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Sieben auf einen Streich

Dagmar Eckert hatte eigentlich andere Urlaubspläne. Stattdessen kümmert sich die Lautaerin nun um sieben Igelkinder.

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Darf ich vorstellen: Das ist Igelkind Paul. Dagmar Eckert kümmert sich derzeit hingebungsvoll um „ihre“ sieben Igelkinder, die bis zum Frühjahr bei ihr bleiben, um dann gesund und gestärkt wieder in die Natur entlassen zu werden.
Darf ich vorstellen: Das ist Igelkind Paul. Dagmar Eckert kümmert sich derzeit hingebungsvoll um „ihre“ sieben Igelkinder, die bis zum Frühjahr bei ihr bleiben, um dann gesund und gestärkt wieder in die Natur entlassen zu werden. © Foto: Silke Richter

Von Silke Richter

Lauta. Lisa hat sich eingeigelt. Paul der kleine Rammler erkundet seine neue Heimat, und Bob der Schüchterne hat sich dezent zurückgezogen. Alfreda, die anfangs vermeintlich ein Alfred war, hat heute nicht so gut gefressen. Luigi, Fritz und (Agentin) 007 sind in ihren Höhlen verschwunden. Die kleinen Igelkinder finden im Musikzimmer von Dagmar Eckert alles was sie brauchen und machen den Tag zur Nacht. So wie ihre Natur es vorschreibt.

Dort, wo einst Instrumente standen und musiziert wurde, ist vor ein paar Tagen ein Igelhotel entstanden. In den Nächten schmatzt, raschelt, rumort, keckert und piepst es seitdem im Haus der Lautaerin.Jeder Igel hat seinen eigenen Käfig. Die Behausungen hat Dagmar Eckert über einen Aufruf bei Facebook und eBay ordern können und mit Kaffee, Gummitieren, Geld und anderen Dingen bezahlt.

Dass sich ihr Zuhause innerhalb von nur wenigen Tagen zu einer großen Auffangstation entwickeln würde, das hatte die Tierfreundin nicht zu träumen gewagt. Bis vor wenigen Tagen wusste die 52-Jährige auch noch nicht sehr viel über Igelhilfe.

Es begann Ende September mit dem Besuch eines Igels in ihrem Garten. Das Tier sah mager aus, war aber nicht verletzt. Seitdem stand immer frisches Katzenfutter für die stachligen Besucher parat, die als sehr nützliche Schädlingsbekämpfer bekannt sind und Gärten in Ordnung halten.

Die Alarmglocken schrillten

Eines Tages entdeckte Dagmar Eckert eine Igelmutter mit vier Jungtieren, die klein und unterernährt aussahen und auch tagsüber unterwegs waren. Jetzt schrillten die Alarmglocken bei der Tierfreundin, die Kontakt zu einer erfahrenen Igel-Expertin suchte. Eine gute Entscheidung, wie sich wenig später herausstellen sollte, waren die beiden kleinsten Igelkinder doch kurze Zeit später allein und ohne ihre Mutter unterwegs. Um die 300 Gramm Körpergewicht und kalte Nachttemperaturen waren keine guten Voraussetzungen zum Überleben. Dagmar Eckert überlegte nicht lange, legte im Garten mehrere Reisighaufen an und holte die Igelkinder zu sich ins Haus. Mittlerweile waren es fünf Fundtiere. Aber wohin mit so vielen kleinen Igeln?

Eines der Tiere bekommt den Namen Emelie und zieht noch am selben Tag nach Hoyerswerda. Die zurate gezogene Igel-Expertin nimmt das Tier gern auf. Ein paar Tage später sind es sieben kleine Igelkinder, die ins Haus von Dagmar Eckert eingezogen sind. Das zuletzt gefundene Igelkind bekommt den Namen (Agentin) 007. Das Tier wog gerade mal 298 Gramm und maß nur etwa 13 Zentimeter – in etwa so lang ist ein Kugelschreiber. Die Versorgung der Igel wird für Dagmar Eckert (fast) zum Vollzeitjob, kostet Zeit, Kraft und Nerven. Dinge, die sie aber gern investiert. Auch wenn sich die 53-Jährige ihre Urlaubszeit anders geplant hatte. „Für die Rettung von Tieren opfere ich gern meine Freizeit. Sie sind mir jetzt schon sehr ans Herz gewachsen. Aber es sind und bleiben Wildtiere.“

Viel Herzblut und Engagement

Die Sorge ist groß, als plötzlich eines der Igelkinder stark hustet. Jetzt ist guter Rat teuer. Denn erst nach langer Recherche fand Dagmar Eckert endlich weitere professionelle Ansprechpartner bei der Igelhilfe in Radebeul. Alle Jungtiere wurden einem Gesundheitscheck unterzogen und medizinisch versorgt. Denn neben äußeren Parasiten können Igel auch von inneren Erregern befallen sein, die schwere Krankheiten und damit immensen Schaden anrichten können, der im schlimmsten Fall bis zum Tode führen kann. Traurige Erlebnisse, die bei der Igelhilfe Radebeul keine Seltenheit sind. „Ich habe dort viel Elend gesehen. Es ist bewundernswert, mit wie viel Herzblut und Engagement den hilflosen Igeln geholfen wird“, sagt Dagmar Eckert.

Der Arbeitstag der Lautaerin ist nun um ein Vielfaches länger. Nun heißt es, täglich Käfige säubern, Gesundheitskontrollen durchführen, Futter einkaufen und verteilen, alte Zeitungen als Unterlage und Baumaterial besorgen, recherchieren, wiegen, Dokumentationen führen und dazulernen. Die Sorge um jedes einzelne Tier inklusive.

Gute Chancen auf’s Überleben

Am Montag erreichte Dagmar Eckert die traurige Nachricht aus Hoyerswerda, dass es das dort betreute Igelkind Emelie nicht geschafft hat. Viel Zeit für Trauer bleibt ihr allerdings nicht, wollen doch die restlichen Igel bis zum Frühjahr weiter gut versorgt werden, verbunden mit der Hoffnung, dass sie überleben. Bis dahin möchte Dagmar Eckert ihren Garten zu einer Auswilderungsstation für Igel umfunktioniert haben. Die Chancen, dass alle Jungtiere durchkommen werden, stehen bislang nicht schlecht, sagt sie optimistisch.