rathausturm wird derzeit nach 1791, 1899 und 1987 zum vierten Mal in seiner Geschichte saniert. Die Turmspitze wurde am 8. Oktober nach Fertigstellung der Rüstarbeiten sofort entfernt und die Kapseln aus der Turmkugel sichergestellt.

Bürgermeisterin Christine Herntier sagte zu diesem Zeitpunkt, dass keiner heute wisse, was da drin sein wird. Aber eine neue Hülse stehe schon bereit, in die alle vorgefundenen Dokumente einschließlich die der heutigen Zeit wieder hineinkommen werden. So will es die Tradition. Das machte die Öffnung der alten Hülsen natürlich mächtig spannend. Immerhin: Alle Beteiligten werden so etwas wohl nie wieder erleben, denn Rathaus- und Kirchturmspitzen werden nicht aller Tage geöffnet. Alte Fotos zeigten: Das Rathaus hat sich seit 1791 nur wenig in seinem Baustil verändert.

Turmspitze wird wieder aufgesetzt

Der Leiter des Niederlausitzer Heidemuseums, Eckbert Kwast, wurde als sachverständiger Museumsmann hinzugezogen. Er sagte, dass das ursprüngliche Rathaus eines der wenigen altehrbaren Gebäude der Stadt sei, die bis heute erhalten blieben. Beim letzten großen Stadtbrand 1705 in Mitleidenschaft gezogen, begann 1706 der Wiederaufbau. Ein kleiner Turmanbau folgte erst 1720 und der jetzige 1791. Mit den drei in der Turmkugel aufgefundenen Hülsen hat es eine Besonderheit: Die Dokumente von 1791 wurden erst 1899 in die Turmkugel mit eingebracht, wenn auch in zwei Hülsen. Die Epoche dazwischen sorgte für viel Wirrwarr. Was am Mittwoch in diesen beiden Hülsen vorgefunden wurde, zeigte das Wechselspiel des vorletzten Jahrhunderts. Der Museumsleiter und die Stadtarchivarin werden jetzt zu tun haben, für die neue Hülse alles in zeitlicher Reihenfolge aufzubereiten. Viel Zeit bleibt ihnen dazu nicht. Schon in den nächsten zwei Wochen soll die Sanierung der Turmspitze samt Kugel soweit vorangeschritten sein, dass die Turmspitze wieder auf den Rathausturm aufgesetzt werden kann.

Die Fachleute dafür sind Schmiedemeister Erhard Merkel aus Friedrichshain und Klempnermeister Georg Nennewitz aus Groß Kölzig. Sie bauten die Spitze am 8. Oktober ab, werden sie auch wieder aufsetzen. Zur Pressekonferenz am Mittwoch brachten sie eine alte, aber scharfe Eisensäge mit, mit der sie die Kapseln ohne Beschädigung ihres Inhalts öffneten. Zudem bedankten sich beide für die Übertragung der verantwortungsvollen Arbeit bei der Stadtverwaltung.

Die Rathausturmsanierung erfolgte 1899 durch die Firma Kittelhorst. In direkter Linie der Nachkommenschaft folgte Helmut Eckstein, dessen Firma die Sanierung 1987 vornahm. Einer seiner damaligen Junggesellen arbeitet heute bei Klempnermeister Nennewitz. So wird Geschichte geschrieben, auch von Andrea Nothnick. Auf einer in der Kapsel von 1987 aufgefundenen bunten Spremberger Postkarte grüßt die damalige Absolventin im Rathaus mit anderen Kollegen die Nachwelt. Noch heute arbeitet Andrea Nothnick im Fachbereich Planen und Bauen der Stadtverwaltung und darf in der neuen Kapsel der Turmkugel nun noch einmal ihre Nachwelt grüßen. Laut Bauamtsleiter Gerd Schmiedel soll die Rathausturmsanierung Mitte Mai beendet sein.

Inhalt der Kapseln (Auszug): 1987: Plaketten vom Heimatfest 1986; DDR-Geld und Münzsonderprägungen der DDR; Fotos der Stadt 1986/87; die „Lausitzer Rundschau“ vom 3. und 4. April 1987 (Einweihung des sanierten Rathausturmes); Postkarten mit Grüßen aus dem Rathaus1771/1899: Gemischte Dokumente, weil 1791 keine eingebracht wurden: Münzen 1 Kreuzer 1761, 1 Heller 1780, 1 Sächsischer Thaler mit August dem Starken (Jahr unbekannt); Siegel der Stadt Spremberg von 1850; „Spremberger Kreisblatt“ von 1850, mehrere Seiten; „Spremberger Anzeiger“ vom 14. Oktober 1899 (Aufsetzen der Turmkugel); Programmzettel „1000-Jahrfeier Spremberg“ von 1893; Postkarten vom „Schweizergarten“; ein Modeprospekt in Text und Bild von 1899 und viele andere Dokumente. Alle sind sehr gut erhalten.

Schmiedemeister Erhard Merkel aus Friedrichshain und Klempnermeister Georg Nennewitz aus Groß Kölzig sägten am Mittwoch die erste der Zeitkapseln auf.
Schmiedemeister Erhard Merkel aus Friedrichshain und Klempnermeister Georg Nennewitz aus Groß Kölzig sägten am Mittwoch die erste der Zeitkapseln auf. © Foto: Jost Schmidtchen