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Schnee und Kälte draußen, Licht und Wärme drinnen

Tagebaue und Kraftwerke der Lausitz liefern unter Extrembedingungen zuverlässig und bedarfsgerecht Strom.

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Tagebau Welzow-Süd im Winter. Die Anlagen laufen trotz des Winters auf voller Leistung. Die Kohle ist unverzichtbar.
Tagebau Welzow-Süd im Winter. Die Anlagen laufen trotz des Winters auf voller Leistung. Die Kohle ist unverzichtbar. © Foto: Andreas Franke

Von Kathi Gerstner *

Auch wenn die vier Feinde des Bergmannes nach alter Weisheit Frühling, Sommer, Herbst und Winter sind, so stellen die aktuell herrschenden Wetterbedingungen für den Betrieb der Tagebaue doch eine Herausforderung dar. Bei zweistelligen Minusgraden und starken Schneestürmen, wie zuletzt am vorletzten Wochenende, ist die Arbeit auch für erfahrene Kohlekumpel nicht gerade angenehm.

Rettung in der Dunkelflaute

Dauerhaft, oder doch wenigstens wochenlang Temperaturen im zweistelligen Minusbereich: Das hatte es in den letzten Jahren in der Lausitz nicht gegeben. Auch wenn in unserem Landstrich ein Vergleich mit dem Katastrophenwinter 1978/1979 nicht gezogen werden kann – der Februar 2021 bringt für die Energiewirtschaft durchaus anspruchsvolle Herausforderungen für die Beschäftigten der Leag (Lausitz Energie Verwaltungs GmbH, Lausitz Energie Bergbau AG / Lausitz Energie Kraftwerke AG) in Tagebauen und Kraftwerken mit sich. Begonnen hatte der „Winterkampf“, um diesen Begriff aus einstigen Jahrzehnten zu gebrauchen, schon in der ersten Januarwoche des neuen Jahres 2021. Bereits da trugen die vier Lausitzer Tagebaue der Leag sowie die vier von ihr betriebenen Kraftwerke in Brandenburg und Sachsen mit der vollen verfügbaren Leistung dazu bei, dass während der Dunkelflaute die Stromversorgung in Deutschland sicher gewährleistet wurde. „Wir sind mit allen geplanten Anlagen in Betrieb und stellen die Versorgung der Kraftwerke mit Kohle sicher, auch wenn das Anfahren einzelner Bandanlagen nach dem Wochenende etwas länger gedauert hat als sonst,“ bestätigte Andreas Redlich, Leiter Betrieb Tagebaue. „Die Kollegen mussten sie erst Band für Band von den schweren, feuchten Schneemassen befreien.“ Auch die Gewerke der Tagebauinfrastruktur wie Kohleverbindungsbahn und die Tagebauentwässerung sind einsatzbereit wie gewohnt.

Muskelkraft statt schwerem Gerät

Noch schwieriger wurde es, als die seltene Extremwetterlage mit dem Zusammentreffen von skandinavisch/sibirischer Kalt- und sahara-beeinflusster Warmluft die Wetter-Auskunftler für den 6./7. Februar Schlimmstes befürchten ließ. Doch die Lausitzer Energiewirtschaftler waren vorbereitet. „Bereits an diesem Wochenende galt es, Kräfte zu bündeln, um freie Fahrt für die Kohlezüge der Leag auf ihren Wegen von den Tagebauen zu den Kraftwerken zu ermöglichen“, schildert Lutz Mickel vom Bereich Produktionskoordinierung/Eisenbahn. Starke Schneeverwehungen hätten auf den Schienen des Leag-Eisenbahnbetriebs zu Behinderungen geführt, die unter Einsatz von mehr Personal als üblich beräumt werden mussten. Wo schweres Gerät nicht weiterkam, hätten die Kollegen zu Schaufeln und Besen greifen müssen.

Kraftwerke agieren flexibel

Wurden auf Grund des hohen Windaufkommens am besagten Wochenende alle Leag-Kraftwerke nur mit eingesenkter Fahrweise betrieben, mussten sie zu Beginn der kommenden Woche, also ab 8. Februar, bei nachlassendem Wind und gleichzeitig erhöhter Stromnachfrage wieder mit allen verfügbaren Einheiten ans Netz gebracht werden. Andreas Spielmann von der Kraftwerkseinsatzplanung sieht auch für die kommenden Tage weiterhin eine hohe Nachfrage nach Braunkohlenstrom. „Die Windprognosen für die kommenden Tage sehen bis auf kurze Unterbrechungen eher Windflauten voraus. Auch die Sonne leistet zu dieser Jahreszeit und bei derzeit zugeschneiten Solaranlagen keinen nennenswerten Beitrag zur Stromversorgung. Für uns heißt das, dass wir alle Kraftwerksblöcke im Einsatz haben werden“, sagt Spielmann. Zumindest für die zurückliegende Woche hat er uneingeschränkt Recht behalten: Wie Thoralf Schirmer, einer der Pressesprecher der Leag, am Freitag gegenüber TAGEBLATT bestätigte, seien die Kraftwerke mit allen Blöcken unter Volllast am Netz.

Aber die Kraftwerke funktionieren nur, wenn der Nachschub an Braunkohle aus den Tagebauen stabil bleibt. Im Südrevier der Leag ist Henrik Ansorge als Leiter der Tagebaue Nochten und Reichwalde unter anderem für die sichere Belieferung des Kraftwerkes Boxberg verantwortlich. Auch seine Mitarbeiter sind derzeit im Winterkampf. „Priorität hat für uns die Produktion, also die stabile Kohleförderung, sowie der Kohlelagerplatz, von wo die Braunkohle per Förderband oder per Zug zu den Kraftwerken und dem Veredlungsbetrieb transportiert wird“, erklärt Ansorge. So seien an diesen Arbeitsorten zusätzliche Kollegen im Einsatz.

Bergleute kennen kalte Winter

„Bei dieser Kälte ist vieles schwergängiger als sonst. Wir müssen also mehr Zeit einplanen, gerade auch mit Blick auf die Unfallgefahr, die bei Schnee und Glätte erhöht ist. Aber wir sind gut aufgestellt“, versichert Ansorge. Dass die Kälte nicht angenehm ist für die Kumpel draußen, die im Drei-Schicht-System arbeiten, läge dabei natürlich auf der Hand. Doch böten beheizte Aufenthaltsräume auf den Tagebaugeräten immer mal wieder die Möglichkeit zum Aufwärmen. „Unsere Bergleute kennen kalte Winter. Zweistellige Minusgrade sind für Februar in der Lausitz nichts Ungewöhnliches“, weiß Ansorge.

MiG-Triebwerke stehen bereit

Rund 75.000 Tonnen Braunkohle kommen pro Tag aus dem Südrevier. Insgesamt fördern die Leag-Tagebaue derzeit bis zu 160.000 Tonnen Braunkohle innerhalb von 24 Stunden. Damit die Braunkohle, die einen hohen Wasseranteil aufweist, auf ihrer Fahrt von den Kohlelagerplätzen zu den Kraftwerken nicht in den Kohlewaggons einfriert, sind alle Waggons beheizbar. Anbackungen können dadurch reduziert werden. Wenn Züge auf Grund von Wartezeiten länger auf der Strecke stehen müssen, könne die Kohle doch mal festfrieren, weiß der Leiter des Eisenbahnbetriebes, Enrico Lindock. „Für diese Fälle sind wir mit Ausblasgeräten ausgestattet, mit denen wir die festgefrorene Kohle ablösen können. Diese Geräte verfügen über Strahltriebwerke aus NVA-Zeiten (Nationale Volksarmee der DDR – Flugzeugturbinen aus sowjetischen MiG- (Mikojan-Gurewitsch-) Kampf-Jets wurden zu jener Zeit erstmals „zweckentfremdet“ zum Kohle-Waggon-Auftauen eingesetzt, d. Red.). Damit haben wir noch jeden Waggon leer bekommen“, ergänzt Enrico Lindock. (mit Thoralf Schirmer und JJ)

*= Kathi Gerstner ist Pressesprecherin der Leag am Standort Cottbus

Leag-Kraftwerke und -Tagebaue

Die deutsche Strom-Erzeugung basiert zu etwa einem Fünftel auf Braunkohle

Die Kraftwerke Jänschwalde, Schwarze Pumpe und Boxberg können zusammen mit dem 50%igen Anteil der Leag am Kraftwerk Lippendorf bei Leipzig eine Stromerzeugungsleistung von über 7.000 MW (Megawatt) zur Verfügung stellen. Sie versorgen darüber hinaus ganz oder teilweise die Städte Leipzig, Cottbus, Peitz, Spremberg, Hoyerswerda, Boxberg und Weißwasser mit Fernwärme.

Die Stromproduktion der Leag-Kraftwerke reicht rein rechnerisch, um rund 12 Millionen Haushalte durchgängig verlässlich zu versorgen. In effizienter Kraft-Wärme-Kopplung stellen sie zudem rund drei Milliarden Kilowattstunden (Mrd. kWh) Fernwärme im Jahr bereit.

Zum Vergleich: Ein moderner Kühlschrank hat durchschnittlich 70 Watt bis 180 Watt Leistungsaufnahme.

Die installierte Leistung der Leag-Kraftwerke und die von ihnen 2020 produzierte Strommenge:
– Jänschwalde(3.000 MW/11,9 Mrd. kWh)
– Schwarze Pumpe(1.600 MW/9,5 Mrd. kWh)
– Boxberg(2.575 MW/14,3 Mrd. kWh)
– Lippendorf (Block R)(920 MW/5,3 Mrd. kWh)

Versorgt werden die Leag-Kraftwerke mit Rohkohle aus den Leag-Tagebauen Jänschwalde und Welzow-Süd (Brandenburg) sowie Nochten und Reichwalde (Sachsen).

Gefördert wurden im Jahre 2020 in den Tagebauen folgende Mengen Rohkohle:
– Jänschwalde 7,4 Millionen Tonnen
– Welzow-Süd 15,8 Mio t
– Nochten 14,0 Mio t
– Reichwalde 6 Mio t

Quelle: Leag

Winterkampf im Tagebau Reichwalde – die Gleisrückmaschine wird trotz enormer Schneemassen funktionsfähig gehalten; mit schwerem Gerät und Muskelkraft. Der Wintereinbruch fordert vollen Einsatz von den Kohlekumpeln der Leag-Tagebaue.
Winterkampf im Tagebau Reichwalde – die Gleisrückmaschine wird trotz enormer Schneemassen funktionsfähig gehalten; mit schwerem Gerät und Muskelkraft. Der Wintereinbruch fordert vollen Einsatz von den Kohlekumpeln der Leag-Tagebaue. © Foto: Leag
Kraftwerk Schwarze Pumpe – sommers wie winters ein Garant für stabile Energieversorgung.
Kraftwerk Schwarze Pumpe – sommers wie winters ein Garant für stabile Energieversorgung. © Foto: Andreas Franke