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Kernbetroffenheit sollte oberste Priorität bei der Mittel-Vergabe haben

Spreetals Bürgermeister Manfred Heine und Amtskollegen fordern vom Freistaat Sachsen klare Kurskorrektur beim Strukturwandel ein.

Von Andreas Kirschke
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Manfred Heine zeigt auf eine Karte des Industrieparks Schwarze Pumpe. Als Strukturwandel-Projekt, so die Idee und Vision, könnte er dauerhaft viele neue Arbeitsplätze erbringen.
Manfred Heine zeigt auf eine Karte des Industrieparks Schwarze Pumpe. Als Strukturwandel-Projekt, so die Idee und Vision, könnte er dauerhaft viele neue Arbeitsplätze erbringen. © Foto: Andreas Kirschke

Spreetal. Auf verschlossene Ohren stößt in Dresden derzeit das Wort „Kernbetroffenheit“ beim Strukturwandel. „Wir müssen sie immer wieder einfordern. Es geht um die direkt vom Kohle-Ausstieg betroffenen Kommunen. Die Mittel aus dem Strukturstärkungsgesetz müssen fair, gerecht und angemessen eingesetzt werden“, meint Manfred Heine (67/parteilos), seit 1996 Bürgermeister der Gemeinde Spreetal. In ihr leben 1.850 Einwohner. Über die Hälfte sind in den Bereichen Tagebau, Kraftwerk, Service, Dienstleistungen und Zulieferer beschäftigt und so direkt vom Strukturwandel betroffen. Im Tageblatt-Interview spricht Manfred Heine über Projekte und Ideen der Gemeinde.

Herr Heine, am 30. Juni stimmte der Begleit-Ausschuss erstmals über Projekte der Kommunen zum Strukturwandel ab. Er gab Empfehlungen an die Entscheidungskommission im Bund. Wie war die Gemeinde Spreetal mit dabei?

Wir waren mit eingebunden in die Diskussion und Vorbereitung. Die Frist für die Einreichung war jedoch denkbar knapp. In der Kürze der Zeit waren wir nicht in der Lage, Projekte einzureichen, die der notwendigen Qualität und Genehmigungsfähigkeit entsprechen.

Was läuft bislang schief beim Strukturwandel?

Wir haben es versäumt, vorhandene Strukturen zu nutzen und einzubinden. Gut wäre gewesen, wenn von vornherein die LMBV den Strukturwandel als Koordinator gelenkt und begleitet hätte. Somit hätten wir den Bund und die Länder Sachsen und Brandenburg fest verankert in diesem Prozess. Gerade die LMBV verfügt über jahrelange Erfahrung, über Personal, über Erkenntnisse bei der Entwicklung des Lausitzer Seenlandes. Das sollten wir unverzichtbar für den Strukturwandel mit nutzen. Jetzt bauen wir mit immensem Fleiß neue Strukturen auf. Und wir wundern uns, wie lange es dauert, bis diese neuen Strukturen überhaupt greifen.

Hoyerswerdas Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh (SPD) meint: „Es gilt, mehr Struktur in den Strukturwandel hineinzubringen ...“

Da hat er völlig Recht. Wir wollen keine Neid-Debatte. Wenn es Projekte von Kommunen gibt, die Synergien zum Kohle-Ausstieg erkennbar werden lassen, sollten die Ideen mit realisiert werden. Sonst sollte klar gelten: Kernbetroffene Kommunen brauchen besonderes Augenmerk. Dazu brauchen wir eine klare Kurs-Korrektur des Freistaates. Dazu sollte sich auch der Ministerpräsident bekennen. Kernbetroffenheit ist im Grunde bereits festgelegt: Es sind alle vom Bergbau betroffenen Kommunen; alle von der Grundwasser-Absenkung betroffenen Kommunen; das sind vor allem Hoyerswerda mit dem Umland, Weißwasser, Trebendorf, Schleife, Welzow und Jänschwalde. Es sind alle in der Lausitzrunde bereits organisierten Kommunen.

Springen zu viele Kommunen auf den Zug „Strukturwandel“ auf?

Ja. Projekte wie „Görlitz neue Straßenbahn“, „Kamenz neues Hallenbad“ und „Bischofswerda Sanierung des Kulturhauses“ gehören nicht zur Kernbetroffenheit. Sie sollten meiner Meinung nach nicht mit Strukturwandel-Mitteln finanziert werden. Das Schlimme ist: Die beiden Landkreise Bautzen und Görlitz konnten sich in der Diskussion um die Gebietskulisse nicht auf die Lausitz-Runde einigen. Dort sind alle betroffenen Kommunen vertreten. Die jetzt festgelegte Gebietskulisse reicht vom Speckgürtel Berlin über die gesamte Lausitz bis nach Süden zum Speckgürtel Dresden. Das ist völlig überzogen.

Auf die Gemeinde Spreetal folgt nördlich der Industriepark Schwarze Pumpe. Gibt es auch dafür Projekt-Ideen?

Ja. Gemeinsam mit der Stadt Spremberg haben wir ein Stufenprogramm für die Weiterentwicklung des Standorts erstellt. Ziel ist, die komplette Süd-Seite des Industrieparks mit 260 Hektar Fläche zu erschließen, davon 80 Hektar auf brandenburgischer Seite und 180 Hektar auf sächsischer Seite. Das ist von beiden Ländern so gewollt. Die jeweiligen Ministerien für Wirtschaft und Regionalentwicklung sind eingebunden. Wir haben Anfragen von Investoren mit einer Gesamt-Summe von rund einer Milliarde Euro.

Die Gemeinde Spreetal gehört zum Lausitzer Seenland. Welche Chancen eröffnet dabei der Strukturwandel?

Wir sind mit drei Seen gut aufgestellt – mit dem Spreetaler See, mit dem Bernsteinsee und mit dem Scheibesee. Die Situation ist sehr unterschiedlich.

Wie ist der Sachstand Spreetaler See?

Ursprüngliches Ziel war, dort das Jet-Boot-Zentrum Lausitz anzusiedeln. Davon sind wir derzeit weit entfernt. Lediglich der Parkplatz an der B 97 ist fertig. Für die Weiterentwicklung der Flächen ist der Bebauungsplan genehmigt. Entstehen sollen dort touristische Anlagen. Nach Aussagen der LMBV hat der See noch nicht genügend Wasser. Doch mehr Wasser kann andererseits nicht geflutet werden, sonst droht die B 97 abzurutschen. Wir müssen jetzt warten, bis die B 97 endsaniert ist. Es gibt noch keine klare Aussage, wann und mit welcher Technologie das geschehen soll.

Wie ist der Sachstand am Bernsteinsee und am Scheibe-See?

Auf der Ufer-Seite des Bernsteinsees nahe Burghammer will ein Investor tätig werden. Er will ein Restaurant, ein Café und sechs Ferien-Bungalows errichten. Der Bebauungsplan mit Aufstellungsbeschluss ist in Vorbereitung. Der Gemeinderat soll ihn im September beschließen. Den Scheibe-See wollen wird zusammen mit der Stadt Hoyerswerda entwickeln. Auf unserer Uferseite im Norden lassen sich 20 bis 30 Hektar erschließen. Dort wären mehrere Vorhaben möglich: ein Ferienpark, eine Reha-Anlage oder altersgerechtes Wohnen. Möglich wäre, dabei die Wohnungsgesellschaft und die Wohnungsgenossenschaft Hoyerswerda einzubinden. Aber weder der Scheibe-See noch der Bernsteinsee noch der Spreetaler See sind bis heute aus der Bergaufsicht entlassen. Das heißt, sie gehören nach wie vor dem Bund. Sie sind offiziell noch keine Seen, sondern Tagebau-Restgewässer. Wir werden einen langen Atem brauchen, damit der Strukturwandel an den Seen wirksam wird.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will die ICE-Strecke Berlin-Görlitz als Strukturwandel-Projekt mit verankert wissen. Wie berechtigt und wie realistisch ist das?

Tatsache ist: Die ICE-Strecke Berlin–Görlitz wurde leider nicht in den Bundes-Verkehrswege-Plan mit aufgenommen. Gerade für die Region um Weißwasser ist sie jedoch bedeutsam. Genauso wichtig ist die S-Bahn Dresden-Hoyerswerda (über Kamenz und Bernsdorf). Sowohl in den Raum Weißwasser als auch in den Raum Hoyerswerda sollen künftig wieder mehr Menschen hinziehen. Sie brauchen eine gute Verkehrsanbindung. Insofern wäre die Aufnahme beider Projekte als Strukturwandel-Projekte durchaus berechtigt.

Herr Heine, wo sollte Spreetal im Jahr 2038 stehen? Was erhoffen Sie sich bis dahin beim Strukturwandel?

Ich erhoffe mir, dass 2038 der Industriepark Schwarze Pumpe ein stabiler Arbeitgeber für die Region ist. Ich erhoffe mir, dass das Lausitzer Seenland sich bis dahin als touristische Region fest etabliert und weiterentwickelt hat. Ich erhoffe mir, dass unsere schönen Heidedörfer auch 2038 noch prägend für die Region sind. Wir haben zwar als Gemeinde mehrere Projekte fest im Blick. Doch unsere wichtigste „Baustelle“ bleibt die gesamte Region. Das müssen wir alle im Blick bewahren. Nur gemeinsam sind wir stark.