SZ + Hoyerswerda
Merken

Versicherung zahlt nicht für Schaden am Volkshaus

Weißwasser kämpft darum – und um eine Zwischenfinanzierung für Schuttberäumung und Gebäudesicherung.

Von Constanze Knappe
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Festsaal des Volkshauses ist nahezu komplett zerstört, aus anderen Gebäudeteilen müssen schadstoffbelastete Bauteile raus. Das Geld dafür erhofft sich OB Torsten Pötzsch aus einer Bedarfszuweisung – vorübergehend.
Der Festsaal des Volkshauses ist nahezu komplett zerstört, aus anderen Gebäudeteilen müssen schadstoffbelastete Bauteile raus. Das Geld dafür erhofft sich OB Torsten Pötzsch aus einer Bedarfszuweisung – vorübergehend. © Foto:Joachim Rehle

Weißwasser. Einst aus Mitgliedsbeiträgen der Gewerkschaften erbaut, hat das Volkshaus große Bedeutung für Weißwasser. Nicht nur wegen dieser Entstehungsgeschichte. Das durch Brandstiftung entfachte Großfeuer am 25. April 2021 hinterließ gewaltige Schäden – und Entsetzen über den Verlust des historischen und kulturellen Erbes. Mit einem Grundsatzbeschluss bezeugte der Stadtrat im Juni den festen Willen, das Objekt wieder aufzubauen und einer öffentlichen Nutzung zuzuführen.

Derweil hat die Verwaltung Maßnahmen zur Schadensregulierung eingeleitet. Nach den Empfehlungen eines Gutachtens wurden im Juli im Baureferat der Stadt ein Entsorgungskonzept erarbeitet und drei Angebote für die Beräumung des Brandschutts sowie den Abbruch einsturzgefährdeter und schadstoffbelasteter Bauteile eingeholt. Im September sollten die Arbeiten ausgeführt werden. Weil jedoch bislang nichts dergleichen passierte, informierten Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext) und Baureferatsleiterin Dorit Baumeister jetzt über die Gründe und den aktuellen Stand der Dinge.

Es geht um Millionen

Die Kosten der Brandschadensbeseitigung und statischen Sicherung des Gebäudes, einschließlich aller dafür erforderlichen Planungsleistungen, belaufen sich auf 420.000 bis 470.000 Euro. Genauer lasse sich die Preisspanne nicht eingrenzen. „Es ist schier unmöglich, die exakte Menge für die Entsorgung zu erfassen“, sagte Dorit Baumeister. Denn abgesehen von der Beräumung des nahezu vollständig zerstörten Festsaales sind auch die anderen Gebäudeteile betroffen. „Da hat zwar nicht das Feuer gewütet, aber durch Rauch und Ruß sind die Putze an Wänden und Decken derart schwer belastet, dass sie nicht mehr zu sanieren gehen“, erklärte sie. Auch müsse die Dachkonstruktion über dem Treppenhaus abgerissen werden. An deren Stelle soll vorübergehend ein Notdach hin. Die sogenannten Wiederherstellungskosten belaufen sich auf 2,76 Millionen Euro. Zuzüglich weiterer 834.000 Euro Nebenkosten. Dabei wurden bei den Berechnungen „für einen theoretischen Wiedaufbau“ etwa die Kosten für eine Heizung gar nicht berücksichtigt. Denn die hätte auch bei einer Sanierung erneuert werden müssen.

Fachanwalt beauftragt

Die Hiobsbotschaft: „Der Gebäudeversicherer lehnt es ab, die Kosten zu übernehmen“, so die Baureferatsleiterin. Und das, obwohl man habe beweisen können, dass das seit 2004 leerstehende Gebäude gesichert war und die Stadt außerdem diverse Reparaturrechnungen vorlegen konnte. Die Versicherung gehe gar nicht auf die Argumente der Stadt ein. „Wir wollen den kämpferischen Weg gehen, um unsere Rechte einzufordern“, erklärte OB Torsten Pötzsch. Dazu hat die Stadt einen auf Versicherungsfragen spezialisierten Fachanwalt beauftragt. Dieser stamme nicht aus dem Umkreis von 50 Kilometern. Man habe da lange recherchiert, um einen ausgemachten Spezialisten zu finden. Der verschaffte sich einen Überblick: zum einen anhand der von den Gutachtern erstellten umfangreichen Dokumentation und zum anderen mit eigenen Augen. Gegenwärtig sei nicht absehbar, wann die Versicherung zahle oder wie lange sich ein Rechtsstreit hinziehe. Das könne auch Jahre dauern …„Wenn sich der Rechtsstreit auf ewig hinzieht, werden wir neu überlegen müssen“, so der OB. So lange kann und will die Stadt aber nicht untätig bleiben. Man sei mit dem Landkreis Görlitz im Gespräch über eine Bedarfszuweisung zur Schadensbeseitigung. Das Geld soll „nur geborgt“ sein und wäre dann im Falle der Zahlung durch den Gebäudeversicherer zu erstatten. Gleiches gilt für eine eventuelle Bedarfszuweisung durch den Freistaat Sachsen. Alternativ käme eine Zwischenfinanzierung durch einen Kredit infrage, wobei dieser aber angesichts der Haushaltslage der Stadt durch die Kommunalaufsicht genehmigt werden müsste. Die Zinsen wären dann „als Schadensersatz gegenüber der Versicherung abzurechnen“. Wie Torsten Pötzsch informierte, sollen die Anträge in den nächsten Tagen gestellt werden. Man hoffe auf eine Bedarfszuweisung. „Dazu sind viele Formulare auszufüllen. Aber das sind wir ja gewohnt“, sagte er.

Studie wird Nutzung aufzeigen

Die Aufträge für die Brandschuttberäumung und Entsorgung sind vorbereitet. Sobald die Finanzierung steht, könnten die Firmen loslegen. Wenn es nach der Stadtverwaltung geht, soll das noch in diesem Jahr passieren, um die Sperrung der Görlitzer Straße zwischen der Bautzener und der Lutherstraße endlich aufheben zu können. Der Knackpunkt sei allerdings, ob die Firmen überhaupt auf die Schnelle Zeit haben: waren sie doch eigentlich auf einen ganz anderen Zeitraum fokussiert.

Ungeachtet dieser Schwierigkeiten blickt man im Rathaus bereits in die Zukunft. Nach Informationen des Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung bestand im September die Möglichkeit, über das Landesamt für Denkmalpflege an Fördermittel „zum Erhalt und zur Umgestaltung herausragender Kulturdenkmäler der Industriekultur“ zu gelangen. Diese Chance will Weißwasser nutzen. Im Rahmen des Strukturwandels sollen damit „lebendige Orte durch außergewöhnliche Akzente“ entstehen. Das Baureferat hat einen Fördermittelantrag gestellt, um für das Volkshaus „eine funktionale Machbarkeitsstudie einschließlich eines betriebswirtschaftlichen Betreibermodells“ erarbeiten zu lassen. Die Förderquote beträgt 90 %. Mit einer Entscheidung sei in der 48. Kalenderwoche (Ende November) zu rechnen.

Strukturwandelgeld soll helfen

Aus Sicht von Dorit Baumeister sei es „wichtig, dass wir parallel arbeiten“. Denn, so fügte sie noch hinzu: „Es ist schon vor dem Brand klar gewesen, dass das Volkshaus das Zeug dazu hat, sich als Strukturwandelprojekt darzustellen.“ Daher sei die Machbarkeitsstudie auch politisch wichtig. Die Stadt brauche das Nutzungskonzept, „damit man das Volkshaus gar nicht ablehnen kann“, hieß es. Schließen musste das Volkshaus seinerzeit, weil mit den Besuchern auch das Geld für die weitere Betreibung ausgeblieben war und zudem „die gebeutelte Stadtkasse“ eine umfassende Sanierung nicht zuließ.

Wenn Weißwasser Fördermittel für die Studie bekommt, würden im Januar Architektur- und Planungsbüros von der Stadt angefragt. Eine europaweite Ausschreibung wäre in dem Falle nicht erforderlich, da die Kosten der Studie unter dem Schwellenwert von 214.000 Euro liegen. Wenn es dann an die eigentlichen Planungen zu Bau und Sanierung des Volkshauses geht, soll es einen Architektenwettbewerb geben.